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Herausforderung Arzneimittelsicherheit
Seit 2010 existiert innerhalb der DGSMP die Arbeitsgruppe Sozialpharmazie im Fachbereich Öffentlicher Gesundheitsdienst/Public Health. Mit vier Referaten zeigte die Arbeitsgruppe beim diesjährigen DGSMP-Treffen, welche Herausforderungen die Arzneimittelsicherheit im derzeitigen ökonomischen Umfeld zu bewältigen hat.
Legal Highs
Dr. Andrea Wiegard vom Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen referierte über Legal Highs, mit denen – auf Kosten der Gesundheit – enorme Gewinne realisiert werden. Legal Highs enthalten häufig synthetische Cannabinoide, aber auch Stimulanzien wie Phenylethylamine. In den letzten Jahren ist Wiegard zufolge eine deutliche Zunahme neuer psychoaktiver Substanzen zu beobachten. Das Problem bei der Einordnung ist, dass alle diese Stoffe im Betäubungsmittelgesetz namentlich genannt werden müssen, weil bisher keine Einordnung von ganzen Stoffgruppen möglich ist. Alternativ können sie als (Funktions-)Arzneimittel klassifiziert werden, was aber immer eine Einzelfallentscheidung bleibt. Damit würden sie einer Zulassung bedürfen und wären anderenfalls nicht verkehrsfähig. Auf EU-Ebene soll künftig vermehrt gegen die Verbreitung dieser Art von Rauschmitteln vorgegangen werden.
Abgrenzung Arzneimittel – Nahrungsergänzungsmittel
Auch beim Thema Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Nicht-Arzneimitteln spielt die Ökonomie eine wichtige Rolle. Sobald Produzenten auf aufwendige Zulassungsverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verzichten können, um ein Produkt auf den Markt zu bringen, haben sie Vorteile gegenüber Arzneimittelherstellern. Mitra Mielke vom Gesundheitsamt der Stadt Köln gab einen Einblick in die Problematik der Abgrenzung. So seien die Grenzen zwischen Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln in den letzten Jahren immer unschärfer geworden. Eine weitere Problematik ist die mit der Verbreitung des Internets zunehmende Anzahl an Importen aus dem Bereich Arzneimittel. Hier verfasst allein die Stadt Köln derzeit um die 2000 Gutachten pro Jahr im Auftrag des Zolls. Dabei ist zu klären, ob die importierten Produkte im Bereich Arzneimittel einzuordnen sind. Oberstes Ziel ist es, den Verbraucher zu schützen, so Mielke.
Medikamentenhilfen
Wie sozial Benachteiligte Arzneimittel im Rahmen der Selbstmedikation erwerben können, ist ein Problem, das im öffentlichen Gesundheitsdienst in Nordrhein-Westfalen aufgegriffen wird. Inge Döring vom Gesundheitsamt des Kreises Heinsberg behandelte das Thema "Medikamententafel". Finanzielle Engpässe können bei sozial Benachteiligten dazu führen, dass sie eventuell notwendige Medikamente nicht kaufen können. Anhand von Fragebögen und Telefoninterviews hat Döring im Rahmen einer Pilotstudie einen ersten Eindruck über die Bedarfslage der betroffenen Personengruppe erhalten. So wird nach ihren Erkenntnissen auf Medikamente, die auf grünem Rezept notiert werden, teilweise verzichtet, allerdings weniger als in der Selbstmedikation ohne Grünes Rezept. Um die Situation Bedürftiger noch besser benennen zu können, findet derzeit eine weitere anonyme Befragung von Tafelnutzern statt. Nach Döring sollte nach Veröffentlichung der Ergebnisse diskutiert werden, in welchem Ausmaß die Betroffenen ein Anrecht auf welche Arzneimittel haben. Die Versorgung über Medikamententafeln, also quasi durch Almosen, sei sicherlich keine Lösung, um die bereits jetzt schon erkennbare Versorgungslücke zu schließen, so Döring.
Polypharmazie im Alter
Viel Geld muss für die Arzneimittelversorgung älterer und multimorbider Menschen ausgegeben werden. Aber ob die Versorgung auch immer angemessen, wirtschaftlich und zweckmäßig ist, das muss unter den Bedingungen des demografischen Wandels verstärkt diskutiert werden. Dr. Maria Albota vom Kompetenz-Centrum Geriatrie beim MDK Nord gab einen Überblick über "Polypharmazie im Alter". Bekanntermaßen nehmen besonders ältere Patienten viele Arzneimittel ein, womit das Risiko von Wechselwirkungen steigt. Mit der Beers-Liste wurde 1991 das erste Mal ein Schritt in Richtung mehr Arzneimitteltherapiesicherheit für diese Patientengruppe gegangen, 2010 folgte die deutsche Priscus-Liste. Es wird immer wichtiger werden, sich dieser Problematik anzunehmen, so Albota. Zwar wurden seitens Gesetzgebung, GKV sowie Wissenschaft und Forschung bereits Maßnahmen ergriffen, es bleibt aber noch einiges zu tun.
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