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Arzneimittel und Therapie
Umdenken in der Psychiatrie
Überlappende Krankheitsbilder als therapeutische Herausforderung
Lässt sich die schizophrene Psychose immer strikt von der Depression trennen? Auf dem letztjährigen Kongress der DGPPN in Berlin waren sich Experten auf einem Satelliten-Symposium von AstraZeneca einig: Vieles spricht für eine erhebliche Überlappung. Tatsache ist: Beide Krankheiten beginnen am häufigsten mit dem Symptom "depressive Verstimmung". Die Prodromalstadien unterscheiden sich vor dem Auftreten psychotischer Symptome nur wenig voneinander, so Prof. Dr. Heinz Häfner, Mannheim. Erst nach der ersten Psychose gelingt eine eindeutige diagnostische Trennung. Die Depressivität bleibt aber meist im Gesamtverlauf der Schizophrenie das vorrangige Symptom mit einer kumulativen Prävalenz von 85%, erläuterte Häfner eigene Daten. Sein Fazit: "Das heute gültige Krankheitskonstrukt scheint aus individuell unterschiedlichen Anteilen mehrerer Krankheitsdimensionen zu bestehen." In Diagnostik und Therapie sei deshalb ein Umdenken erforderlich: "Wir müssen der Behandlung depressiver Symptome mehr Aufmerksamkeit widmen." Als geeignete Therapieoption gilt retardiertes Quetiapin (Seroquel Prolong®), ein atypisches Antipsychotikum, das für die Therapie der Schizophrenie indiziert ist, gleichzeitig aber auch eine gute Wirksamkeit gegen depressive Symptome zeigt.
QuetiapinQuetiapin ist eine atypische antipsychotisch wirksame Substanz. Quetiapin und der aktive menschliche Plasmametabolit Norquetiapin interagieren mit einem breiten Spektrum von Neurotransmitterrezeptoren. Quetiapin und Norquetiapin besitzen Affinität zu zerebralen serotonergen (5HT2)- und dopaminergen D1- und D2-Rezeptoren. Es wird angenommen, dass diese Kombination eines Rezeptorantagonismus mit höherer Selektivität für 5HT2- verglichen mit D2-Rezeptoren für die klinischen antipsychotischen Eigenschaften und das gering ausgeprägte extrapyramidalmotorische Nebenwirkungsprofil von Quetiapin im Vergleich zu typischen Antipsychotika mitverantwortlich ist. Quetiapin ist zur Behandlung der Schizophrenie und zur Behandlung von bipolaren Störungen indiziert. Quetiapin kann unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Es wird empfohlen, während der Therapie mit Quetiapin keinen Grapefruitsaft zu konsumieren. Die gleichzeitige Anwendung von Cytochrom-P450– 3A4-Hemmern wie HIV-Proteasehemmern, Antimykotika vom Azoltyp, Erythromycin, Clarithromycin und Nefazodon ist kontraindiziert. Unter den Induktoren von CYP450-3A4 sind insbesondere Antikonvulsiva wie Phenytoin, Barbiturate, Carbamazepin und Rifampicin zu beachten. Bei gleichzeitiger Therapie mit diesen Substanzen ist eine entsprechende Dosiserhöhung von Quetiapin erforderlich. |
Evidenzlevel 1A bei bipolaren Störungen
Im affektiven Spektrum lässt sich bei depressiven Symptomen zwischen unipolarer und bipolarer Depression unterscheiden. Patienten mit einer bipolaren Störung (BPS), früher als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet, sind über die Hälfte ihrer Lebenszeit symptomatisch. Die Depression dominiert auch hier klar den Krankheitsverlauf. Manische Episoden gehen zu 90% mit psychotischen Symptomen einher. Zur Therapie von Depression und Manie bei bipolarer Störung ist Quetiapin ebenfalls zugelassen und erreicht hier laut den Leitlinien der World Federation of Societies of Biological Psychiatry 2010 den Evidenzlevel 1A.
Augmentation, wenn Antidepressiva versagen
Bei der unipolaren Depression stehen Antidepressiva im Vordergrund der Therapieoptionen. Studien zur klinischen Wirksamkeit zeigen allerdings, dass nur 50 bis 60% der Patienten auf die Behandlung mit dem ersten Antidepressivum ansprechen. Gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit für einen Therapieerfolg bei unzureichender Response innerhalb der ersten Wochen deutlich. Augmentationsstrategien mit modernen Antipsychotika wie Quetiapin haben deshalb einen hohen Stellenwert. Es ist für die Add-on-Therapie bei Patienten zugelassen, die unzureichend auf die Monotherapie mit einem Antidepressivum ansprechen.
Apothekerin Dr. Beate Fessler
Zum WeiterlesenPharmako-logisch! Die Depression: Von der Unerträglichkeit des Seins Pharmako-logisch! Schizophrenie: Wenn die Lebensmaßstäbe verrückt sind. |
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