Retaxationen

Wahnsinn, der Methode hat

Zum Retaxierungsunwesen einiger Krankenkassen

Thomas Friedrich | Nicht erst seit der Äußerung des gesundheitspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, zur jüngsten Retaxierungswelle einiger Krankenkassen fühlt man sich an Shakespeares Wort vom Wahnsinn, der Methode hat, erinnert. Spahn sprach davon, dass das Retaxierungsunwesen der Kassen gegenüber den Apothekern "der reinste Irrsinn" sei, denn "ohne Not wird viel Vertrauen zerstört und Arbeitskraft an unnötiger Stelle gebunden" [1].

Seither häufen sich kritische Stimmen von vielen Seiten. So äußerte auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Ulrike Flach (FDP), dass eine Schwelle überschritten sei und sie selbst über das Vorgehen einiger Kassen irritiert und besorgt sei.

Spahn kündigte in diesem Zusammenhang eine Prüfung von möglichen Strafen für unberechtigte Retaxationen an. Es stellt sich die Frage, ob diese Wertungen und Vorschläge den aktuell betroffenen Apotheken weiterhelfen und ob auf diese Weise die grundsätzlichen Probleme, die mit der Ausweitung der Retaxationen verbunden sind (siehe Textkasten), gelöst werden können. Dies ist ein Anlass, nicht nur das Retaxationsgebaren einzelner Krankenkassen und ihrer Gehilfen, sondern das Retaxationsverfahren als Ganzes kritisch zu durchleuchten.


Ausweitung der Retaxationen


Die Geschäftsstelle des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein hat von 2009 bis 2011 pro Jahr 1384, 1085 bzw. 1604 Retaxationsfälle bearbeitet.

Hinzu kommen seit 2008 noch über 10.000 geprüfte Rezeptzeilen im Rahmen des mit den Ersatzkassen vereinbarten Musterprozesses zur Frage der Null-Retaxationen bei der Abgabe von Rabattarzneimitteln.

In den Zahlen für 2011 sind die aktuellen Retaxationen der Fa. Protaxplus noch nicht enthalten. In den wenigen Monaten seit Beginn der Retaxwelle betreffen diese zusätzlich über 1000 Verordnungen. Ihr Gesamtwert beträgt mehr als 130.000 Euro. Das sind im Durchschnitt ca. 130 Euro pro Beanstandung. Dem steht ein durchschnittlicher Ertragsanteil pro Rezept von unter 10 Euro gegenüber, aus dem die Apotheke ihre Personalkosten und Betriebsausgaben bestreiten muss sowie Unternehmerlohn und Gewinn generieren sollte. Bei den angedrohten Null-Retaxationen verliert die Apotheke nicht nur den ihr durch die AMPreisV zugedachten Ertrag, sondern muss auch noch den Verlust des vorfinanzierten Wareneinsatzes hinnehmen. Alles in allem eine völlig unverhältnismäßige "Bestrafung" für selbst kleinste vermeintliche oder tatsächliche Formfehler.

Paradigmenwechsel 2000: Sozialrecht statt Zivilrecht

Mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 wurden die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern in § 69 Abs. 1 SGB V grundsätzlich dem öffentlichen Recht zugeordnet und die Zuständigkeit der Sozialgerichte für Rechtsstreitigkeiten aus diesen Rechtsbeziehungen bestimmt. Die rechtsdogmatischen und praktischen Konsequenzen dieses Paradigmenwechsels sind für die Taxbeanstandungen der Krankenkassen hinsichtlich der Abrechnung von Apotheken (Retaxationen) bis heute so gut wie nicht vollzogen worden.

Retaxationsverfahren genügt nicht den üblichen Anforderungen des öffentlichen Rechts

Das noch aus zivilrechtlicher Zuordnung stammende Taxbeanstandungsverfahren ist in den Arzneilieferverträgen geregelt. Versuche, es an die neue Rechtslage anzupassen, sind bisher an der ablehnenden Haltung der Krankenkassen gescheitert. Derzeit stellt sich das Verfahren mit kleinen Variationen im Wesentlichen wie folgt dar:

Die Apotheken rechnen ihre Arznei- und Hilfsmittellieferungen an die GKV über ihre Abrechnungsstellen ab. Die Krankenkassen prüfen die Rezeptdaten je nach Vertrag innerhalb von 12 bis 18 Monaten. Vermeintliche oder tatsächliche Abrechnungsfehler werden – oft nur mit einer pauschalierten Begründung – schriftlich gegenüber der Apotheke geltend gemacht. Diese hat zwei bis drei Monate Zeit für einen begründeten Einspruch, ansonsten gilt die Beanstandung als anerkannt. Die Krankenkasse hat wiederum drei bis vier Monate Zeit, über einen Einspruch zu entscheiden. Ablehnende Entscheidungen werden in aller Regel vom gleichen Bearbeiter wie bei der ersten Beanstandung getroffen. Danach erfolgt die Absetzung der Beanstandungssumme von der nächsten Apothekenrechnung. Gegen diese Entscheidung kann der Apotheker vor dem Sozialgericht klagen.

Es fehlt an einer geregelten Zweistufigkeit der Entscheidung auf Seiten der Krankenkassen, wie es sonst im öffentlichen Verwaltungsverfahren üblich ist. Will der Bearbeiter dem Einspruch gegen die von ihm ausgesprochene Taxbeanstandung nicht abhelfen, müsste eine unabhängige, übergeordnete Instanz darüber entscheiden. Außerdem müsste generell eine fallbezogene Begründung sowohl bei der Erstbeanstandung als auch bei der (ablehnenden) Zweitentscheidung gegeben werden.

Rechtliche Bedenken bei privater Taxprüfung

Immer mehr Krankenkassen gehen dazu über, die Überprüfung der Apothekenabrechnung an Dritte auszulagern – so auch im aktuellen Fall, wo die im letzten Jahr gegründete Protaxplus GmbH & Co. KG in Essen verantwortlich ist. Diese privatwirtschaftlichen Unternehmen führen für ihre Auftraggeber das gesamte Retaxationsverfahren bis hin zur Ablehnung eines Einspruches mit der Rechtsfolge der Rechnungskürzung bei der Apotheke durch. Dabei fehlt es ihnen an der den Krankenkassen als Körperschaften öffentlichen Rechts grundsätzlich zu unterstellenden Unabhängigkeit durch Bindung an Recht und Gesetz. Zudem kennen diese Unternehmen nicht den Geist der Verträge, die partnerschaftlich geschlossen wurden und umgesetzt werden sollen. Im Gegenteil, solche privaten Prüfstellen haben ein gewinnorientiertes Interesse daran, möglichst viele, selbst kleinste Abrechnungsfehler zu finden und Einsprüche der Apotheken "beiseite- zuwischen", um möglichst hohe Absetzungssummen zu verbuchen. Somit unterliegt die Taxprüfung durch private Dritte falschen ökonomischen Anreizen. Es mangelt ihr im Übrigen an einer gesetzlichen Grundlage im SGB V für die Ausübung der den Krankenkassen übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben ("hoheitliche Gewalt") im Bereich der Daseinsvorsorge.

Schließlich muss in diesem Zusammenhang kritisch gefragt werden, welchen Einfluss die Auslagerung der Taxprüfung auf wichtige Kennzahlen im GKV-System hat. Dies betrifft insbesondere die Gesamtausgaben für Arzneimittel, die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnungen der Ärzte und die tatsächliche Höhe der Verwaltungsausgaben der Krankenkassen.

Null-Retaxationen konterkarieren Sachleistungsprinzip

Durch die oben beschriebenen Fehlanreize nimmt die Zahl kleinlicher Beanstandungen zu. Selbst kleinste vermeintliche oder tatsächliche Formfehler werden zum Anlass genommen, die im Kern ordnungsgemäß erbrachte Leistung der Apotheke nicht zu bezahlen (Null-Retaxation). Scheinbar legitimiert wird dieses Vorgehen durch eine Reihe von Entscheidungen des Bundessozialgerichts, die besagen, dass durch Fehler bei der Vertragsanbahnung zwischen der Krankenkasse und Leistungserbringern kein wirksamer Vertrag zustandekomme und deshalb die erbrachte Leistung nicht bezahlt werden müsse. Diese Entscheidungen sind teilweise fragwürdig (siehe Textkasten).


Fragwürdige Urteile des BSG


Ob die von den Krankenkassen gezogenen und in den Retaxationsverfahren zur Rechtfertigung vorgetragenen Schlussfolgerungen aus den bisherigen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) generell richtig und vor allem auf den jeweils konkreten Fall zutreffend sind, bedarf einer intensiven Erörterung, die an anderer Stelle geleistet werden soll. Dabei sind nicht nur die Entscheidungen einzubeziehen, die Null-Retaxationen (scheinbar) rechtfertigen, wie die Urteile vom 17. 3. 2005 – B 3 KR 2/05 R; vom 3. 8. 2006 – B 3 KR 7/05 R; vom 17. 12. 2009 – B 3 KR 13/08 R; und vom 27. 10. 2009 – B 1 KR 4/09 R. Vielmehr sind auch jene Entscheidungen zu analysieren, die Null-Retaxationen als unverhältnismäßig verwerfen, wie das Urteil vom 3. 8. 2006 – B 3 KR 7/06 R.

Die Nichtbezahlung der Leistung hat vor allem für Apotheken erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Eine solche "Bestrafung" – z. B. bei einem fehlenden, vom Arzt (!) zu setzenden Kreuz über die erfolgte Patientenaufklärung bei einer Thalidomid-Verordnung in Höhe von über 7000 Euro – ist ohne jedes Beispiel im "normalen" Ordnungswidrigkeitenrecht. Im Übrigen hat selbst das Bundessozialgericht bei anderer Gelegenheit, nämlich bei verspäteter Abrechnung einer Apotheke, betont, dass "geringfügige und nicht immer vermeidbare Fehler eines Apothekers, seiner Mitarbeiter oder des EDV-Systems" nicht zum "Totalverlust des Vergütungsanspruches" führen dürften [2]. Die nachträgliche Null-Retaxation konterkariert somit das notwendige Vertrauen in das Sachleistungsprinzip als Voraussetzung für die (kostenlose) Abgabe von Arzneimitteln auf Kassenrezept. 

Sanktionierung für Fehler von Dritten

Die Arzneimittelversorgung nach dem Sachleistungsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung beruht auf dem Zusammenspiel mehrerer Beteiligter und der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen. Als Kassenarzt zugelassene Ärzte sind befugt, im Rahmen ihrer Therapiehoheit und der gesetzlichen, fachlichen sowie wirtschaftlichen Verschreibungsregeln, insbesondere der Arzneimittelverschreibungsverordnung und der Arzneimittelrichtlinie, Arzneimittel zulasten der Krankenkasse zu verschreiben. Das daraus resultierende Kassenrezept bewirkt bei Vorlage durch den Versicherten in der Apotheke eine Verpflichtung zur Versorgung (Kontrahierungszwang). Das heißt, das Kassenrezept zwingt die Apotheke zur grundsätzlich kostenlosen Abgabe des verordneten oder auszuwählenden Arzneimittels bei Einziehung eventuell zu erhebender Zu- und Aufzahlungen. Es gilt als Versprechen, dass die Krankenkassen das verordnete und abgegebene Arzneimittel bezahlen wird.

Eine Vielzahl der aktuellen Retaxationen geht auf das fehlerhafte Ausfüllen der Rezepte durch Ärzte zurück. Es ist ein Formenmissbrauch, wenn diese Fehler den Apotheken mit einer Null-Retaxation zugerechnet werden. Und geradezu wie Hohn klingt es, wenn einzelne Kassen blauäugig fordern, die Apotheker müssten die Ärzte einfach nur besser erziehen. Auch das vorgeschobene Argument, den Kassen gehe es bei der Kontrolle auf Formfehler um die Verbesserung der Patientensicherheit, entbehrt einer signifikanten Grundlage. Denn bei der Vielzahl der nachträglich gerügten vermeintlichen oder tatsächlichen Fehler ist bisher kein einziger Fall bekannt geworden, bei dem es zu einer tatsächlichen Gefährdung der Versorgung und Patientensicherheit gekommen wäre. In den einschlägigen Verschreibungsvorschriften sind im Übrigen nicht die Krankenkassen als Kontrollinstanzen vorgesehen. Vielmehr ist dies Sache der Aufsichtsbehörden, insbesondere der Bundesopiumstelle bei BtM-Verordnungen.

Hintergrund ist vielmehr, dass es für die Kassen relativ einfach ist, behauptete oder tatsächliche Fehler auf Null zu retaxieren und anschließend die Apothekenrechnung entsprechend zu kürzen. Deutlich mühsamer wäre es hingegen, den verwaltungsförmigen Weg der Geltendmachung eines wirtschaftlichen Schadens gegenüber Ärzten zu gehen.


Der Wahnsinn, der Methode hat ...


… ist ein geflügeltes Wort in allerlei Variationen. Es stammt in seiner ursprünglichen Form aus William Shakespeares Drama "Hamlet" (2. Akt, 2. Szene). Dort kommentiert der Oberkämmerer Polonius den Geisteszustand und das Verhalten des scheinbar verwirrten Hamlet mit den Worten: "Though this be madness, yet there is method in’t." In der deutschen Übersetzung nach Schlegel: "Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode."

Keine "Waffengleichheit" bei Vertragsmaßnahmen

Wenn Spahn davon spricht, über Strafen für ungerechtfertigte Retaxationen nachdenken zu wollen, so lenkt er den Blick auch auf die bereits bestehenden Vertragsmaßnahmen im Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V und in den ergänzenden Arzneilieferverträgen nach § 129 Abs. 5 SGB V. Allerdings wird hier eine weitere Schieflage sichtbar: § 129 Abs. 4 SGB V spricht allein davon, dass die Vertragspartner Maßnahmen für den Fall regeln können, wenn Apotheken gegen ihre Verpflichtungen aus dem Gesetz und den Verträgen verstoßen. Was passieren soll, wenn (einzelne Mitarbeiter der) Krankenkassen gegen Buchstaben und Geist der Verträge verstoßen, wird bisher nicht erwogen [3]. Krankenkassenmitarbeiter sind aber nicht allein schon deshalb vor Fehlverhalten gefeit, weil sie bei einer Körperschaft öffentlichen Rechts angestellt sind. Für die sozialrechtlichen Verträge zwischen Krankenkassen und Apothekerverbänden gilt jedenfalls kein Über- und Unterordnungsverhältnis, wie es nach der überholten Subordinationstheorie vertreten wird. Vielmehr verlangt ein sozialrechtliches Vertragsverhältnis eine gleichmäßige Verteilung von Rechten und Pflichten sowie Reaktionsmöglichkeiten auf Vertragsverletzungen.

Probleme effektiven Rechtsschutzes

Die einzelnen Retaxationssummen sind für sich betrachtet oft gering. Damit bleiben viele Taxbeanstandungen unbearbeitet, weil sich bei der Abwägung von Bearbeitungsaufwand und Nutzen ein Einspruch betriebswirtschaftlich nicht lohnt. Hingegen scheint für manche Krankenkasse und ihre privaten Dienstleister eine massenhafte Aussendung nach dem Motto "Kleinvieh macht auch Mist" durchaus lukrativ zu sein, insbesondere wenn sich nicht alle betroffenen Apotheken zur Wehr setzen. Nicht zuletzt deswegen erheben die Apothekerverbände auch bei solchen geringwertigen Beanstandungen Einsprüche für jene Mitglieder, die sich mit diesen Fällen an sie wenden. Letztlich geht es über den konkreten Einzelfall hinaus darum, die Einhaltung der Verträge generell sicherzustellen. Gleichwohl sind solche Einsprüche auch bei Erfolg im Saldo defizitär.

Im Übrigen finden sich nur wenige Rechtsanwälte, die bei einem solchen Streitwert aktiv werden wollen und wegen der Spezifik der Thematik fachlich dazu in der Lage sind. Schließlich führt die allgemeine Überlastung der Sozialgerichte, die ja z. B. auch für die vielen Streitigkeiten um Sozialhilfe (Hartz IV) zuständig sind, zu einer sehr langen Verfahrensdauer, die, wenn sie durch alle drei Instanzen geht, schnell fünf Jahre oder mehr in Anspruch nimmt.


Literatur


Retaxationen sind ein "Dauerbrenner" in der Apothekenpraxis. Und: Retaxationen können teuer werden! Damit es nicht so weit kommt, hat ein erfahrenes Apothekerteam unter Zuhilfenahme von vielen Kollegenbeiträgen die häufigsten, teuersten und tückischsten Retaxationsbeispiele für Sie zusammengestellt:

  • Wie Sie Retaxfallen erkennen können und welche Spar-Tipps es für Ihre Apotheke gibt.
  • Wie der Krankenkassen-Dschungel und geltende Rabattverträge für Sie praktikabel umsetzbar werden.
  • Welche Formalitäten sowohl in der Arztpraxis als auch in der Apotheke beachtet werden müssen.

Das Plus: Kommentierte Verordnungsausschlüsse nach dem SGB V und den Arzneimittel-Richtlinien sind ebenfalls mit aufgenommen.


Drinhaus, Dieter/ Fischaleck, Johann

Retaxfallen

XII, 348 Seiten, 65 farb. Abb., 13 Tab., Loseblattwerk, 1 Ringordner. 59,– Euro

Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-7692-5000-8


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Zusammenfassung und Ausblick

Mit Recht werden die aktuellen Auswüchse des Retaxationsgebarens einiger Krankenkassen und ihrer Dienstleister kritisiert. Dem Versuch, sich durch Suchen selbst kleinlicher Fehler und anschließender Null-Retaxationen aus der Verantwortung des Sachleistungsprinzips zu stehlen und Gewinne zu generieren, muss Einhalt geboten werden. Solche Auswüchse können aber nur dann nachhaltig verhindert werden, wenn das Taxbeanstandungsverfahren generell so geordnet wird, dass es den Grundsätzen und Maßstäben des öffentlichen Rechts entspricht. Dazu gehört auch eine nachvollziehbare und willkürfreie Differenzierung von Retaxationsgründen und ihren Rechtsfolgen. Dies schließt die Verhältnismäßigkeit vertraglicher Sanktionen ein und zwar für alle Vertragsbeteiligten. Schließlich können Bagatelluntergrenzen für das Aufgreifen von vermeintlichen oder tatsächlichen Abgabefehlern zur Eindämmung des Retaxationsunwesens beitragen. Im Arzneiliefervertrag Schleswig-Holstein beträgt eine solche Bagatellgrenze 5 Euro pro Vorgang, doch längst nicht alle Lieferverträge enthalten eine solche Klausel.

Gefordert sind alle Beteiligten im System: Politiker und Gesetzgeber hinsichtlich der Nachbesserung im § 129 SGB V sowie Krankenkassen und Apothekerverbände in Bezug auf eine vertragliche Regelung des Taxbeanstandungsverfahrens und seiner Folgen nach den oben genannten Grundsätzen. Da, wo die Beteiligten versagen oder sich nicht einigen können, müssen schließlich die Gerichte helfen, den Rechtsfrieden wiederherzustellen oder zu finden.


Quellen und Anmerkung
[1] (lk). Spahn: Irrsinn muss aufhören. Dtsch Apoth Ztg 2012;152(1):20.
[2] BSG, Urteil vom 3. 8. 2006 – B 3 KR 7/06 R, Rn. 18.
[3] Nach Kenntnis des Autors ist es bisher nur im Arzneiliefervertrag mit den Primärkassen Schleswig-Holsteins gelungen, die an und für sich selbstverständliche vertragspartnerschaftliche "Waffengleichheit" hinsichtlich Verwarnung und Vertragsstrafe für beide Seiten zu vereinbaren.


Autor
Dr. Thomas Friedrich
Apothekerverband Schleswig-Holstein e.V.

Steekberg 11,
24107 Kiel

t.friedrich@apotheke-sh.de



DAZ 2012, Nr. 4, S. 72

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