Feuilleton

Pflanzen im Lechquellengebirge

Botanische Alpenexkursion nach Vorarlberg

Die diesjährige Alpenexkursion der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg führte vom 8. bis 13. Juli ins Lechquellengebirge im Osten Vorarlbergs. Standort war Lech am Arlberg.

Bei der ersten Erkundung der Umgebung stand die Familie Apiaceae im Vordergrund, darunter die imposanten Vertreter Villars Kälberkropf (Chaerophyllum villarsii ; Abb. 1), Breitblättriges Laserkraut (Laserpitium latifolium), Meisterwurz (Peucedanum ostruthium) und Berg-Bärenklau (Heracleum sphondylium ssp. elegans). Einige Arten haben pharmakologisch aktive Inhaltsstoffe, z. B. wirken die in Heracleum enthaltenen Furocumarine photosensibilisierend.

Abb. 1: Villars Kälberkropf (Chaerophyllum villarsii); Fruchtstand mit Tautropfen. Fotos: Wolfgang Decrusch

Im weiteren Verlauf der Tour entdeckten wir auch seltenere Pflanzen wie das Rundblättrige Wintergrün (Pyrola rotundifolia), das Moosauge (Moneses uniflora) und den Frauenschuh (Cypripedium calceolus).

Abends gab es dann eine ausführliche Einführung in die botanischen und geologischen Besonderheiten des Gebiets, das zu den Nördlichen Kalkalpen gehört. Das den Teilnehmern zur Verfügung gestellte Skript enthielt eine sehr ausführliche Pflanzenliste mit Hinweisen auf die Standorte. So lernten wir, wie sehr der Untergrund die Flora beeinflusst. Die Rostblättrige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) ist z. B. kalkmeidend, während die Behaarte Alpenrose (R. hirsutum) in Kalkgebieten vorkommt.

Auch an den folgenden Abenden wurde das tagsüber Gesehene nachbearbeitet: Herr Decrusch rief uns die Pflanzen in wunderschönen Präsentationen wieder in Erinnerung und zeigte uns mithilfe von Nahaufnahmen ihre morphologischen Charakteristika.

Am zweiten Tag stand eine Wanderung vom Spullersee über die Ravensburger Hütte (Mittagspause) nach Zug am Lech auf dem Programm. Die Almwiesen standen in voller Blüte. Als botanische Raritäten fanden wir die Gemeine Mondraute (Botrychium lunaria) und die Kahle Wachsblume (Cerinthe glabra; Abb. 2). Zudem lernten wir zahlreiche Arten der Sauergräser kennen. Die Hirse-Segge (Carex panicea) mit einer männlichen und mehreren weiblichen Ähren am Halm ist auch für Laien leicht zu erkennen. Von der Ravensburger Hütte gingen wir, vorbei an großen Beständen von Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea) und Breitblättrigem Knabenkraut (Dactylorhiza majalis), zum Stierlochjoch, wo auf 2000 m Höhe die Zwergorchis (Chamorchis alpina; Abb. 3) wächst. Diese nur ca. 10 cm große, gelbgrün blühende Orchidee mit grasähnlichen Blättern ist nur schwer zu entdecken. Aber der Ehrgeiz der Teilnehmer war geweckt: Jeder ging in die Knie, und schon bald wurden einige fündig. Dann führte der Weg wieder hinab ins Lechtal, zunächst durch Latschenkieferngebüsch und später durch den Wald, begleitet vom Duft der Wohlriechenden Händelwurz (Gymnadenia odoratissima).

Abb. 2: Kahle Wachsblume (Cerinthe glabra).
Abb. 3: Zwergorchis (Chamorchis alpina).

Am dritten Tag erkundeten wir das Naturschutzgebiet Gipslöcher. Das in wasserfreien geologischen Schichten vorkommende Mineral Anhydrit (CaSO4) verwandelt sich bei Kontakt mit Wasser in Gips (CaSO4 · 2 H2O) und vergrößert dabei sein Volumen um bis zu 50%. Dadurch wölbt sich das Gelände auf. Andererseits wird der Gips jedoch auch im Wasser gelöst und unterirdisch abtransportiert. So entstehen die sogenannten Gipslöcher. Es war deutlich zu sehen, dass das Gelände ständig in Bewegung ist und welche großen Gesteinsmengen sich dabei verschieben. Die Gipslöcher weisen eine besondere Vegetation auf, weil sich ihr Mikroklima stark von der Umgebung unterscheidet. Weiter führte der Weg zur Kriegeralpe mit einer wunderbaren Aussicht auf Widderstein und Biberkopf. Auf der Hochfläche entdeckten wir große Mengen Isländisch Moos (Cetraria islandica , trotz des Namens eine Flechte!) sowie verschiedene Ericaceen und die mit ihnen nahe verwandte Krähenbeere (Abb. 4).

Abb. 4: Zwergsträucher oberhalb der Waldgrenze (von links): Heidelbeere (Vaccinium myrtillus), Heidekraut (Calluna vulgaris), Rauschbeere (Vaccinium uliginosum), Zwittrige Krähenbeere (Empetrum hermaphroditum) und Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea).

Am nächsten Tag fuhren wir mit der Gondel zum Rüfikopf hinauf. Da die Schneeschmelze erst wenige Tage vorüber war, waren noch die Frühblüher zu sehen: Alpenglöckchen (Soldanella alpina und S. pusilla) standen neben Aurikeln (Primula auricula) in voller Blüte. Später begegneten wir immer wieder der Straußglockenblume (Campanula thyrsoides) mit ihrem beeindruckenden Blütenstand sowie größeren Beständen von Gepunktetem Enzian und Purpurenzian (Gentiana punctata bzw.G. purpurea). Zudem war das Gebiet auch geologisch hochinteressant, denn in verschiedenen Gesteinsschichten fanden wir Versteinerungen von Muscheln (z. B. Megalodonten), Ammoniten, vereinzelt auch von Nautilus und Korallen. Kurz vor dem Monzabonsee blühte noch der Röhrige Gelbstern (Gagea fistulosa). Der Weg führte weiter durch herrlich blühende Alpenwiesen hinab nach Zürs.

Auf der letzten Tagestour ging es vom Formarinsee hinauf zum Steinernen Meer und weiter zur Freiburger Hütte. Erneut waren wir von der Schönheit der Landschaft und der Vielfalt an Versteinerungen überwältigt. An Blumen waren Allermannsharnisch (Allium victorialis) sowie Schwarzes und Rotes Kohlröschen (Nigritella nigra bzw. N. rubra) nicht zu übersehen. Arnika (Arnica montana) und Purpurenzian zeigten immer wieder kalkarme Böden an.

Alle Teilnehmer waren sich einig, dass die Alpenexkursion 2012 ein besonderes Highlight war und dass die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg botanische Exkursionen zu den Wurzeln der Ars pharmaceutica unbedingt auch in Zukunft anbieten sollte. Außer der Kammer danken wir den beiden Referenten, Herrn Wolfgang Decrusch und Herrn Dr. Hermann Muhle, für ihre kompetente und engagierte Arbeit.


Ulrike Schilling und Thomas Zimmerle



DAZ 2012, Nr. 45, S. 83

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