DAZ aktuell

Von der Datenaffäre zum ABDA-Skandal?

Dr. Christian Rotta

Wenn es zutrifft, dass aus der Jägerstraße zwischen 2007 und 2011 viele Hundertausend Euro an die vom früheren ABDA-Pressesprecher Thomas Bellartz mitgegründete Agentur El Pato geflossen sind, steht die ABDA vor einem hausgemachten Skandal mit ungewissem Ausgang.

Während in der Datenaffäre im BMG bis zu einer eventuellen rechtskräftigen Verurteilung der Beschuldigten die Unschuldvermutung gelten muss, treten die geschäftlichen Verflechtungen zwischen ABDA und El Pato/Apotheke adhoc/Gesundheit adhoc inzwischen immer offener zutage. Allerdings sprengt – auch wenn schon in der Vergangenheit über die dubiosen ABDA-Bellartz-Adhoc-Connections spekuliert worden war – die Höhe der Beträge, die für Dienstleistungen wie z. B. die Aussendung von Faxen und Pressemeldungen (!) geflossen sein sollen, jede bisherige Vorstellung. Der "Focus" spricht von 800.000 Euro. Nach anderen Informationen sollen die Beträge, die an El Pato flossen, sogar die Millionengrenze weit überschreiten, zumal die ABDA in der Vergangenheit zusätzlich auch Kampagnen und Plakataktionen über El Pato finanziert und bei Apotheke adhoc zum Beispiel wochenlang Bannerwerbung für ihre "Raubbau"-Kampagne geschaltet hatte (Schon damals verwunderte, dass die ABDA für ihre Aktion bei der eigenen Apothekerklientel werben musste).

Der Sündenfall der Verantwortlichen bestand darin, dass es Thomas Bellartz bei seiner Berufung zum ABDA-Sprecher arbeitsrechtlich offensichtlich zugestanden worden war, weiterhin seine Agentur El Pato samt den Online-Diensten Apotheke adhoc und Gesundheit adhoc zu betreiben. Welche Überlegungen die ABDA-Verantwortlichen dabei geleitet haben, kann nur vermutet werden. Immerhin: Zumindest einer wohlwollenden Berichterstattung bei Apotheke adhoc konnte sich die ABDA während der Bellartzschen Sprecherzeit sicher sein. Warum sollte der Branchendienst auch seinen Mitfinancier all zu kritisch unter die Lupe nehmen? Dazu waren Bellartz, seine Ehefrau Elke Hinkelbein (El Pato-Gesellschafterin/Geschäftsführerin) und sein Ex-PZ-Kollege Patrick Hollstein (ebenfalls Gesellschafter/Geschäftsführer von El Pato) zu eng miteinander verbandelt. Bellartz/El Pato waren überall: ABDA, Apothekerkammern und Apothekerverbände nahmen die Agentur regelmäßig in Anspruch, selbst auf der Expopharm war El Pato für die Pressearbeit zuständig! Es roch unangenehm nach Filz.

Und jetzt? Wie geht es jetzt weiter? Heinz-Günter Wolf, unter dessen ABDA-Ägide Bellartz eingestellt wurde und der immerhin noch amtierender ABDA-Präsident ist, taucht unter und ist nicht erreichbar. Apotheke adhoc veröffentlicht auf der eigenen Homepage larmoyante Kommentare zur Affäre und verweigert ansonsten, auch gegenüber der DAZ, jede Stellungnahme. Friedemann Schmidt, der designierte ABDA-Präsident, übt milde Selbstkritik und ruft eine ABDA-interne "Compliance-Arbeitsgruppe" ins Leben. Allerdings sind in der Task Force just auch jene Repräsentanten vertreten, die im Fall Bellartz die politische Verantwortung tragen. Man ist geneigt, sich an die Ankündigung des früheren hessischen Ministerpräsidenten nach einer "brutalstmöglichen Aufklärung" zu erinnern. Wie die CDU-Spendenaffäre seinerzeit ausging, weiß man.

Mit lauwarmen Statements und halbherzigen Maßnahmen muss jetzt Schluss sein. Damit kann eine der größten Imagekrisen in der jüngeren Apothekengeschichte nicht mehr bewältigt werden. Den ABDA-Verantwortlichen kann nur geraten werden, jetzt ohne Ansehen von Personen reinen Tisch zu machen. Wenn sich die vermeintlichen Machenschaften ihres Pressesprechers bewahrheiten sollten, muss offengelegt werden, ob die ABDA davon etwas wusste. Dies wäre der Super-GAU. Und die Verantwortlichen müssen beantworten, warum dem ABDA-Pressesprecher neben seinem Job als Pressesprecher so weitreichende Paralleltätigkeiten gestattet worden waren.

Stand Bellartz ein eigenes Budget, eine Art Reptilienfonds zur Verfügung? Welche Geschäftsbeziehungen bestanden (und bestehen?) zwischen der ABDA und El Pato, Apotheke adhoc/Gesundheit adhoc bzw. der heutigen Bellartz-Agentur Neuspree? Und vor allem: Welche Beträge flossen – für welche Gegenleistungen – von der ABDA und ihren Mitgliedsorganisationen zu El Pato & Co.?

Die Versuchung in der Jägerstraße mag nahe liegen, jetzt allein ihren früheren Pressesprecher ins Visier zu nehmen und auf die "Einzeltäter-These" zu setzen. Um weiteren Schaden abzuwenden, muss die ABDA dieser Versuchung widerstehen. Ob sie die Kraft dazu hat?


Christian Rotta



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