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"Die beruflichen Freiheiten wiederherstellen"
? Herr Schmidt, welche Ziele haben Sie sich für die nächsten vier Jahre vorgenommen, falls Sie im Dezember zum ABDA-Präsidenten gewählt werden?
Schmidt: Die wichtigste Aufgabe des ABDA-Präsidenten ist es, dem Beruf im buchstäblichen Sinne "ein Gesicht zu geben". Das war für jeden Präsidenten so, und das würde auch für mich so sein. Inhaltlich geht es darum, den Beruf behutsam aber konsequent zu modernisieren und auf eine Zukunft vorzubereiten, in der der Bedarf nach patientenbezogenen pharmazeutischen Leistungen schon aufgrund der Demografie stark ansteigen wird.
? ABDA-Präsidenten vertreten die Interessen von selbstständigen und angestellten Apothekerinnen und Apothekern. Sehen Sie hier Unterschiede, oder geht es den Angestellten automatisch gut, wenn es den Inhabern gut geht?
Schmidt: Es gibt keine bessere pharmazeutische Versorgungsform als die direkt vom verantwortlichen Eigentümer geführte, wohnortnahe Apotheke. Apothekerinnen und Apotheker können in dieser Form ihre berufliche Unabhängigkeit am besten verwirklichen, egal ob sie selbst Eigentümer sind, oder als Angestellte arbeiten. Insofern ist es für den gesamten Berufsstand von entscheidender Bedeutung, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die freiberuflich betriebene Apotheke zu stabilisieren und mittelfristig zu verbessern. Dazu gehört neben dem permanenten Kampf um die Anpassung der existierenden Vergütungsmechanismen auch die Entwicklung und Implementierung neuer, auf der pharmazeutischen Kompetenz beruhender Honorierungselemente. Für die gesellschaftliche Wertschätzung des Apothekerberufes in allen seinen Tätigkeitsfeldern setzen die Apotheker in der öffentlichen Apotheke den Maßstab, deshalb ist die Beschreibung, dass es dem Berufsstand wirtschaftlich gut geht, wenn es der Apotheke wirtschaftlich gut geht, im Grunde durchaus korrekt.
? Wie soll der Apothekerberuf der Zukunft aussehen und welche Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker wünschen Sie sich dazu?
Schmidt: Der Apothekerberuf der Zukunft unterscheidet sich gar nicht so sehr von dem, was den Beruf gegenwärtig ausmacht. Apothekerinnen und Apotheker sind heute in den Augen der Menschen die Fachleute für das Arzneimittel. Erst ihr pharmazeutisches Wissen und die daraus resultierende Beratungskompetenz verwandeln die chemische Substanz des Medikamentes in eine für den Patienten nützliche Therapie. In der Zukunft wird es darauf ankommen, mehr als bisher neben die Funktionen hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit die der Arzneimitteltherapiesicherheit treten zu lassen. Apothekerinnen und Apotheker schützen die Patienten nicht nur vor Risiken, sie wirken in der Therapiebegleitung positiv und verstärken damit die Wirkung der vom Arzt eingeleiteten Therapie. In der Selbstmedikation tragen Apothekerinnen und Apotheker allein die Verantwortung für die Therapiesicherheit unter Berücksichtigung der Selbstbestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten. Diese Rolle gilt es nicht nur stärker auszufüllen, sondern auch wesentlich deutlicher zu kommunizieren. Es macht kommunikativ einen Unterschied, ob ich primär von Risiken oder von Chancen spreche, da haben wir sicherlich einen gewissen Nachsteuerungsbedarf.
? 1959 sagte der damalige BVA-Vorsitzende Helmut Petau aus Hamburg: "Ein jeder Beruf erhält den Nachwuchs, den er verdient und wie er ihn verdienen lässt." Sind aus Ihrer Sicht die heutigen Rahmenbedingungen in den öffentlichen Apotheken angemessen für das pharmazeutische und das nichtpharmazeutische Personal und motivierend für den nötigen Nachwuchs?
Schmidt: Die inhabergeführte öffentliche Apotheke bietet wohnortnahe Arbeitsplätze mit durchaus akzeptablen Arbeitsbedingungen. Ein Schwachpunkt ist die im Vergleich mit anderen Beschäftigungsfeldern unterdurchschnittliche Vergütung, die aber im direkten Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Apotheke steht. In der Auseinandersetzung mit Politik und Kassen über eine Verbesserung dieser Rahmenbedingungen ist die leistungsgerechte Vergütung der Apothekenmitarbeiter ein zentrales Argument.
? Noch eine Frage zum Thema Nachwuchs: Pharmaziestudierende orientieren sich immer mehr weg von der öffentlichen Apotheke und hin zu besser bezahlten Branchen. Und viele der in Apotheken Tätigen würden heute einen anderen Beruf ergreifen. Was wollen Sie tun, um diese Tendenz zu stoppen und umzukehren?
Schmidt: Das Nachwuchsthema ist von allergrößter Bedeutung. Die allermeisten Pharmaziestudierenden nehmen nach Abschluss ihrer Ausbildung eine Tätigkeit in der öffentlichen Apotheke auf. Wer Pharmazie studiert, um Patientinnen und Patienten im direkten Kontakt zu betreuen, ist dort gut aufgehoben. Es gab und gibt aber immer Studierende, deren Hauptinteresse eher in der Wissenschaft liegt. Für diese eröffnet sich dank der Vielseitigkeit unseres Berufsbildes eine große Zahl an Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Apotheke. Voraussetzung für eine Tätigkeit in der Apotheke ist das persönliche Interesse am Schicksal von kranken Mitmenschen. Wenn man dieses Interesse besitzt, ist die Tätigkeit in einer Apotheke selbst unter heutigen Bedingungen befriedigend, auch wenn Bürokratie und Gängelung durch die Krankenkassen inzwischen ein schwer erträgliches Maß angenommen haben. Die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die beruflichen Freiheiten der Apothekerinnen und Apotheker wiederherzustellen, ist eine Hauptaufgabe der nächsten Jahre.
? In den letzten Monaten hat sich die Stimmung in den Medien ein Stück zugunsten der inhabergeführten Apotheke gedreht. Worin sehen Sie die Ursachen und was wollen Sie künftig tun, um die öffentliche und mediale Meinung nachhaltig zu verbessern?
Schmidt: Jede einzelne Apothekerin und jeder einzelne Apotheker ist bei seinen Patienten beliebt und geschätzt, das zeigen alle Umfragen. Es geht nun darum, auch den Berufsstand als Ganzes mit einem sympathischen, bodenständigen und kompetenzvermittelnden Bild in der Öffentlichkeit auszustatten. Ich werde mich bemühen, meine Erfahrungen aus vielen Jahren Medienarbeit dafür nutzbringend einzusetzen.
? In der Presse geht es meist nur um die Apothekerinnen und Apotheker, aber ein Großteil der Beratung im HV wird von PTA geleistet. Welchen Stellenwert haben die nichtapprobierten Angestellten in der künftigen Öffentlichkeitsarbeit der ABDA – auch mit Blick auf die noch nicht ausgestorbenen Vorurteile von überbezahlten Schubladenziehern und Klientelpolitik für golfspielende Inhaber?
Schmidt: Qualifikation und Motivation der nichtapprobierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken sind von entscheidender Bedeutung für den Erfolg apothekerlicher Berufspolitik. Natürlich tragen die ABDA und ihre Mitgliedsorganisationen primär die Verantwortung für die Außendarstellung der Apothekerinnen und Apotheker. Einen Widerspruch zu den Interessen der nichtapprobierten Mitarbeiter sehe ich hier allerdings nicht. Mit dem zitierten Klischee vom "überbezahlten Schubladenzieher" kann ich naturgemäß nichts anfangen.
? Tarifverträge setzen verbindliche Rechtsnormen und sorgen so dafür, dass der Staat sich nicht oder nur marginal in die Lohnfindung einmischt. Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht den tariflosen Zustand in Sachsen mit verbreiteter untertariflicher Bezahlung (im Vergleich zum Bundestarif)? Sollten die MitarbeiterInnen in Sachsen nicht das Gleiche verdienen wie die KollegInnen im übrigen Bundesgebiet?
Schmidt: Die Entscheidung über den Austritt des Sächsischen Apothekerverbands aus der Tarifgemeinschaft habe ich 1996 mit verantwortet. Diesen Schritt halte ich unter Würdigung der konkreten Probleme der damaligen Zeit nach wie vor für richtig. Ob diese Entscheidung unter den heutigen Bedingungen zu korrigieren ist, wäre sicherlich bedenkenswert, obliegt aber allein der Bewertung der Mitgliederversammlung des SAV. Weder der sächsische Kammerpräsident noch der Kandidat für das Amt des Präsidenten der ABDA hat die Aufgabe, dem Vorstand des SAV in dieser Hinsicht Ratschläge zu erteilen. Die Mitarbeiter in unserer eigenen Apotheke werden angemessen bezahlt; als Mitglied des SAV habe ich zu dem Thema selbstverständlich eine Position, die ich gegebenenfalls in einer Mitgliederversammlung, aber auch nur dort, äußern werde.
! Herr Schmidt, herzlichen Dank für Ihre Antworten!
Die Fragen stellten Barbara Neusetzer und Sigrid Joachimsthaler.
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