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Arzneimittel und Therapie
Neue Strategien in der Onkologie
Der MRN-Komplex als Target für künftige Zytostatika
Die DNA ist ständigen Schädigungen ausgesetzt, der für die Zelle schlimmste Schaden ist der DNA-Doppelstrangbruch. Wie Prof. Dr. Dorothee Dartsch, Institut für Pharmazie der Universität Hamburg, am 28. Januar 2012 beim 20. NZW in Hamburg erläuterte, hat die Zelle zum Ausgleich dieser Schäden Reparatur- und Toleranzmechanismen entwickelt. Die wichtigsten sind die nicht homologe Endverknüpfung und die homologe Rekombination. Die Informationen hierfür sind in Proteinen enthalten. Ein solches Protein ist der MRN-Komplex, der als molekulare Schaltstelle für Alarmsignale in der Zelle betrachtet werden kann. Der MRN-Komplex besteht aus den Proteinen Mre11, Rad50 und Nbs1. Die kombinierten molekularen Funktionen dieser Proteine ermöglichen eine Bindung des Komplexes an die DNA und führen zur Bindung und Aktivierung weiterer Proteine; es wird also eine Kommunikation unter den Proteinen ermöglicht. Der MRN-Komplex fungiert als Sensor für Doppelstrangbrüche und macht den Schadensort zugänglich für weitere Proteine. Er erkennt die Schäden und entscheidet über weitere Vorgänge wie Zellalterung, Apoptose, DNA-Replikation, Zellzyklus Checkpoints und Reparaturmechanismen. Zur eigentlichen Schadensreparatur stehen dann die homologe Rekombination und die nicht homologe Endverknüpfung zur Verfügung, die in Abhängigkeit von der jeweiligen Phase des Zellzyklus aktiviert werden.
Mutationen an Proteinen des MNR-Komplexes können zu schweren Erkrankungen führen, die mit einer erhöhten Tumordisposition einhergehen. Ein Beispiel hierfür ist das Nijmegen-Breakage-Syndrom, das mit Kleinwuchs, Mikrozephalie, Immunschwäche und einem erhöhten Risiko für Leukämien und Lymphomen einhergeht. Bei dieser autosomal-rezessiv vererbten Erkrankung ist das Gen für Nbs1 mutiert. Bei der Ataxia teleangiectasia ist das MRN-assoziierte Gen ATM mutiert, das für eine Proteinkinase bei der Reparatur von Doppelstrangbrüchen kodiert. Klinische Symptome sind neurodegenerative Veränderungen des Kleinhirns, Teleangiektasien (erweiterte Blutgefäße) in Bindehaut und Augapfel, Immundefizite sowie ein erhöhtes Risiko für Malignome des lymphatischen Systems.
Neue Therapieansätze
Der MRN-Komplex könnte ein neues Target in der Tumortherapie werden. So könnte man etwa mithilfe eines klassischen Zytostatikums einen DNA-Schaden in der Tumorzelle herbeiführen und zusätzlich das Reparatursystem der Zelle – den MRN-Komplex – mithilfe von MRN-Inhibitoren außer Gefecht setzen. Dieser Ansatz wird in ersten Studien untersucht.
Krankheiten infolge von Genmutationen am MRN-Komplex | |||
Syndrom |
Genmutation |
Phänotyp/Defekt |
Krebserkrankungen |
familiäres BRCA-Mammakarzinom |
Nbs1, Rad50 |
homologe Replikation, Signalling |
Brust- und Ovarialkrebs |
familiäres non-BRCA-Mammakarzinom |
Mre11 |
verminderte MRN-Funktion |
Brustkrebs |
Nijmegen-breakage-Syndrom |
Nbs1 |
Signalling, Doppelstrangreparatur, Reparatur an den Replikationsgabeln |
B-Zell-Lymphom |
Ataxia teleangiectasia |
ATM |
Signalling, Doppelstrangreparatur, oxidativer Stress |
Lymphome, Leukämien; erhöhte Sensitivität für Strahlen, Brustkrebs |
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