Recht aktuell

Neuordnung des Medizinprodukterechts

Vorschlag der Europäischen Kommission

Unter dem Eindruck des Brustimplantateskandals legte die Europäische Kommission am 26. 9. 2012 einen Vorschlag zur Neufassung des Medizinprodukterechts vor. Die vorgesehenen Neuregelungen sind ebenso weitreichend wie tiefgreifend.

Grundlegende rechtliche Änderungen

Zunächst soll der Medizinproduktesektor künftig nicht mehr in Form einer Richtlinie, sondern mittels einer Verordnung reguliert werden. Diese bedarf keiner Umsetzung in den Mitgliedstaaten, sondern gilt unmittelbar. Umsetzungsdivergenzen soll damit in Zukunft vorgebeugt werden.

Klarere Abgrenzungskriterien

Kennzeichnend für ein Medizinprodukt ist seine therapeutische Zweckbestimmung, wobei die Abgrenzung zu Arzneimitteln über die typischerweise physikalische Funktionalität der Medizinprodukte im Vergleich zur chemisch-pharmakologischen Wirkweise der Pharmazeutika erfolgt. Wenngleich auf europäischer Ebene in Guidelines bereits detaillierte und zielführende Abgrenzungskriterien niedergelegt sind, fühlten sich nationale Gerichte hieran vielfach nicht gebunden. Künftig soll dem ein Gremium vorbeugen, das die Mitgliedstaaten bei der Einordnung von Grenzfällen unterstützt.

Höhere Anforderungen an arzneimittelnahe Medizinprodukte

Die Anforderungen an arzneimittelnahe Medizinprodukte sollen erheblich verschärft werden. Medizinprodukte, die vom Körper aufgenommen werden, sollen generell der höchsten Risikoklasse III zugeordnet werden; Gleiches gilt für Medizinprodukte mit unterstützendem Arzneistoffbestandteil (z. B. Implantate mit infektionshemmender Arzneistoffbeschichtung).

Das Erhöhen der Anforderungen an den Marktzugang arzneimittelnaher Medizinprodukte soll offenbar die Diskussionen um ihre Abgrenzung gegenüber Arzneimitteln entbehrlich machen. Ob dies letztlich dem Patienteninteresse dient, ist allerdings stark zu bezweifeln.

Weitere Änderungen

Der Entwurf sieht zahlreiche weitere Nachjustierungen vor: Auch Produkte die keinen therapeutischen, sondern kosmetischen Zwecken dienen, werden künftig unter bestimmten Voraussetzungen als Medizinprodukte gelten.

In-vitro-Diagnostika sollen wie Medizinprodukte in verschiedene Risikoklassen unterteilt werden.

Die Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten soll mittels eindeutiger Produktnummern sichergestellt werden.

Schließlich ist beabsichtigt, die Inspektionsmöglichkeiten der benannten Stellen zu erweitern, wobei diese selbst einer strengeren Aufsicht durch die nationalen Behörden unterworfen werden.

Ausblick

Der vorgelegte Entwurf enthält einige sinnvolle wie notwendige Neuregelungen, allerdings auch zahlreiche Vorschläge, die als politischer Reflex unter dem Eindruck des Brustimplantateskandals erscheinen. Schwarzen Schafen, die vorsätzlich gegen geltende Regeln verstoßen, wird man indes nicht durch deren Verschärfung, sondern allein durch konsequentere Normdurchsetzung gerecht.

Es ist zu hoffen, dass sich die politische Diskussion im weiteren Fortgang versachlichen wird. Zeit genug bleibt: Mit einer Verabschiedung der Neuregelungen wird allgemein nicht vor 2014/ 2015 gerechnet; das Inkrafttreten der Verordnung ist erst drei Jahre nach ihrer Verabschiedung vorgesehen.


Alexander Maur, Rechtsanwalt
Kanzlei am Ärztehaus, Köln

www.kanzlei-am-aerztehaus.de



DAZ 2012, Nr. 49, S. 83

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