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Qualität hat ihren Preis

Peter Ditzel

Den ersten offiziellen Entwurf zur Novellierung der Apothekenbetriebsordnung legte die Bundesregierung im vergangenen Oktober vor. Er provozierte. Er war ein Mix aus Systemveränderung, vermeintlichen Erleichterungen, einem Mehr an Bürokratie für die Apotheken und vielen Ungereimtheiten. Verbände, Fachkreise und Fachmedien dienten dem Ministerium ihre Stellungnahmen und Meinungsbeiträge dazu an.

Nun liegt der Kabinettsentwurf dieser Verordnung vor – und bei der Durchsicht dieses Entwurfs gewinnt man den Eindruck: Das Ministerium hat sich mit den Vorschlägen und Stellungnahmen intensiv auseinandergesetzt. Es hat verstanden, dass der erste Entwurf zu einer Systemveränderung des Apothekenwesens in Deutschland geführt hätte, die nicht zu einer qualitativen Verbesserung der Arzneimittelversorgung beigetragen hätte. Eine Privilegierung der Filialapotheken ist mit dem neuen Entwurf vom Tisch, Kiosk-Apotheken wird es in Deutschland nicht geben. Jede Filialapotheke muss auch weiterhin die gleichen Anforderungen wie eine Hauptapotheke erfüllen (Größe, Räume, Ausstattung).

Mit dem neuen Entwurf hat man den Spieß umgedreht. Mehr Qualität, noch mehr Qualität scheint denn auch die Maxime gewesen zu sein, von der sich die für die neue Verordnung Verantwortlichen wohl haben leiten lassen. Sie machen ein Qualitätsmanagementsystem zur Pflicht, für alle Apotheken und nicht, wie zunächst vorgesehen, nur für Apotheken mit Defektur. Kleine Erleichterung: eine Zertifizierungspflicht besteht indes nicht.

Mehr Qualität sollen auch die Anforderungen an die Apothekenbetriebsräume bringen. Als Beispiel sind hier die nach drei Seiten raumhoch abgetrennte Rezeptur zu nennen, ein getrennter Teeabfüllplatz oder ein Hygieneplan, der aufzustellen ist.

Auch bei der Rezeptur will der Verordnungsgeber mehr Qualität verwirklicht sehen, angefangen bei den schriftlichen Herstellungsvorschriften über die Dokumentation, neuen Pflichtangaben auf den Etiketten einschließlich Verfalldatum bis hin zur organoleptischen Prüfung einer Rezeptur. Und bei Defekturen gelten sogar die gleichen Standards wie für alle anderen Arzneimittelhersteller.

Unmissverständlich mehr Qualität und Diskretion will der neue Entwurf der Apothekenbetriebsordnung in das Feld der Kundenberatung einbringen. Die Vertraulichkeit der Beratung muss gewahrt werden, und verstärkt heißt es nun: Das Mithören des Beratungsgesprächs durch andere Kunden muss weitestgehend verhindert werden. Der Kunde soll also nicht nur im Einzelfall von einer Vertraulichkeit bei einer Beratung ausgehen können und nicht erst darum bitten müssen. Zudem muss die Beratung jedem Kunden aktiv angeboten werden, der Kunde ist aktiv in das Gespräch einzubeziehen, um den Beratungsbedarf des Kunden erkennen zu können.

Auch im Versandhandel soll zumindest der Versuch unternommen werden, dem Kunden eine Beratung leichter zugänglich zu machen: Der Besteller muss eine Telefonnummer nennen, unter der er vom pharmazeutischen Personal der Versandapotheke angerufen und beraten werden kann.

Nicht zuletzt regelt der Entwurf auch das patientenindividuelle Verblistern unter der Prämisse nach mehr Qualität: Es muss in einem separaten Raum vorgenommen werden, der nur diesem Zweck dient, mit speziellem QMS und den Vorschriften für die korrekte Kennzeichnung der Blister. Ähnliches wird auch für die Herstellung patientenindividueller Parenteralia gelten.

Wir haben in dieser Ausgabe den überarbeiteten Entwurf durchforstet und die Änderungen herausgearbeitet. Unser Fazit: Ein Schritt in die richtige Richtung. Aber, so begrüßenswert viele Veränderungen sind: für die Apotheke wird es auch teurer werden. Zwar liefert das Ministerium auch gleich eine Kostenschätzung für den Mehraufwand mit, doch die kann getrost als weltfremd bezeichnet werden. Das zeigt sich besonders bei der Herstellung von Rezepturen, die schon bisher nicht mehr kostendeckend hergestellt werden konnten. Nach den Vorschriften der neuen Verordnung werden sie gänzlich zum Draufzahlgeschäft.

Eine Rezeptur unter QMS, neuen Dokumentations- und Prüfpflichten lässt sich zum derzeit gültigen Rezepturaufschlag nicht mehr herstellen. Mit den neuen Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung muss zwingend eine Anpassung der Rezepturpreise, der Nachtdienstgebühren, der BtM-Gebühren und des Apothekerhonorars einhergehen.

Der Weg hin zu mehr Qualität ist richtig und wünschenswert, aber Qualität hat ihren Preis – das sollte das Ministerium wissen, oder doch nicht? Das Ministerium setzt bei seinen Berechnungen für eine Handwerkerstunde ca. 80 Euro an, als Lohnkosten für den Apotheker dagegen 46,20 Euro pro Stunde. Ist das in den Augen des Ministeriums der Wert für die hochregulierte sichere Arzneimittelversorgung in Deutschland?


Peter Ditzel



DAZ 2012, Nr. 5, S. 3

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