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Aus der Hochschule
Neues aus der Arzneimittel-Versorgungsforschung
Einnahmefehler bei Methotrexat
Christina Stockmann vom Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) berichtete über die im Herbst 2012 erarbeitete Handlungsempfehlung "Oral appliziertes Methotrexat". Das besondere Risiko in der Anwendung von Methotrexat bei rheumatoider Arthritis besteht darin, dass es nur einmal wöchentlich eingenommen werden darf, aber versehentlich manchmal täglich eingenommen wird.
AM-Versorgung in Alten- und Pflegeheimen
Werden ältere Menschen in Heimen oder zu Hause bei der Familie besser mit Arzneimitteln versorgt? Dieser Frage ging die AOK Rheinland/Hamburg nach, wie Christina Pehe, Beratungsapothekerin bei der AOK, berichtete. Dabei fand sie keine wesentlichen Unterschiede. Allerdings erhielten viele Patienten mehr als fünf verschiedene Arzneimittel, darunter auch häufig Arzneimittel der Priscus-Liste (für Senioren nicht geeignet), sodass die Medikation generell verbesserungsbedürftig ist.
Simone Bernhard, Universität Witten/Herdecke, stellte das vom Bundesgesundheitsministerium finanzierte "Modellprojekt zur Umsetzung und Evaluierung einer Interventionsstrategie zur Verbesserung der AMTS in Alten- und Pflegeheimen" vor. Dabei werden Pflegekräfte, Apotheker und Ärzte, die 15 Alten- und Pflegeheime in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern betreuen, in geriatrischer Pharmakotherapie geschult. Anschließend wird analysiert, ob dadurch die Anzahl der arzneimittelbedingten Ereignisse gesunken ist.
Ein weiteres Projekt zur Pharmakotherapie läuft in sieben Alten- und Pflegeheimen in Münster/Westfalen. Wie Isabel Waltering, Universität Münster, berichtete, konnte die intensive pharmazeutische Betreuung von 209 Heimbewohnern durch eine Apothekerin die arzneimittelbezogenen Probleme um 77% reduzieren und demgemäß die Kosten senken.
Folgekosten von UAW und Polypharmazie
Florian Meier, Universität Erlangen, referierte über die Kosten der Krankenhauseinweisungen aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Wenn die Zahlen der Notfallaufnahme des Klinikums Fürth im Jahr 2009 auf die gesamte Bundesrepublik hochgerechnet werden, sind pro Jahr 1,46 Mrd. Euro zu veranschlagen. Dabei hätten ca. 65% der UAW vermieden werden können.
Astrid Scheuerlein, Universität Jena, verglich zwei Methoden zur Entdeckung von UAW:
- die IT-gestützte Auswertung von Laborwerten und
- das Intensiv-Monitoring der Patienten im Krankenhaus.
Dabei schnitt das reine Screening von Laborwerten etwas schlechter ab. Je nach Methode wurden unterschiedliche UAW entdeckt, die sich kaum überschnitten, sodass die Kombination beider Methoden am erfolgreichsten ist.
In der Studie zu den Folgen der Polypharmazie stellte Reinhard Schuster vom MDK Nord fest, dass Patienten mit mehr als sieben verordneten Arzneistoffen über vier Quartale keine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit hatten als Patienten mit weniger Arzneimittelverordnungen. Dass die Gruppe mit den vielen Arzneiverordnungen eine um ca. 20% niedrigere Überlebensrate hatte, ist wohl auf die zu vermutende größere Multimorbidität dieser Patienten und nicht auf die Polypharmazie zurückzuführen. Betrachtet man nur zwei Quartale hintereinander, so ist häufig eine Abnahme der Zahl der verordneten Arzneimittel festzustellen. Überblickt man allerdings sechs Jahre, so zeigt sich eine leichte Zunahme.
Umstrittener Nutzen einiger Innovationen
Auf der Grundlage der Rezeptverordnungsdaten einer großen Krankenkasse präsentierte Stanislava Dicheva, Zentrum für Sozialpolitik (ZfS) der Universität Bremen, Ergebnisse der Anwendung unterschiedlicher Lipidsenker. Nur für wenige Produkte ist belegt, dass sie kardiovaskuläre Ereignisse verhindern und die Gesamtmortalität verringern. Einige sind zudem umstritten, weil sie im Vergleich zu den Standard-Lipidsenkern vergleichsweise hohe Kosten verursachen. So machen Ezetimib-Präparate ca. 7% des Verordnungsvolumens der Lipidsenker aus, verursachen aber 35% der Kosten. Vor allem in den ost- und süddeutschen Bundesländern werden diese umstrittenen Arzneimittel überproportional häufig verordnet, während sich die Ärzte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zurückhalten.
Frank Wild vom Wissenschaftlichen Institut der Privaten Krankenversicherung (PKV) analysierte anhand von PKV-Rezepten die Prävalenz der multiplen Sklerose in Deutschland. Demnach gab es im Zeitraum von 2006 bis 2010 etwa 12.700 privat versicherte MS-Patienten. Hochgerechnet auf die gesamte Bevölkerung in Deutschland dürften hier etwa 146.000 MS-Erkrankte leben. Interessant ist der Zuwachs der Zahl der Erkrankten bei der PKV. Zwischen 2006 und 2010 wuchs die Zahl der privat versicherten MS-Patienten um 91,6%, während in der GKV nur von einem Zuwachs von 39,9% ausgegangen wird. Als Gründe für den Anstieg diskutierte Wild insbesondere die verbesserten Diagnosemöglichkeiten und die veränderten diagnostischen Kriterien.
Roland Windt vom ZfS in Bremen hat erforscht, wie das im Jahr 2011 eingeführte cannabishaltige Arzneimittel Sativex® bei GKV-Patienten mit MS angewendet wird. Sativex ist zur Behandlung von Spastiken zugelassen, wenn andere Mittel nicht ausreichend wirksam sind. Eine frühe Nutzenbewertung gemäß AMNOG liegt vor, ist aber laut Windt mit Vorsicht zu betrachten, da vergleichende Untersuchungen mit eingeführten Mitteln kaum zur Verfügung stehen. Von 404 Patienten der Barmer GEK, die Sativex erhielten, hatten 17,3% zuvor kein anderes Muskelrelaxans erhalten, sodass hier vermutlich die Indikation nicht genau beachtet worden ist, also ein Off-label-use vorliegt.
Mehr Compliance bei einmal täglicher Einnahme
Über den Einsatz von Ginkgo-biloba-Präparaten zur Behandlung der Demenz berichtete Katrin Schuessel vom Deutschen Arzneiprüfungsinstitut in Berlin (DAPI). Sie fand heraus, dass ein Präparat zur einmal täglichen Einnahme (mit 240 mg Wirkstoff) häufiger über einen längeren Zeitraum eingenommen wird als Präparate, die mehrmals täglich eingenommen werden müssen (mit 120 mg oder weniger Wirkstoff). 22,8% der Patienten mit dem 240 mg-Präparat erhielten sechs Monate nach der ersten Verordnung eine Folgeverordnung, während dies nur bei 5,7% der Patienten mit den anderen Präparaten der Fall war.
Verordnungsverhalten von Ärzten nicht immer optimal
Uwe Eichler, Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), präsentierte Ergebnisse einer Untersuchung zu Arzneimittelinteraktionen bei multimorbiden Menschen. Anhand der Verordnungsdaten der AOK, verknüpft mit einer pharmakologischen Datenbank, konnte er 5,4 Mio. Patienten mit potenziell problematischen Arzneimittelinteraktionen herausfiltern. Bei 80% der gefundenen Interaktionen hatte nur ein Arzt die Arzneimittel verordnet. Für Eichler zeigt sich hier ein wichtiges Beratungsfeld für die pharmakologischen Beratungsdienste der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen. Um Krankenhauseinweisungen aufgrund von Interaktionen zu vermeiden, sollten die potenziellen Wechselwirkungen im Versorgungsalltag stärker berücksichtigt werden, lautete das Fazit des Vortragenden.
cae
Quelle: Bericht von Dr. Udo Puteanus, Münster
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