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Vernetzung – wo bleiben die Apotheker?

Thomas Müller-Bohn

Vernetzung ist ein Megatrend im Gesundheitswesen. Das Schleswig-Holsteinische Gesundheitsministerium hat daraus vor zwei Jahren sogar einen Kongress "Vernetzte Gesundheit" gemacht, der nun zum dritten Mal in Kiel veranstaltet wurde und bundesweit Resonanz fand – inklusive eines Auftritts des Bundesgesundheitsministers. Vernetzung zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern soll die problematische Sektorengrenze überwinden. Kooperationspartner aller Art sollen bei der Behandlung immer komplexerer Krankheitsbilder helfen. Regionale Zusammenarbeit soll Lücken in der fachärztlichen Versorgung schließen und Ärzten neue Arbeitsperspektiven bieten. Delegation und Substitution ärztlicher Tätigkeiten sollen die Folgen des drohenden Ärztemangels mildern. Spätestens hier kommen auch die Apotheker ins Spiel. Mit vielen Leistungen der pharmazeutischen Betreuung können die Apotheker die Versorgungsqualität deutlich verbessern und zugleich Ärzte entlasten. Besonders wichtig und zugleich aktuell sind der Medikationsplan und die weiteren Elemente des ABDA/KBV-Konzepts. Die rechtliche Grundlage dafür wurde mit dem am Jahresanfang in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstrukturgesetz geschaffen. Lobreden auf die vielen erwarteten Wirkungen dieses Gesetzes gehörten zu den Kerninhalten des Vernetzungskongresses. Und doch waren das ABDA/KBV-Konzept, die Apotheker und ihre sonstigen Kooperationsangebote dort erstaunlicherweise kein Thema. Bei der diesbezüglichen Diskussion waren die Apotheker nicht vertreten und niemand in der Runde hatte einen Gedanken für sie übrig. Bei dem Kongress, der von Ärzten dominiert, aber auch von vielen anderen Akteuren des Gesundheitswesens besucht wurde, drängte sich der Gedanke auf, dass die Apotheker auf der großen gesundheitspolitischen Bühne noch immer viel zu wenig wahrgenommen werden.

Wenn die Diskussion allzu speziell auf die Ärzte zusteuerte, meldete sich früher oder später jemand mit dem Hinweis auf die Bedeutung der Pflege zu Wort. Apotheker als Akademiker können wahrscheinlich mehr eigenständige Leistungen erbringen als Pfleger und den Ärzten eher mehr Arbeit abnehmen. Im Kongressprogramm fehlten sie dennoch. Immerhin erwähnte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr in seiner Rede die Apotheker zweimal bei Auflistungen möglicher Kooperationspartner, ohne dabei auf Inhalte einzugehen. Als Polit-Profi wollte er offenbar keine potenzielle Wählergruppe unerwähnt lassen, schon gar nicht im beginnenden schleswig-holsteinischen Wahlkampf. Doch innerhalb des Gesundheitswesens ist wohl vielen noch immer nicht bewusst, was Apotheker leisten können.

Was sind die Konsequenzen? Wir müssen Gutes tun und darüber reden. Die Kunden und Patienten jeden Tag von der Leistung der Apotheken zu überzeugen, ist eine Voraussetzung, reicht aber nicht aus. Wir müssen auch bei den Partnern im Gesundheitswesen mehr präsent sein: bei Tagungen anderer Heilberufler, mit gemeinsamen Lehrveranstaltungen an Universitäten sowie durch persönliche Kontakte zu den Ärzten im Nachbarhaus, gemeinsame Fortbildungen und regionale Qualitätszirkel mit Medizinern. Den meisten Erfolg verspricht, sich als Problemlöser für gemeinsame Schwierigkeiten anzubieten. Die Angst der Ärzte vor Regressen könnte zu einem Gespräch über eine sinnvolle Arzneimittelauswahl führen. Das ABDA/KBV-Konzept ist dafür ein ideales Instrument, aber es muss offenbar noch viel bekannter werden. In das Bild einer solchen konstruktiven Zusammenarbeit passen die jüngsten Meldungen über ein mögliches ärztliches Dispensierrecht für starke Analgetika bei Schwerstkranken allerdings gar nicht. Das widerspräche der allseits geforderten Qualitätssicherung und würde die Ärzte mit einer zusätzlichen Aufgabe belasten, statt sie zu entlasten. Noch widersinniger erscheint dies angesichts des jüngstes Vorstoßes gegen das tierärztliche Dispensierrecht. Sollen Tiere in den Genuss einer zusätzlichen Qualitätssicherung kommen, während sie Schwerstkranken entzogen wird?

Doch zurück zum Vernetzungskongress, der noch eine weitere Erkenntnis vermittelte: Im Zusammenhang mit Anreizen für Ärzte betonte Minister Bahr das veränderte Berufsbild junger Ärzte. Geregelte Arbeitszeiten und möglicherweise sogar eine Arbeit ohne wirtschaftliches Risiko würden seines Erachtens immer wichtiger. Mit dem neuen GKV-Versorgungsstrukturgesetz werden die Rahmenbedingungen für die selbstständige ärztliche Berufsausübung verbessert. Doch in den Reden wurde die Selbstständigkeit immer mehr als nur noch eine von mehreren möglichen Organisationsformen dargestellt. Medizinische Versorgungszentren erscheinen als Alternative. Zugleich werden Kapitalgesellschaften nun als MVZ-Betreiber ausgeschlossen, aber dafür erntet die Regierung auch Kritik von verschiedenen Seiten. So ist die wirtschaftliche Selbstständigkeit der Ärzte zu einer Gratwanderung geworden. Das lässt erahnen, wie leicht eines Tages Apothekenketten wieder in die Diskussion kommen könnten. Um sich dafür zu rüsten, ist es um so wichtiger, sich zu vernetzen und starke Partner im Gesundheitswesen zu finden.

Einen Bericht über weitere Inhalte des Gesundheitskongresses in Kiel finden Sie hier.


Thomas Müller-Bohn



DAZ 2012, Nr. 4, S. 3

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