Heilmittelwerberecht

Werbung für Arzneimittel

Was ändert sich durch die 16. AMG-Novelle?

Kerstin Brixius | Mit Inkrafttreten der 16. AMG-Novelle Anfang Oktober werden auch zahlreiche Änderungen des Heilmittelwerberechts wirksam. So ergeben sich im für die Apotheken besonders relevanten Bereich der Publikumswerbung vielfältige Neuerungen. Die Möglichkeiten der produktbezogenen Werbung für Arzneimittel werden dabei erheblich erweitert.

Hintergrund der Gesetzesnovelle

Anlass für die Änderungen war die im Jahre 2007 ergangene sogenannte Gintec-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, durch die – entgegen der damaligen vorherrschenden Auffassung deutscher Politik und Rechtsprechung – klargestellt wurde, dass die nationalen Gesetze keine restriktiveren Anforderungen an die Heilmittelwerbung vorsehen dürfen als die entsprechenden europarechtlichen Vorgaben.

Wesentliche Teile der für die Arzneimittelwerbung gegenüber Laienpublikum zentralen Vorschrift in § 11 Heilmittelwerbegesetz (HWG) waren vor diesem Hintergrund als europarechtswidrig anzusehen. Dem daraus resultierenden Änderungsauftrag ist der Gesetzgeber nunmehr – wenn auch mit erheblicher Verzögerung – nachgekommen, indem er zahlreiche der Werbeverbote für die Publikumswerbung entweder ersatzlos strich oder jedenfalls erheblich relativierte.

Beschränkte Freigabe von Preisausschreiben

Künftig sind Preisausschreiben im Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes nicht mehr generell untersagt (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 13 HWG). Zu beachten ist allerdings, dass Verlosungen dann unzulässig bleiben, wenn hierdurch der unzweckmäßige Einsatz von Arzneimitteln gefördert werden könnte. Dies wäre der Fall, wenn z. B. die Gewinnchance in Abhängigkeit der gekauften Packungen steigen würde oder als Preis ein Arzneimittel ausgelobt würde. Im Übrigen gelten die Vorschriften für produktbezogene Zuwendungen, insbesondere die Geringwertigkeitsschwelle nach § 7 HWG, auch nach der Gesetzesnovelle und sind zu beachten. Da Gewinne mit einem Wert um zwei Euro sicherlich keine sinnvolle Grundlage für Preisausschreiben mit positivem Marketingwert sind, ist zu erwarten, dass die Diskussion um die Frage, ob für die Bestimmung der Geringwertigkeit auf den Wert des Gewinns oder den von der Teilnehmerzahl abhängigen Wert der einzelnen Gewinnchance abzustellen ist, nochmals neu aufflammen wird. Für ein Abstellen auf die Gewinnchance könnte dabei möglicherweise argumentativ ins Feld geführt werden, dass bei der Beurteilung von Bonuspunktsystemen nach der aktuellen Rechtsprechung ebenfalls nicht auf den Wert der durch Sammeln möglichen Prämie abgestellt wird, sondern auf den Wert der Bonuspunkte pro Kauf eines Arzneimittels.

Abbildungen in Berufskleidung und Empfehlungen durch Heilberufler

Zukünftig möglich ist auch die Abbildung von Fachkreisangehörigen in Berufsbekleidung. Der bisherige § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 HWG entfällt.

Das Verbot einer Werbung mit Empfehlungen durch Fachkreisangehörige (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG) bleibt indes bestehen. Die Abbildung eines Apothekers während der Beratung eines Patienten wird folglich grundsätzlich zulässig sein, nicht aber dann, wenn sie suggeriert, dass der Apotheker dem Patienten ein bestimmtes Produkt empfiehlt.

Gutachten, Empfehlungen, Krankengeschichten

Arzneimittelwerbung mit Gutachten, Zeugnissen und Empfehlungen wird künftig möglich sein; § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG entfällt. Gerade pharmazeutische Unternehmer dürften von diesen erweiterten Möglichkeiten sicherlich in erheblichem Umfang Gebrauch machen. Werbung mit Aussagen wie etwa "Studien belegen: …" werden damit grundsätzlich möglich sein, allerdings sind bei entsprechenden Marketingmaßnahmen die unverändert bleibenden Regelungen des Heilmittelwerberechts im Blick zu behalten. So muss sich auch künftig eine Arzneimittelwerbung auf den zugelassenen Anwendungsbereich beschränken, und gemäß § 11 Abs. 2 HWG bleiben Werbemaßnahmen gegenüber Laien unzulässig, die eine Überlegenheit oder Gleichwertigkeit des beworbenen Arzneimittels gegenüber anderen Arzneimitteln nahelegen.

Selbstredend sind auch die allgemeinen Vorgaben des § 6 HWG an die Verwendung von Gutachten und Zeugnissen sowie die dortigen Zitiervorschriften zu beachten.

Krankengeschichten und Empfehlungen Dritter (sog. Testimonials) können künftig grundsätzlich zu Werbezwecken in der Publikumswerbung verwendet werden (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 11 HWG). Ausnahmen gelten nur dann, wenn dies in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise geschieht. Krankengeschichten dürfen zudem nicht durch ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten. Das bisherige, sehr viel weiter gehende Verwendungsverbot jeglicher Therapieanleitung entfällt demgegenüber. Auch dies dürfte erhebliche Auswirkungen in der Praxis zeigen.

An die Regelungen zu Testimonials und Krankengeschichten angelehnt ist die Neufassung der Vorgaben zur bildlichen Darstellung der Wirkung oder des Wirkungsvorgangs eines Arzneimittels in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 HWG. Auch diese wird zulässig sein, sofern die eingesetzten Abbildungen nicht missbräuchlich, abstoßend oder irreführend sind.

Ersatzlos gestrichen


Folgende Texte in § 11 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz entfallen mit Inkrafttreten der 16. AMG-Novelle:

Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden

1. mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie mit Hinweisen darauf, […]

4. mit der bildlichen Darstellung von Personen in der Berufskleidung oder bei der Ausübung der Tätigkeit von Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes oder des Arzneimittelhandels, […]

6. mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen, soweit sie nicht in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind.

Angstwerbung

Das zuvor in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 HWG für die Heilmittelwerbung speziell geregelte Verbot eines Nutzens von Angstgefühlen der Verbraucher im Rahmen der Heilmittelwerbung wird ersetzt durch ein Verbot von Werbeaussagen, die nahelegen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte.

Die Änderung ist in zweierlei Hinsicht etwas missverständlich: Einerseits bleibt eine Angstwerbung auch zukünftig schon nach allgemeinem Wettbewerbsrecht (§ 4 Abs. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG), das stets neben dem Heilmittelwerberecht Anwendung findet, unzulässig. Andererseits ist der neue Wortlaut nur im Zusammenhang mit der zugrunde liegenden europarechtlichen Regelung in Art. 90 lit. c) und d) der Richtlinie 2001/83/EG (Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel) eindeutig. Verboten werden sollen nicht jegliche Aussagen, wonach die Einnahme eines Arzneimittels medizinisch wünschenswerte Auswirkungen haben kann (dies käme einem natürlich nicht gewollten vollständigen Verbot der Arzneimittelwerbung gleich). Es sollen nur Aussagen unzulässig sein, wonach ohne Vorliegen einer Erkrankung die schon bestehende gute Gesundheit durch die Einnahme eines Arzneimittels weiter verbessert werden könnte oder durch die Nichteinnahme gefährdet werden könnte.

Verwendbarkeit von Fachvokabular

Das Verbot der Werbung mit Begriffen, die keinen Eingang in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch gefunden haben (bisher: § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 HWG), wird erfreulicherweise aufgehoben. Nach der alten Gesetzesfassung war selbst die Verwendung korrekter und, wenn auch vielleicht nicht von jedermann, so doch von der angesprochenen Patientenklientel verstandener Fachbegriffe unzulässig. Dies führte zu der grotesken Konsequenz, dass präzisere Informationen mitunter rechtlich angreifbarer waren als weniger präzise Umschreibungen mit allgemeingebräuchlichen Begriffen. Zudem sorgte die in der Praxis nur schwer objektiv feststellbare Allgemeingebräuchlichkeit eines Begriffs für erhebliche rechtliche Unsicherheiten, die nahezu jeder Arzneimittelwerbung fast zwangsläufig anhafteten. Die Änderung ist daher ebenso begrüßenswert wie sachgerecht; vor miss- oder unverständlichen Formulierungen schützt in ausreichendem Maße das heilmittelwerberechtliche Irreführungsverbot.

Weitere gesetzliche Klarstellungen

Ebenso erfreulich sind auch einige vom Gesetzgeber vorgenommenen Klarstellungen im Gesetzeswortlaut. So regelt zukünftig § 1 Abs. 7 HWG, dass Verkaufskataloge und Preislisten für Arzneimittel nicht in den Anwendungsbereich der heilmittelwerberechtlichen Restriktionen fallen, sofern sie nur die zur Bestimmung des jeweiligen Arzneimittels erforderlichen Angaben enthalten. Bisher sah das Gesetz diese Rechtsfolge seinem Wortlaut nach nur für den elektronischen Handel vor.

Das bisherige Verbot der Laienwerbung für Arzneimittel zur Bekämpfung der Schlaflosigkeit oder psychischer Störungen wird auf Arzneimittel beschränkt, die psychotrope Wirkstoffe mit der Gefahr einer Abhängigkeit enthalten (§ 10 Abs. 2 HWG). Hierdurch soll offenbar die bereits bisher geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Hypnotika und Narkotika, nicht aber etwa nur einschlaffördernde Arzneimittel von dem Verbot erfasst sind, ins Gesetz überführt werden. Angesichts der bereits angesprochenen Rechtsprechung dürfte auch diese Änderung indes eher klarstellenden, nicht gesetzesändernden Charakter haben. Das Verbot der Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt selbstverständlich auch in Zukunft.

In Umsetzung einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2011 wird schließlich die Bereitstellung von vollständiger Packungsbeilage, Fachinformation sowie des öffentlichen Beurteilungsberichts im Internet oder auf Anforderung aus dem Anwendungsbereich der heilmittelwerberechtlichen Restriktionen ausgenommen (§ 1 Abs. 8 HWG). Dies stellt insbesondere aus Sicht der pharmazeutischen Unternehmer eine erhebliche Erleichterung dar. Diese sahen sich in der Vergangenheit häufig dem unberechtigten Vorwurf einer rechtswidrigen Laienwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ausgesetzt, wenn sich die genannten Materialien auf derartige Produkte bezogen.

Ausblick

Die Neuregelungen des Heilmittelwerberechts sind im Grundsatz aus Sicht der Marktteilnehmer durchweg erfreulich. Zahlreiche übermäßig restriktive Regelungen werden nunmehr auf ein europarechtlich zulässiges Maß beschränkt. Der vom Heilmittelwerberecht angestrebte angemessene Ausgleich zwischen dem legitimen Interesse der Marktteilnehmer an einer Vermarktung angebotener Arzneimittel und der besonderen Schutzbedürftigkeit der Verbraucher in diesem Bereich wird dabei deutlich zeitgemäßer umgesetzt. Zahlreiche der nun abgemilderten Restriktionen entsprachen im heutigen Informationszeitalter sicherlich nicht den Bedürfnissen des Verbrauchers an Schutz einerseits und Information andererseits.

Die Änderungen eröffnen in der Arzneimittelwerbung eine Vielzahl neuer Gestaltungsoptionen und sind vielfach auch für die produktbezogene Werbung des Apothekers von hoher Relevanz. Der Einsatz der neuen Handlungsmöglichkeiten sollte indes sorgsam erfolgen. Im Rahmen der Publikumswerbeverbote knüpft die Unzulässigkeit von Marketingmaßnahmen künftig häufig an unbestimmte Rechtsbegriffe wie "missbräuchlich", "irreführend" oder "abstoßend". Für die exakte Grenzziehung zwischen zulässigem und unzulässigem Marketing muss sich hier eine Kasuistik durch die Gerichte noch entwickeln.

Wie z. B. der Blick auf die Neuregelungen hinsichtlich der Preisausschreiben und deren Verhältnis zu den Zuwendungsregeln zeigt, werden durch die Änderungen und Streichungen entstehende Freiräume zudem häufig durch in der Vergangenheit überlagerte, nunmehr aber zur Anwendung kommende Normen des Heilmittelwerberechts wieder verschlossen. Der starre Blick auf die Änderungen am Wortlaut des Gesetzes birgt daher nicht selten die Gefahr, den Bereich der legitimen Heilmittelwerbung zu verlassen.

Die irrtumsträchtigen Bereiche werden dabei sicherlich gerade in den ersten Monaten nach Inkrafttreten der Änderungen im Fokus der Wettbewerbsvereine stehen und häufig Gegenstand wettbewerbsrechtlicher Auseinandersetzungen sein.


Autorin

Rechtsanwältin Dr. Kerstin Brixius, Kanzlei am Ärztehaus, Frehse Mack Vogelsang, Köln, www.kanzlei-am-aerztehaus.de



DAZ 2012, Nr. 40, S. 78

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