Arzneistoffporträt

Mit Ambroxol gegen Halsschmerzen

Therapie von akuten Halsschmerzen mit ambroxolhaltigen Lutschtabletten

Halsschmerzen sind ein häufiges Beratungsthema in der Apotheke. Meist treten sie im Rahmen einer Erkältung auf und bedürfen somit nicht zwingend einer Therapie. Allerdings können Halsschmerzen sehr belastend sein. Im Fokus der modernen Halsschmerztherapie sollte daher die Schmerzlinderung stehen. Aus diesem Grund stellen insbesondere Lokalanästhetika einen sinnvollen Therapieansatz dar.

Die wichtigsten Vertreter der Lokalanästhetika in der Halsschmerztherapie sind Lidocain, Benzocain und Ambroxol. Sie sind in diversen Lutsch-, Spül- oder Spraypräparaten enthalten. Die Datenlage der einzelnen Wirkstoffe ist allerdings sowohl bezüglich der Studien-Quantität als auch der -Qualität sehr unterschiedlich. Aktuell liefert vor allem Ambroxol überzeugende und gesicherte Daten (siehe Tabelle).


Tabelle 1: Beim Vergleich der Wirkstoffe haben face-to-face-Studien die höchste Aussagekraft. Da solche Studien für die Indikation Halsschmerz nicht vorliegen, wurden die einzelnen Studien mit der Ambroxol-Studie Fischer et al. [9] verglichen. Alle vergleichbaren Parameter wurden untersucht. Ambroxol scheint hier die besten Ergebnisse zu erzielen.

Vergleichssubstanz
Vergleichbare
Parameter
Überlegenheit von
Ambroxol [7, 9]
Lidocain 8 mg [15]
Durchschnittliche Schmerzlinderung nach 2 Stunden
Bis zu 71% effektiver
relevante Schmerzlinderung innerhalb von 2 Stunden
Bis zu 100,8% effektiver
Benzocain 8 mg [5]
Bewertung der Wirksamkeit durch den Patienten mit sehr gut oder gut
Bis zu 19,4% mehr Bewertungen mit sehr gut oder gut
Flurbiprofen
8,75 mg/12,5 mg [14]
Mittlere Schmerzintensität nach Behandlung
nach 30 Min
Bis zu 32% effektiver
nach 60 Min
Bis zu 41% effektiver
nach 120 Min
Bis zu 38% effektiver

Ambroxol überzeugt in klinischen Studien

Aktuell sprechen fünf GCP-konforme, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studien für den Therapieerfolg ambroxolhaltiger Lutschtabletten [7, 9, 12]. Insgesamt wurden 1713 Probanden beider Geschlechter im Alter von 18 bis 80 Jahren in die Prüfungen einbezogen. Die Patienten litten an einer akuten Pharyngitis im Anfangsstadium.

Die Patienten aller Verumgruppen bescheinigten ambroxolhaltigen Lutschtabletten durchweg eine ausgeprägte schmerzlindernde Wirkung, die dem Placebo signifikant überlegen war. Der Wirkeintritt konnte bereits ab dem ersten Messpunkt festgestellt werden und hielt bis zu drei Stunden an. In den Folgetagen bewertete die deutliche Mehrheit der Patienten mit bis zu 83 % die schmerzlindernde Wirkung ambroxolhaltiger Lutschtabletten mit "sehr gut" und "gut". Der erzielte VRS-Summenscore der Schmerzentwicklung entspricht nach gegenwärtigen klinischen Maßstäben einer "relevanten Verbesserung des Patientenempfindens". Als besonders positiv sind der schnelle Wirkeintritt und die langanhaltende Wirkung ambro-xolhaltiger Lutschtabletten zu bewerten: In einer apothekengestützten Anwendungsbeobachtung bemerkten etwa drei Viertel der Patienten eine Schmerzlinderung innerhalb von zehn Minuten [11].

Lokalanästhetische Wirkung ...

Die aktuelle Datenlage bescheinigt ambroxolhaltigen Lutschtabletten somit eine signifikante lokalanästhetische Wirkung, die dem Patienten eine sichere, schnelle und langanhaltende Linderung akuter Halsschmerzen ermöglicht. Klinische und präklinische Daten zeigen außerdem, dass Ambroxol den Schmerz nicht nur betäubt, sondern auch auf die Entzündung als Ursache des Schmerzes einwirkt.

... und Entzündungshemmung

Zusätzlich zur Schmerzentwicklung wurde in den vorliegenden klinischen Studien die Rötung im Hals als Entzündungsmerkmal untersucht. Alle Probanden wiesen zu Beginn der Behandlung eine deutliche Rötung im Rachenraum auf, die sich erwartungsgemäß zum Ende der Erkrankung hin besserte. Bemerkenswerterweise zeigte sich in allen Studien ausnahmslos, dass die Einnahme von ambroxolhaltigen Lutschtabletten zu einer deutlich schnelleren Verminderung der pharyngealen Entzündungsmerkmale führte als die Placebo-Behandlung. Am Ende der Studie wiesen die Verum-Patienten gegenüber den Placebo-Patienten eine signifikante Reduktion der Rötung im Hals auf.

Parallel dazu zeigen aktuelle Daten, dass Ambroxol in vitro nachweislich antiinflammatorische Effekte besitzt [2]. In verschiedenen Modellen für akute Entzündungen konnte gezeigt werden, dass Ambroxol die Freisetzung und Aktivität einer Vielzahl von Entzündungsmediatoren (Zytokine) reduziert und so eine Abschwächung der Entzündungsantwort bewirkt [3, 4, 6, 10].

Eine neue Untersuchung aus dem Jahr 2011 zeigte erstmals, dass in Ergänzung zur Hemmung des oxidativen Stresses und Hemmung der Produktion von proinflammatorischen Lipidmediatoren, die Erzeugung von antiinflammatorischen und entzündungauflösenden Lipidmediatoren durch Ambroxol erreicht wird [1]. Aus der Abbildung wird deutlich, dass Ambroxol sowohl die Freisetzung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) vermindert als auch den oxidativen Stress reduziert. Beim Abbau von Arachidonsäure konnte durch Ambroxol die Produktion von 5-Lipoxygenase gehemmt und die dadurch beeinflusste Bildung von LTB4, einem besonders potenten Entzündungsmediator, reduziert werden. Im Gegenzug wird durch Ambroxol die 15-Lipoxygenase vermittelte Produktion von 15 (S)-HETE aktiviert und damit vermehrt Lipoxin A4 (LXA4) gebildet, das den Rückgang der Entzündung und damit die Terminierung der Entzündungsprozesse beschleunigt und somit gegen die Ursache der Schmerzentstehung wirkt [8].


Wirkung von Ambroxol auf den Arachidonsäurezyklus AX = Ambroxol; PLA2 = Phospholipase A2 ; 5-LO = 5-Lipoxygenase; COX = Cyclooxygenase; 15-LO = 15-Lipoxygenase; LTB4 = Leukotrien B4 ; PGE2 = Prostaglandin E2 ; 15(S)- HETE = 15-Hydroxyeicosatetraensäure; LXA4 = Lipoxin A4 ; //AX: Hemmung der Aktivität; +AX = Stimulation der Aktivität; AX? = Wirkung nicht eindeutig gesichert [8].

Potenzial und Perspektiven

Obgleich sich ambroxolhaltige Lutschtabletten bereits bestens in Theorie, Studie und Praxis bewähren, geht die Forschung am Wirkstoff weiter, da das offensichtlich komplexe und vielschichtige therapeutische Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft zu sein scheint. Der vorwiegende Einsatz von Ambroxol bei viralen Erkrankungen der Atemwege legte nahe, einen möglichen Einfluss der Substanz auf die infektiösen Erreger selbst zu untersuchen. Tatsächlich zeigte sich im Tiermodell, dass Ambroxol sowohl präventiv als auch im Verlauf einer akuten Infektion in der Lage ist, das Eindringen der Viren in die Wirtszellen und die resultierende exponentielle Vermehrung zu unterbinden [2]. Zelleintritt und Replikation der Erreger werden durch wirtseigene Proteasen wie der Trypsin-like Protease oder der Tryptase Clara erleichtert. Beide Enzyme unterliegen ihrerseits einer Regulation durch diverse Protease-Inhibitoren. Die Stimulation dieser natürlichen Inhibitoren bietet somit ein potenzielles Target, um Körperzellen vor dem Eindringen der Viren zu schützen. Ambroxol bewirkte im Tiermodell eine signifikante Hochregulation der Replikationsinhibitoren [13]. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass eine Präventivbehandlung mit Ambroxol bei einer anschließenden Influenza A-Infektion zu einer konzentrationsabhängigen und signifikanten Suppression der Viren-Replikation und einer insgesamt verbesserten Überlebensrate führte [16].

Fazit

Halsschmerz-Patienten erwarten in der Apotheke eine Medikamentenempfehlung, die ihnen in der akuten Phase der Infektion schnell und komplikationslos Linderung verschafft. Die aktuelle Datenlage zeigt, dass ambroxolhaltige Lutschtabletten dieser Erwartung erfolgreich und sicher nachkommen.


Literatur  

[1] Beck-Speier I, Koelsch St, Stoeger T. Ambroxol stimulates synthesis of anti-inflammatory and preresolving lipid mediators in primary human bronchila epithelial cells. WIRM-V, 5th World Immune Regulation Meeting, Davos 24-27 March 2011(Poster)

[2] Beeh KM, Beier J, Esperester A, Paul LD (2008) Antiinflammatory properties of ambroxol. Eur J Med Res 13:557-562

[3] Betz R (1997) [Glucocorticosteroids and ambroxol inhibit secretion of inflammatory cytokines in tracheobronchial epithelial cells: Possible role of the NF-kappa B transcription factor]. Pneumologie 51:491-492

[4] Bianchi M, Mantovani A, Erroi A, Dinarello CA, Ghezzi P (1990) Ambroxol inhibits interleukin 1 and tumor necrosis factor production in human mononuclear cells. Agents Actions 31:275-279

[5] Busch R, Graubaum HJ, Gruenwald J, Schmidt M. Double-blind comparison of two types of benzocaine lozenges for the treatment of acute pharyngitis. Arzneimittelforschung 60 (5), 245 - 248 (2010)

[6] Crooks SW, Stockley RA (1998) Leukotriene B4. Int J Biochem Cell Biol 30:173-178

[7] de Mey C., Peil H, Kolsch S, Bubeck J, Vix JM (2008) Efficacy and safety of ambroxol lozenges in the treatment of acute uncomplicated sore throat. EBM-based clinical documentation. Arzneimittelforschung 58:557-568

[8] Fischer J Therapy of chronic bronchitis and chronic obstructive lung disease (COPD) with ambroxol. Atemwegs Lungenkr 38 (2), 71 - 81 (2012)

[9] Fischer J, Pschorn U, Vix JM, Peil H, Aicher B, Muller A, de MC (2002) Efficacy and tolerability of ambroxol hydrochloride lozenges in sore throat. Randomised, double-blind, placebo-controlled trials regarding the local anaesthetic properties. Arzneimittelforschung 52:256-263

[10] Gibbs BF, Schmutzler W, Vollrath IB, Brosthardt P, Braam U, Wolff HH, Zwadlo-Klarwasser G (1999) Ambroxol inhibits the release of histamine, leukotrienes and cytokines from human leukocytes and mast cells. Inflamm Res 48:86-93

[11] Gillissen A, Hinkel U (2005) [Treatment of sore throat pain with ambroxol-containing lozenges. Results of a pharmacy supported patient questionnaire]. Med Monatsschr Pharm 28:399-403

[12] Schutz A, Gund HJ, Pschorn U, Aicher B, Peil H, Muller A, de MC, Gillissen A (2002) Local anaesthetic properties of ambroxol hydrochloride lozenges in view of sore throat. Clinical proof of concept. Arzneimittelforschung 52:194-199

[13] Seifart C, Clostermann U, Seifart U, Muller B, Vogelmeier C, von WP, Fehrenbach H (2005) Cell-specific modulation of surfactant proteins by ambroxol treatment. Toxicol Appl Pharmacol 203:27-35

[14] Watson N, Nimmo WS, Christian J, Charlesworth A, Speight J, Miller K. Relief of sore throat with the anti-inflammatory throat lozenge flurbiprofen 8.75 mg: a randomised, double-blind, placebo-controlled study on efficacy and safety. Int J Clin Pract 54 (8), 490 - 496 (2000)

[15] Wonnemann M, Helm I, Stauss-Grabo M, Roettger-Luer P, Tran CT, Canenbley R, Donath F, Nowak H, Schug BS, Blume HH. Lidocaine 8 mg sore throat lozenges in the treatment of acute pharyngitis: a new therapeutic option investigated in comparison to placebo treatment. Arzneimittelforschung 57 (11), 689 - 697 (2007)

[16] Yang B, Yao DF, Ohuchi M, Ide M, Yano M, Okumura Y, Kido H (2002) Ambroxol suppresses influenza-virus proliferation in the mouse airway by increasing antiviral factor levels. Eur Respir J 19:952-958


Autoren

Prof. Dr. Jürgen Fischer,

Ltd. Arzt Pneumologie/Schlafmedizin

Krankenhaus Landshut-Achdorf, Achdorfer Weg 3, 84036 Landshut-Achdorf


Dr. Tobias Mück,

Ltr. Medical Affairs Germany CHC

Boehringer Ingelheim Pharma GmbH &Co. KG, Binger Straße 173, 55216 Ingelheim am Rhein



DAZ 2012, Nr. 44, S. 135

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