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- DAZ 44/2012
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Arzneimittel und Therapie
Neuer Wirkstoff bei COPD
Nach den aktuellen Therapieleitlinien bilden Bronchodilatatoren die Basis jeder COPD-Therapie. Durch ihren Einsatz soll in erster Linie der Atemfluss verbessert und die Überblähung reduziert werden. Dies führt bei den Patienten zur Reduktion von Dyspnoe (Atemnot), einer Verbesserung der Belastbarkeit und einer Steigerung der Lebensqualität. Wichtigstes Therapieziel ist die Verhinderung von Exazerbationen, das heißt akuten Verschlechterungen der COPD-Symptome, die im schwersten Fall eine Klinikeinweisung zur Folge haben können.
GlossarFEV1: forciertes exspiratorisches Volumen pro Sekunde, Einsekundenkapazität; Luftmenge, die der Patient nach maximaler Einatmung mit aller Kraft innerhalb einer Sekunde ausatmen kann Peak-FEV1: maximale Einsekundenkapazität Trough-FEV1: "Talwert"; FEV1-Wert, der unmittelbar vor Gabe der nächsten Dosis eines inhalativen Wirkstoffes gemessen wird |
Neuer Wirkstoff Aclidinium
Aclidinium (als Bromid eingesetzt) ist ein kompetitiver, selektiver Muskarin-Rezeptor-Antagonist, dessen Bindungsdauer an M3-Rezeptoren länger ist als an M2-Rezeptoren. Die M3-Rezeptoren regeln die Kontraktion der glatten Muskulatur der Luftwege. Die bronchodilatatorische Wirkung von Aclidinium beruht auf einer langanhaltenden Hemmung der Acetylcholin-vermittelten Bronchokonstriktion. Nach der Inhalation wird Aclidinium rasch resorbiert. Maximale Plasmakonzentrationen werden bei Gesunden innerhalb von fünf Minuten, bei COPD-Patienten in der Regel innerhalb von 15 Minuten erreicht. Inhaliertes Aclidinium wirkt lokal in den Lungen, weniger als 5% einer inhalierten Dosis gelangen als unveränderter Wirkstoff in den Blutkreislauf. Im Plasma wird Aclidinium rasch in zwei pharmakologisch inaktive Alkohol- und Karbonsäurederivate hydrolysiert. Dadurch ist das Risiko für systemische anticholinerge Nebenwirkungen gering. Die Biotransformation durch CYP450-Enzyme spielt in der gesamten Stoffwechsel-Clearance von Aclidiniumbromid keine große Rolle.
Fokus auf nächtliche und morgendliche Symptome
Die Zulassung von Aclidinium beruht auf einer sechsmonatigen randomisierten placebokontrollierten Phase-III-Studie mit 269 Patienten und einer dreimonatigen placebokontrollierten Untersuchung mit 190 Patienten. In beiden Studien wurde der Wirkstoff zweimal täglich in einer Dosis von je 322 µg verabreicht.
Die Wirksamkeit beurteilte man anhand von Lungenfunktionsmessungen sowie klinischen Symptomen wie Atemnot, dem krankheitsspezifischen Gesundheitszustand, dem Gebrauch von Notfallmedikamenten und dem Vorkommen von Exazerbationen. In der sechsmonatigen Untersuchung wurde bereits ab dem ersten Behandlungstag eine signifikante bronchodilatatorische Wirkung beobachtet, die über die gesamte Studiendauer aufrechterhalten werden konnte. Es zeigten sich statistisch signifikante Steigerungen sowohl des Trough-FEV1-Wertes als auch des Peak FEV1. Nach sechs Monaten lag die durchschnittliche Verbesserung des Trough-FEV1-Wertes verglichen mit Placebo bei 128 ml (95% CI 85 bis 170, p < 0,0001).
Prof. Dr. Helgo Magnussen, Großhansdorf, betonte auf einer Pressekonferenz auf der Jahrestagung der European Respiratory Society (ERS) in Wien, dass viele COPD-Patienten besonders morgens verstärkt unter Symptomen wie beispielsweise Luftnot und Husten mit Auswurf leiden. Auch nachts treten diese häufig auf und führen zu Aufweckreaktionen des Körpers, sogenannten Arousals, was ein chronisches Schlafdefizit zur Folge haben kann. Aclidinium war in den Untersuchungen in der Lage, neben den tagsüber auftretenden Beschwerden auch die nächtlichen und frühmorgendlichen Symptome zu lindern. Priv.-Doz. Dr. Kai-Michael Beeh, Wiesbaden, sieht die Ursache darin, dass die abendliche Inhalation von Aclidinium zu einem zweiten bronchodilatatorischen "Peak" führt, sodass auch in den Nachtstunden eine klinisch relevante Bronchodilatation resultiert.
Darüber hinaus benötigten Patienten unter Aclidinium im Vergleich zu denen der Placebogruppe weniger Notfallmedikamente (Reduktion von 0,95 Hüben pro Tag nach sechs Monaten, p = 0,005). Gepoolte Wirksamkeitsanalysen der beiden Studien zeigten eine statistisch signifikante Reduktion der Rate von moderaten bis schweren Exazerbationen, die eine Behandlung mit Antibiotika bzw. Corticosteroiden oder einen Krankenhausaufenthalt erforderten (Rate pro Patient pro Jahr 0,31 vs. Placebo 0,44, p = 0,0149).
Zu den häufigsten unter Aclidinium beobachteten Nebenwirkungen zählen Kopfschmerzen (6,6% der Patienten) und Nasopharyngitis (5,5%). Die anticholinergen Nebenwirkungen lagen auf Placeboniveau. Die Wahrscheinlichkeit für Symptome wie Mundtrockenheit oder Obstipation lag unter 1%.
Signifikante Verbesserung der Lebensqualität
Die Anwendung von Aclidinium verbesserte in den bisherigen Untersuchungen nicht nur die COPD-Symptome, sondern führte nachweislich zu einer Erhöhung der Lebensqualität (beurteilt mithilfe des St. George’s Respiratory Questionnaire, SGRQ). Bei zweimal täglicher Inhalation über 24 Wochen hatten signifikant mehr Patienten eine klinisch relevante Verbesserung des SGRQ-Scores (mittlere Veränderung gegenüber der Baseline -7,4 vs. -2,8 unter Placebo, p < 0,0001). "In den letzten fünf Jahren wurde keine Studie mit einer derart starken Verbesserung der Lebensqualität bei COPD-Patienten veröffentlicht", konstatierte Dr. Michael Beeh.
Steckbrief: AclidiniumbromidHandelsname: Eklira® Genuair® Hersteller: Almirall Hermal GmbH, Reinbek Einführungsdatum: 1. Oktober 2012 Zusammensetzung: wird ergänzt; Sonstiger Bestandteil: Lactose-Monohydrat. Packungsgrößen, Preise und PZN: 1 St. 61,78 Euro, PZN 2260389, 3 St. 158,19 Euro, PZN 2290568. Stoffklasse: Anticholinergika; ATC-Code: R03BB05. Indikation: Zur bronchodilatatorischen Dauertherapie bei Erwachsenen mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) Dosierung: Eine Inhalation von 400 μg Aclidiniumbromid zweimal täglich Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Aclidiniumbromid, Atropin oder eines seiner Derivate, einschließlich Ipratropium, Oxitropium oder Tiotropium, oder gegen einen der sonstigen Bestandteile Nebenwirkungen: Sinusitis, Nasopharyngitis; Kopfschmerzen; Husten; Durchfall Wechselwirkungen: Es wird nicht erwartet, dass Aclidiniumbromid oder seine Metaboliten bei Dosierung im therapeutischen Bereich Wechselwirkungen mit P-Glycoprotein (P-GP)-Substraten oder mit durch Cytochrom-P-450-Enzyme (CYP450-Enzyme) oder Esterasen metabolisierten Arzneimitteln hervorrufen. Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Wenn paradoxe Bronchospasmen auftreten, sollte die Behandlung sofort abgebrochen werden. Bei Patienten mit Myokardinfarkt, instabiler Angina pectoris, Arrhythmien und einer Herzinsuffizienz der Stadien NYHA III und IV muss Aclidiniumbromid mit äußerster Vorsicht angewendet werden. Mit Vorsicht sollte es im Hinblick auf seine anticholinerge Wirkung bei Patienten mit symptomatischer Prostatahyperplasie, Blasenhalsobstruktion oder mit einem Engwinkelglaukom angewendet werden. |
Quelle
Fachinformation Eklira® Genuair® 322 µg, Pulver zur Inhalation, Stand Juli 2012.
Jones PW et al.: Efficacy and safety of twice – daily aclidinium bromide in COPD patients: The ATTAIN study. Eur Resp J; doi: 10.1183/09031936.00225511.
Kerwin EM, et al.: Efficacy and safety of a 12-week treatment with twice daily aclidinium bromide in COPD patients (ACCORD COPD I). J COPD 2012; 9(2): 90 – 101
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
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