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DAZ aktuell
Ungewöhnliches Demokratieverständnis
Ein Kollege, dessen Liste nicht im Vorstand der Apothekerkammer Nordrhein vertreten ist und die damit in der Kammerversammlung die Aufgaben einer Oppositionsfraktion übernimmt, wollte sehr genau wissen, wofür in der Apothekerkammer Nordrhein die Kammerbeiträge der Kolleginnen und Kollegen verwendet werden. Einem Vorstandskollegen ging diese zugegebenermaßen etwas langatmige, aber doch notwendige Phase der letzten Sitzung der Kammerversammlung zu weit. Er äußerte sein Unverständnis darüber, warum die Verwendung der Kammerbeiträge so detailliert nachgefragt werde. Seiner Meinung nach sollten solche Details nicht in der berufsöffentlichen Kammerversammlung abgehandelt werden. In den Ausschüssen sei dafür ausreichend Gelegenheit, meinte er. In der Kammerversammlung müsse – so die Meinung des Kollegen – der Beruf geschlossen auftreten und ein einheitliches Bild abgeben.
Das Demokratieverständnis, dass hinter solchen Beiträgen steckt, erschreckt! Ausschüsse tagen hinter verschlossenen Türen und sind nicht öffentlich. Das ist auch gut so, denn ihr Votum fließt in die Beschlüsse des Vorstandes ein. Hier wird die Sachkompetenz von Kolleginnen und Kollegen gebraucht, um den Vorstand zu beraten und Entscheidungen vorzubereiten. Eigene Entscheidungen treffen die Ausschüsse jedoch nicht. Die Kammerversammlung ist die Hauptversammlung für alle Kolleginnen und Kollegen. Die Delegierten sind direkt durch die Kammerwahlen beauftragt, hier die Interessen ihrer Wählerinnen und Wähler zu vertreten. Die Kammerversammlung ist das eigentliche Entscheidungsgremium, sie ist der demokratisch gewählte Souverän! Außerdem kontrolliert die Hauptversammlung der nordrheinischen Apothekerinnen und Apotheker satzungsgemäß die Tätigkeit des aus ihrer Mitte gewählten Vorstandes und des Präsidenten. Und außerdem sollte sie das Bindeglied zwischen den gewählten Mandatsträgern und der Kollegenschaft an der Basis sein. Folglich müssen die Debatten über die Kammerarbeit zwingend in diesem Gremium geführt werden. Und zwar unter Einbeziehung der Berufsöffentlichkeit und der darüber berichtenden Standespresse! Nur so werden kontroverse Standpunkte für die Wählerinnen und Wähler erkennbar. Elementarer demokratischer Bestandteil dieses Gremiums ist eine Opposition, die kritische Fragen stellt. Das ist gute, gelebte Demokratie!
Das ungewöhnliche Demokratieverständnis, das in dieser Sitzung offenkundig wurde, wird noch an einem anderen Beispiel deutlich. Der Kammerpräsident äußerte in seinem Bericht über den vergangenen Apothekertag seine Verwunderung darüber, dass es den sogenannten "Protest-Apothekern" gelungen war, nahezu die Hälfte der Delegierten hinter sich zu bringen, als sie mit einem Antrag die Direktwahl des ABDA-Präsidenten durch die Hauptversammlung der Deutschen Apothekerinnen und Apotheker einforderten. Als Mitunterzeichnerin dieses Antrags, die sich dazu auch an der Debatte des Deutschen Apothekertags beteiligt hatte, meldete ich mich daraufhin zu Wort und legte dar, dass nach meiner Einschätzung die Strukturen der ABDA für viele Kolleginnen und Kollegen nur schwer durchschaubar seien. Für Viele ist es kaum nachvollziehbar, dass die Mitgliederversammlung der ABDA das eigentliche Entscheidungsgremium ist und nicht die Hauptversammlung des Deutschen Apothekertags, wie es für viele Berufsangehörige den Anschein hat. Weiter schlug ich vor, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die Vorschläge ausarbeiten soll, wie die komplizierte Struktur der beruflichen Selbstverwaltung für alle Kolleginnen und Kollegen besser nachvollziehbar gemacht werden kann. Außerdem soll sich diese Arbeitsgruppe Gedanken zu der Frage machen, welche Mitwirkungsmöglichkeiten Kolleginnen und Kollegen in der Hauptversammlung der Deutschen Apotheker zukünftig haben können.
Einer von den dienstältesten Kollegen ist seit Jahrzehnten für seine kritischen, aber sachkundigen Äußerungen in der Kammerversammlung Nordrhein bekannt. Dieser Kollege brachte es auf den Punkt. Mit eindrücklichen Worten schilderte er seine eigene Wahrnehmung. Er könne immer wieder beobachten, dass sich die wenigsten Mandatsträger der nordrheinischen Kammerversammlung in Satzungsfragen auskennen. Außerdem sei es seiner Meinung nach für den einzelnen Mandatsträger viel zu mühsam, sich in die komplizierten Strukturen der beruflichen Selbstverwaltung und der ABDA einzuarbeiten. Das könne man, so meint er, den berufspolitisch engagierten Kollegen wohl nicht auch noch zumuten. Er vertrat nachdrücklich seine Auffassung, dass die vorgeschlagene Arbeitsgruppe aus diesen Gründen nicht ausreichend mit sachkundigen Personen besetzbar sei und deshalb nicht eingerichtet werden könne.
Sich mangelnde Kompetenz vorhalten lassen zu müssen, ist niederschmetternd! Gesagt zu bekommen, man kenne sich im Kernbereich der Strukturen, in denen man durch sein Mandat mitarbeiten will nicht aus, ist noch bitterer. Schwer nachvollziehbar ist, warum sich die Mitglieder der Kammerversammlung eine solche Watsche kommentarlos gefallen ließen! Der Antrag auf Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Transparenz in unserer eigenen Selbstverwaltung wurde jedenfalls mit der Mehrheit der Vorstandsfraktionen abgelehnt.
In der Apothekerkammer Nordrhein steht es schlecht um eine berufsöffentliche Kammerversammlung. In dem einzigen Gremium, an dem die Standespresse und Kolleginnen und Kollegen als Beobachter teilnehmen können, ist es nicht mehr möglich, kontroverse Positionen zu diskutieren und konstruktive Vorschläge einzubringen. Das eigentliche Ringen um den Weg, den die nordrheinische Apothekerschaft in Zukunft gehen will, findet hinter verschlossenen Türen statt. Seit Jahren ist es leider gelebte Praxis, dass die Tagesordnung der Kammerversammlung vorbesprochen und im Vorfeld ausgekungelt wird. Die sogenannten Oppositions-Listen, die nicht an der Vorstandsarbeit der Kammer beteiligt sind, werden zu diesen Vortreffen selbstverständlich nicht eingeladen. So soll anschließend in der eigentlichen Kammerversammlung für die Berufsöffentlichkeit genau das dargestellt werden, was der Kollege auch von der Opposition eingefordert hat – ein glattgezogenes weichgespültes Gesamtbild, das keine Kontroversen zulässt.
Kritische Kolleginnen und Kollegen wurden in der Apothekerkammer Nordrhein schon vor Jahren aus allen Schlüsselpositionen entfernt. Minderheiten haben hier kaum noch eine Chance gehört zu werden. Dafür gibt es noch viele weitere Beispiele. Wen wundert es da noch, dass diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die seit Jahren immer wieder niedergebügelt werden, sich außerhalb der Selbstverwaltungsstrukturen Gehör verschaffen, andere Strukturen einschalten oder die Gerichte bemühen.
Elisabeth Thesing-Bleck, Aachen
E-Mail: bleck.aachen@t-online.de
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