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Arzneimittel und Therapie
Antiemetikum gegen Juckreiz
Arzneimittel, die den EGF-Rezeptor zum Ziel haben (Cetuximab, Erlotinib, Gefitinib, Panitumumab), Multikinaseinhibitoren (Sunitinib, Sorafenib) und EGFR/HER2-Tyrosinkinase-Inhibitoren (Lapatinib) werden seit einigen Jahren regelmäßig zur Behandlung verschiedener onkologischer Erkrankungen eingesetzt. Üblicherweise kommt es unter diesen Medikamenten zu dermatologischen Nebenwirkungen wie Haarausfall, Veränderung der Hautfarbe, Rash, Juckreiz, Mukositis und Hand-Fuß-Syndrom. Die Inzidenz von Juckreiz, der durch diese Arzneimittel hervorgerufen wird, beträgt z. B. 10 bis 16% bei Cetuximab, 57 bis 69% bei Panitumumab, 9 bis 13% bei Erlotinib, 8 bis 9% bei Gefitinib, 1% bei Sunitinib und 28 bis 45% bei Lapatinib. Zwar ist der Juckreiz nur selten der Grund für eine Dosisreduzierung, aber er beeinträchtigt deutlich die Lebensqualität der Patienten. Die Pathogene des Pruritus durch die EGFR-Blockade ist noch nicht vollständig geklärt. Bekannt ist aber, dass Substanz P ein wichtiger Neurotransmitter ist, der Juckreiz hervorruft. Über Neurokinin-Rezeptoren aktiviert Substanz P Mastzellen, und es hat sich gezeigt, dass Patienten mit chronischem Pruritus eine erhöhte Zahl von Neurokinin-1-Rezeptoren aufweisen. Das war die Rationale dafür, den Neurokininrezeptorenblocker Aprepitant beim Einsatz des Juckreizes durch EGFR-Blocker zu testen.
Aprepitant ist ein oraler Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonist, der die Degranulation von Mastzellen hemmt. Es wird eingesetzt zur Prävention von akuter Übelkeit und Erbrechen, die durch hochemetogene Zytostatika hervorgerufen werden.
Von September 2010 bis November 2011 wurden in der monozentrischen Studie in einem römischen Krankenhaus 45 Patienten mit soliden Tumoren, die mit EGFR-Antikörpern oder Tyrosinkinase-Inhibitoren behandelt wurden und bei denen bereits Juckreiz aufgetreten war, rekrutiert. Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt, diejenigen, die immer noch unter schwerem Juckreiz litten, obwohl sie bereits mit der Standardtherapie aus Steroiden und Antihistaminika behandelt worden waren ("refraktärer Arm"), und diejenigen, die gegen den schweren Juckreiz noch gar keine Therapie erhalten hatten ("naiver Arm"). Die Patienten der refraktären Gruppe erhielten Aprepitant (125 mg an Tag 1, 80 mg an Tag 3 und 80 mg an Tag 5) nach mindestens einer Woche der Standardtherapie, die aus Prednison (25 mg/Tag) oder Fexofenadin (180 mg/Tag) bestanden hatte. Patienten der naiven Gruppe bekamen Aprepitant in der gleichen Dosierung wie die erste Gruppe, aber bereits direkt nach dem ersten Auftreten von schwerem Juckreiz. Die Intensität des Juckreizes wurde mit der Visual Analogue Scala (VAS) bestimmt, wobei ein Wert von ≥ 7 als schwerer Juckreiz definiert wurde. Mithilfe von Tagebüchern wurde der Ausmaß des Juckreizes zu verschiedenen Zeitpunkten abgefragt, nämlich eine Woche vor der Aprepitant-Therapie, sieben Tage nach der ersten Dosis und dann wöchentlich bis zum Ende der EGFR-Blockade-Therapie oder bis zum Wiederauftreten von Juckreiz.
Signifikante Verbesserung des Juckreizes unter Aprepitant
Während der antineoplastischen Behandlung kam es bei 16 Patienten unter Erlotinib-, 23 unter Cetuximab-, einem unter Lapatinib-, dreien unter Sunitinib-, einem unter Imatinib- und einem unter Gefitinib-Therapie zu schwerem Juckreiz. Die Patienten waren im Median 12 Wochen mit der biologischen Therapie behandelt worden. In der refraktären Gruppe betrug der VAS-Score im Median zu Anfang 8,00. Zwar war er nach der ersten Woche mit der Standardtherapie auf 7,0 gesunken, fiel dann aber in der Folgewoche unter Aprepitant auf 1,0 (p < 0,0001), bei den Patienten mit Cetuximab-Therapie sogar auf 0,5 ab. Bei Patienten in der naiven Gruppe betrug der VAS-Score zu Anfang im Median auch 8,00, fiel aber nach einer Woche Aprepitant bereits auf 0,00 ab (p < 0,001), wobei es keine Unterschiede in Abhängigkeit von den unterschiedlichen EGFR-Blockern gab. 41 von 45 (91%) der Patienten sprachen auf die Therapie mit Aprepitant an (> 50% Reduzierung der Juckreiz-Intensität). Bei 39 Patienten (87%) kehrte der Juckreiz innerhalb der gesamten Studienperiode von 90 Tagen nicht zurück, obwohl dieselbe biologische Therapie fortgeführt wurde. Kein Patient, der Aprepitant erhalten hatte, brach die antineoplastische Therapie aufgrund von Juckreiz ab. Es kam zu keinen Toxizitäten, die sich auf Aprepitant hätten zurückführen lassen.
Aussagekraft und Grenzen dieser Pilot-Studie
Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen die Auffassung, dass Substanz P Mastzellen in der Haut über den Neurokinin-Rezeptor aktivieren, was zu einer Freisetzung von Juckreiz-fördernden Substanzen führt. Eine Blockierung des Neurokinin-Rezeptors durch Aprepitant führt damit zur Linderung des Haut-juckens. Auffällig war, dass nach nur drei Tagen dieser Aprepitant-Therapie es nur bei sechs Patienten zu erneutem Juckreiz gekommen war. Das deutet auf einen Langzeiteffekt von Aprepitant hin, was auch durch In-vitro-Daten unterstützt wird. Letztere konnten zeigen, dass Aprepitant nur langsam wieder vom Neurokinin-Rezeptor dissoziiert und möglicherweise sogar ein pseudo-irreversibler kompetitiver Antagonist ist. Trotz dieser guten Ergebnisse ist es sicher noch nicht angebracht, Aprepitant bei dieser Indikation breitflächig einzusetzen. Zunächst wurden in dieser Pilotstudie nur 45 Patienten, auch noch mit verschiedenen Biologicals und monozentrisch untersucht. In einer weiteren Studie sollte außerdem Arzneimittelwechselwirkungen eine ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, zumal Aprepitant über Cytochrom-Isoenzyme abgebaut wird und die Aktivität einiger dieser Enzyme verändern kann, so z. B. die des CYP3A4, das für die Metabolisierung einer ganzen Reihe von Arzneistoffen verantwortlich ist. So verdoppelt Aprepitant die Talkonzentrationen des Steady States von Erlotinib. Wegen dieser potenziellen Wechselwirkungen mit den eingesetzten Biologicals, die ebenfalls von Cytochrom-Isoenzymen abgebaut werden, sollten bei einer weiteren Studie die Plasmaspiegel der antineoplastischen Therapie kontrolliert werden. Nur Cetuximab und Panitumumab, die nicht durch CYP3A4 abgebaut werden, können wahrscheinlich zusammen mit Aprepitant eingesetzt werden, ohne dass es zu Wechselwirkungen kommt.
Quelle
Santini, D.; et al.: Aprepitant for management of severe pruritus related to biological cancer treatments: Lancet Oncol (2012) 13: 1020 – 1024.
Apothekerin Dr. Annette Junker
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