DAZ aktuell

Keine Zwangsvermarktung von Arzneimitteln

Stellungnahme zu MabCampath®-Rücknahme

BERLIN (jz). Die Rücknahme von Arzneimittelzulassungen aus strategischen Gründen wird kontrovers diskutiert – jetzt gibt es eine Klarstellung seitens der Bundesregierung: Pharmaunternehmen können nicht dazu gezwungen werden, ein Arzneimittel in Deutschland zuzulassen und zu vermarkten, erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion.

Im August hatte die Sanofi-Tochter Genzyme das Leukämiemittel MabCampath® vom Markt genommen. Nicht wegen Wirksamkeits- oder Sicherheitsbedenken, sondern aus rein strategischen Überlegungen: Für die Zulassung bei Multipler Sklerose sind deutlich größere Patientenzahlen zu erwarten als bei der bisherigen Zulassung. Nachdem unter anderem die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft die unternehmerische Entscheidung als verantwortungsloses "Indikations-Hopping" kritisierte, befragte die Linksfraktion die Bundesregierung zu ihrer Einstellung hinsichtlich einer solchen Firmenpolitik. In ihrer Antwort verweist Flach nun darauf, dass es keine rechtlichen Möglichkeiten gebe, einen pharmazeutischen Unternehmer dazu zu zwingen, ein Arzneimittel in Deutschland zu vermarkten.

Regierung hat keine Bedenken

Im konkreten Fall hat sie offenbar ohnehin keine Bedenken, dass Patienten unter der Marktrücknahme leiden könnten. Genzyme habe sich schließlich dazu bereit erklärt, die Versorgung der Leukämiepatienten, die zwingend mit MabCampath® zu behandeln sind, weiterhin zu gewährleisten und sich mit den nationalen Behörden abzustimmen, schreibt Flach. Die von Genzyme initiierte Patientenversorgung sei nach Kenntnis der Bundesregierung auch mit den nationalen Behörden abgestimmt. Das Arzneimittel werde kostenlos vom ehemaligen Zulassungsinhaber bereitgestellt. Zudem biete das Unternehmen über die Firma Clinigen einen Infoservice für Ärzte an, für deren Patienten die Behandlung mit dem Medikament zwingend erforderlich ist. Auch könne das Arzneimittel aus anderen Staaten, in denen es weiterhin rechtmäßig in den Verkehr gebracht werde (z. B. USA) als Einzelimport über Apotheken bezogen werden. Im Hinblick auf die Sicherstellung der Versorgung werde das Bundesgesundheitsministerium die Thematik jedoch weiter verfolgen.

Flach verweist auf AMG-Novelle

Den Abgeordneten der Linksfraktion ging es über den Spezialfall MabCampath® hinaus ganz generell um "Beeinträchtigungen der Arzneimitteltherapie durch wirtschaftliche Interessen der Pharmaindustrie". Sie erinnerten in ihrer Anfrage auch an den Fall Lucentis® /Avastin® und wollten wissen, welche Schlussfolgerungen die Regierung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg ziehe, das einer Apotheke das Auseinzeln von Lucentis® zur Kostenreduktion untersagte. Darauf antwortete Flach ausweichend: Derzeit sei in einem vergleichbaren Fall ein Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Hamburg beim Europäischen Gerichtshof anhängig. Darin gehe es um die Frage, ob die bloße Abfüllung von Teilmengen von Arzneimitteln in ein anderes Primärbehältnis unionsrechtlich zulassungspflichtig sei, wenn die Zusammensetzung des Arzneimittels sich nicht verändere. Aus Sicht der Bundesregierung sei dies nicht der Fall, schreibt Flach. Das Urteil des EuGH stehe allerdings noch aus.

Auf jeden Fall sieht sich das Ministerium nicht veranlasst, in dieser Hinsicht auf europäischer Ebene Maßnahmen anzustoßen. Mit der jüngst verabschiedeten AMG-Novelle habe man im Hinblick auf die Sicherstellung der Versorgung und zur Vermeidung eines Versorgungsmangels Sonderregelungen für die Herstellung von Zubereitungen aus Arzneimitteln, die monoklonale Antikörper enthalten (z. B. auch Avastin® und Lucentis®), vorgesehen. Diese ermöglichten Apotheken das patientenindividuelle Umfüllen, einschließlich Abfüllen, Abpacken oder Kennzeichnen solcher im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes zugelassener Arzneimittel erlaubnisfrei vorzunehmen. Gleichwohl habe der Gesetzgeber diese erlaubnisfreie Herstellung über die Rekonstitution hinaus auf das notwendige Maß begrenzt.



DAZ 2012, Nr. 44, S. 38

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