Arzneimittel und Therapie

ASS nach Darmkrebs

Lebensverlängerung nur bei Vorliegen einer Mutation?

Die regelmäßige Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) steigert möglicherweise nur bei einem bestimmten Typ des kolorektalen Karzinoms die Überlebenschancen. So traten unter ASS-Einnahme bei Patienten, die eine Mutation im Apoptose-Signalweg des Tumors aufwiesen, deutlich weniger Todesfälle auf als in der Vergleichsgruppe [1].

Eine Mutation des PiK3CA-Gens führt zu einer gesteigerten Aktivität von COX-2 und damit von Prostaglandin E2. Hohe Prostaglandin-E2-Konzentrationen werden wiederum dafür verantwortlich gemacht, dass die Apoptose in Darmkrebszellen gehemmt wird. Darmkrebspatienten mitdieser Mutation scheinen von ASS zu profitieren. Foto: Juan Gärtner – Fotolia.com

Ob die regelmäßige Einnahme des Cyclooxygenase-Hemmers ASS die Überlebenschancen nach Darmkrebs steigern kann, wird seit Längerem diskutiert. Über mehrere Jahrzehnte führten amerikanische Institute zwei große prospektive Kohortenstudien durch, bei denen sie die Karzinom-Patienten alle zwei Jahre nach ihrem Lebensstil und nach neu diagnostizierten Krebserkrankungen fragten. Die Probanden gaben dabei auch die ASS-Einnahme an. Bei einer Auswertung vor drei Jahren kamen die Autoren zu dem Schluss, dass die regelmäßige Einnahme von ASS nach der Krebs-Diagnose das Sterblichkeitsrisiko senkt. Dieser Effekt trat vor allem auf, wenn der Tumor das Gen für die COX-2 (COX-2 = Cyclooxygenase 2) überexprimierte [2].

Fahndung nach weiteren Biomarkern

Die Autoren suchten nun nach weiteren Markern für das Ansprechen auf ASS, die im Gegensatz zur überexprimierten COX-2 besser nachweisbar sein sollten. Fündig wurden sie beim PI3K-Signalweg (PI3K = Phosphatidylinositol-3-kinase). Bei etwa 15 bis 20% der Patienten mit kolorektalem Karzinom tritt eine Mutation des Gens PIK3CA auf, das für eine katalytische Untereinheit der PI3K kodiert. Die Mutation führt zu einer gesteigerten Aktivierung der PI3K, was wiederum zu einer Überexpression des COX-2-Gens und einer verstärkten COX-2-Aktivität führt. COX-2 verhindert über die Synthese von Prostaglandin E2 die Apoptose der Krebszellen. Die Forscher nahmen an, dass der positive Effekt des COX-Hemmers Acetylsalicylsäure mit der PIK3CA-Mutation zusammenhing, und griffen auf die Daten der US-Studien zurück. Sie identifizierten 964 Patienten mit diagnostiziertem kolorektalem Karzinom, von denen Angaben zum Molekularstatus des Tumors und zur ASS-Einnahme vorlagen. Die Patienten wurden in ASS-Anwender (regelmäßige Einnahme in den meisten Wochen, n = 561) und Nicht-Anwender (nicht regelmäßige Einnahme in den meisten Wochen, n = 403) eingeteilt. In beiden Gruppen hatten 17% der Patienten einen Tumor mit PIK3CA-Mutation.

ASS-Anwender mit Mutation profitieren

Das Überleben dieser Patienten wurde weiter beobachtet. Insgesamt starben 190 Patienten aufgrund der Erkrankung. Die Auswertung der Fünf-Jahres-Überlebensrate ergab, dass in der Untergruppe mit Mutation nur zwei von 62 ASS-Anwendern innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose durch den Krebs starben (3%), dagegen 23 von 90 Nicht-Anwendern (26%). Dieser Unterschied war signifikant (p < 0,001).

In den Untergruppen ohne Mutation hatte die regelmäßige Einnahme von ASS keine Auswirkung auf die Sterblichkeit. Sowohl von den ASS-Anwendern als auch von den Nicht-Anwendern starben 15% der Patienten innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose durch das Karzinom.

Gute Aussichten?

Die Schwächen dieser Studie liegen auf der Hand. Die sehr niedrige Zahl von Todesfällen in der Untergruppe mit Mutation und ASS-Einnahme ist hocherfreulich, limitiert aber ebenso wie die insgesamt geringe Fallzahl die statistische Auswertung und Aussage. Subgruppenanalysen zu weiteren Einflüssen (z. B. Lokalisation des Tumors, andere Biomarker) sind nicht möglich. Auch war diese Auswertung nicht die ursprüngliche Zielsetzung. Die Ergebnisse müssen daher mit unabhängigen Studien verifiziert werden, bevor sich Therapieempfehlungen ableiten lassen.

Immerhin weisen die Daten darauf hin, dass ASS als Begleitmedikation bei dem knappen Fünftel Patienten mit PIK3CA-Mutation das Überleben verlängern könnte. Über den PIK3CA-Status als genetischen Marker lässt sich dann womöglich abschätzen, bei welchen Patienten die Einnahme sinnvoll ist.


Quelle

[1] Liao X, et al: ASS Use, Tumor PIK3CA Mutation and Colorectal-Cancer Survival. N Engl J Med. 2012 Oct 25; 367 (17): 1596-606. doi: 10.1056/NEJMoa1207756.

[2] Chan AT, et al: ASS Use and Survival After Diagnosis of Colorectal Cancer. JAMA. 2009;302(6):649-658. doi:10.1001/jama.2009.1112


Apothekerin Dr. Corinna Schraut



DAZ 2012, Nr. 45, S. 37

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