DAZ aktuell

Zwei Stunden sind eine zu viel

BVerwG begründet Entscheidung zu Krankenhausversorgungsverträgen

LEIPZIG (jz). Krankenhausversorgungsverträge sind nur genehmigungsfähig, wenn die Apotheke dem Krankenhaus die benötigten Arzneimittel "unverzüglich" zur Verfügung stellen kann. Aber was bedeutet unverzüglich – kommt es dabei auf die Entfernung an? Im August hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine zwei- bis dreistündige Lieferzeit es jedenfalls nicht ist (Urteil vom 30. August 2012, Az. 3 C 24.11 – siehe AZ 2012, Nr. 36, S. 8). In den Urteilsgründen, die jetzt vorliegen, nennt das Gericht als Orientierungswert eine Lieferzeit von einer Stunde – ein Richtwert, den die Verwaltungsrichter aus den Empfehlungen der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung übernommen haben.

Im vorliegenden Fall hatte die Trägerin eines Krankenhauses in Münster geklagt, deren krankenhauseigene Apotheke in Ahlen auch ein Krankenhaus in Bremen versorgen sollte. Das Land versagte die Genehmigung eines zu diesem Zweck zwischen den beiden Klinikträgerinnen geschlossenen Versorgungsvertrags: Bei einer Entfernung von 216 Kilometern zwischen Apotheke und Krankenhaus sei ein unverzügliches Zurverfügungstellen von Arzneimitteln und pharmazeutischer Beratungsleistung nicht sichergestellt (§ 14 Abs. 5 ApoG). Diese Versagung erfolgte zurecht, befand in letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht.

Räumliche Nähe entscheidend

Der vorliegende Versorgungsvertrag werde der Voraussetzung der unverzüglichen Zurverfügungstellung besonders dringlich benötigter Arzneimittel nicht gerecht, so die Richter. Denn "Unverzüglichkeit" im Sinne der Vorschrift bedeute nicht, dass die Apotheke "ohne schuldhaftes Zögern" (§ 121 BGB) bereitstehe. Vielmehr müssten die benötigten Arzneimittel im Eilfall zeitnah und ohne vermeidbare Verzögerungen im Krankenhaus sein. Entscheidend sei daher die Lieferzeit. "Es liegt auf der Hand, dass die Länge des Transportweges einen unmittelbaren und bestimmenden Einfluss auf die Transportdauer hat, unabhängig davon, welches Verkehrsmittel benutzt wird."

BAK-Leitlinie als Orientierung

Eine Entfernung von 216 Kilometern, die auf einer stauanfälligen Verkehrsanbindung (A1) zurückzulegen ist, ist aus Sicht der Richter jedenfalls zu viel. Für die Bestimmung des maximal zulässigen Zeitraums griffen sie auf die Empfehlungen der Bundesapothekerkammer zurück. Danach soll die Apotheke in einer räumlichen Nähe zum Krankenhaus liegen, die es ermöglicht, die angeforderten Arzneimittel und Medizinprodukte innerhalb einer Stunde zur Verfügung zu stellen. Selbst wenn ein Versorgungsvertrag auch bei einer etwas längeren Lieferzeit als einer Stunde noch genügen könne, "ist der Rahmen des Zulässigen im Streitfall jedenfalls deutlich überschritten", so die Richter. Daran änderte nach Auffassung der Verwaltungsrichter auch die geplante Einrichtung eines umfassenden verbrauchsstellenunabhängigen Notdepots für selten gebrauchte lebenswichtige Arzneimittel auf der Intensivstation des Krankenhauses nichts. Denn dieses könne die fehlende räumliche Nähe zwischen Apotheke und Krankenhaus nicht kompensieren und es bleibe ein unvorhergesehener, im Rahmen der üblichen Bevorratung nicht kalkulierbarer Arzneimittelbedarf zurück. Außerdem erfüllte der vorliegende Vertrag eine weitere Voraussetzung nicht: Neben der Belieferung müsse auch der Apotheker nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 ApoG im Notfall unverzüglich und persönlich für eine Beratung vor Ort sein können, erklärten die Richter. Denn auch für diese gelte der Richtwert von etwa einer Stunde.



DAZ 2012, Nr. 46, S. 27

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