Aus Kammern und Verbänden

Vergiftungen durch Schwermetalle oder Radionuklide

Therapie durch gezielten Einsatz von Antidoten

Bei Vergiftungen mit Schwermetallen oder radioaktiven Isotopen kommen verschiedene Antidote zum Einsatz. Über dieses Thema referierte Dr. Johann Ruprecht von der Berliner Firma Heyl am 10. Januar in der Adlermühle in Berlin-Mariendorf.

Eine prophylaktische Maßnahme nach nuklearen Unfällen ist die Gabe von Iod, um die Aufnahme von radioaktivem Iod 131 in die Schilddrüse zu verhindern.

Zur Eliminierung von radioaktiven Isotopen oder Schwermetallen gibt es Antidote mit zwei Wirkprinzipien:

  • Adsorbenzien binden die Giftstoffe im Darm, verhindern ihre Resorption und werden mit ihnen fäkal ausgeschieden.

  • Chelatbildner werden resorbiert und bilden mit ebenfalls resorbierten Schwermetallen zyklische Komplexe, die meist renal ausgeschieden werden.

Cäsium 137 und Berliner Blau

Zu den Adsorbenzien gehört das Berliner Blau oder Preußischblau, das als Arzneimittel unter dem Namen Radiogardase® im Markt ist und bei einer Belastung mit Cäsium 137 angewendet wird. Dieses Radionuklid hat eine physikalische Halbwertszeit von 30 Jahren und eine relativ lange biologische Halbwertszeit von 110 Tagen, da es biliär ausgeschieden und dann größtenteils aus dem Darm rückresorbiert wird (enterohepatischer Kreislauf).

Berliner Blau [Eisen(III)-hexacyanoferrat(II)] wird von der intakten Darmwand nicht resorbiert. Es bindet das im Darm befindliche Cäsium und verhindert dessen Resorption. Das Cäsium wird daher mit dem Stuhl ausgeschieden, und die biologische Halbwertszeit kann auf 40 Tage gesenkt werden. Entsprechend sinkt auch die Strahlenbelastung des Organismus. Die Behandlung sollte sofort erfolgen. Deshalb gehört Eisenhexacyanoferrat in verschiedenen Ländern zum Notfalldepot, allerdings nicht in Deutschland. Als Nebenwirkung ist bisher nur Verstopfung aufgetreten.

Quecksilber, Blei und DMPS

Chronische Vergiftungen mit Schwermetallen werden oft nicht erkannt, da sie nicht in das allgemeine Diagnoseschema fallen. Bei Verdacht lohnt sich ein Anruf bei einer Giftnotrufzentrale. Über Vergiftungen bei Tieren findet man gute Informationen auf einer Website der Universität Zürich www.clinitox.ch.

Amalgamfüllungen setzen kontinuierlich Quecksilber frei, das teilweise resorbiert wird. Die Auswirkungen werden kontrovers diskutiert. Allgemein akzeptierte Grenzwerte für die Quecksilberbelastung im Körper gibt es nicht. Deshalb muss jeder selbst entscheiden, ob er eine Amalgamsanierung zusammen mit einer Ausleitungstherapie für sinnvoll hält.

Mögliche Ursachen für eine chronische Bleivergiftung sind z. B. keramisches Geschirr mit mangelhafter Bleiglasur, mit Blei kontaminierte Arzneimittel (z. B. aus Asien) oder unsachgemäßer Umgang mit bleihaltigen Farben; Vögel können sich vergiften, wenn sie an ihren bleihaltigen Käfiggittern knabbern.

(RS)-2,3-Bis(sulfanyl)propan-1-sulfonsäure (auch Dimercaptopropansulfonsäure, DMPS) bindet mit seinen beiden SH-Gruppen an Schwermetalle, sodass ein Chelat mit zyklischer Struktur entsteht. (Die alte Bezeichnung Mercaptan für Thiol leitet sich von lat. "mercurium captans" = Quecksilber-bindend ab.) DMPS ist der Wirkstoff von Dimaval® , das in Deutschland zugelassen ist zur Behandlung klinisch manifester, chronischer und akuter Vergiftungen mit Quecksilber sowie chronischer Vergiftungen mit Blei. Da in Deutschland zurzeit kein Chelatbildner zur Behandlung von Arsen- oder Bismutvergiftungen zugelassen ist, wird DMPS hier off label eingesetzt.

Für DMPS gibt es Anwendungsberichte aus allen Altersgruppen von Säuglingen bis Senioren. Die Art der Verabreichung (oral oder parenteral), die Dosierung und die Dauer der Behandlung richten sich nach der Art und Schwere der Vergiftung; zur Kontrolle dient die wiederholte Messung der Schwermetallkonzentration im Urin.

DMPS erreicht nicht alle Körperdepots. Die Komplexierung und Ausscheidung der im Extrazellularraum vorhandenen Schwermetalle bewirkt jedoch ein Konzentrationsgefälle zu den Kompartimenten des Organismus, in denen die Schwermetalle gespeichert sind, sodass sie daraus freigesetzt und ebenfalls ausgeschieden werden. Ein Ausnahme bilden die Knochen, deren Einlagerungen kaum bis gar nicht reversibel sind. Bei einer chronischen Vergiftung ohne schwere Symptomatik sollte man das Antidot niedrig dosieren, um eine zu starke Mobilisierung des Schwermetalls zu vermeiden.

In der Apotheke sollte man hellhörig werden, wenn ein Patient von Koliken über längere Zeit berichtet, denn sie könnten auf eine chronische Bleivergiftung zurückzuführen sein.


Annette Dunin v. Przychowski
przychowski@web.de



DAZ 2012, Nr. 4, S. 89

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