DAZ aktuell

Union nimmt sich der Apotheken an

Positionspapier zur AMG-Novelle vorgelegt

BERLIN (ks). Die Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundesfraktion will die anstehende Novelle des Arzneimittelrechts nutzen, um einige für Apotheken relevante Regelungen zu treffen. Stichworte sind das Pick-up-Verbot, der Apothekenabschlag, Zytostatika-Ausschreibungen und Nullretaxationen. Darüber hinaus soll angesichts bisheriger Erfahrungen mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) gesetzlich nachgebessert werden. Hier geht die Union auf einige Forderungen der Pharmaverbände ein.

Das "Positionspapier für weitere notwendige Regelungen im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (AMG-Novelle)" der Unionsfraktion gliedert sich in drei größere Baustellen: das AMNOG, die Apotheken und Biosimilars/Generika. Unter dem Punkt "Sonstige Themen" werden überdies beispielsweise Importarzneimittel, Arzneimittel zur Raucherentwöhnung und die Zweitverblisterung angesprochen.

Pick up: ABDA-Vorschlag wird geprüft

Was die Apotheken betrifft, erinnert sich die Arbeitsgruppe daran, dass ein Verbot von Pick-up-Stellen bereits im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. "An diesem Ziel halten wir fest", heißt es nun. Nachdem bisher alle Vorstöße gescheitert seien, da sie nicht verfassungskonform waren, liege nunmehr ein Vorschlag vonseiten der ABDA vor, der zurzeit auf seine Verfassungskonformität hin geprüft werde. Sollten die zuständigen Ressorts zu dem Ergebnis kommen, dass der Vorschlag nicht gegen die Verfassung verstößt und den Versandhandel grundsätzlich weiterhin ermöglicht, solle er "schnellstmöglich" im Rahmen der AMG-Novelle umgesetzt werden.

Apothekenabschlag: 1,75 Euro faire Verhandlungsbasis

Der Apothekenabschlag – bis Ende 2012 auf 2,05 Euro gesetzlich festgelegt – soll für 2013 wieder zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband (DAV) ausgehandelt werden. Die Arbeitsgruppe Gesundheit schlägt nun vor, "dass für das Jahr 2013 als Ausgangsbasis für die vorgesehenen Verhandlungen der für 2009 und 2010 von der Schiedsstelle festgesetzte Abschlag von 1,75 Euro gesetzlich festgelegt wird". Dies sei sachgerecht und bilde eine faire Ausgangsbasis für die folgenden Verhandlungen zwischen Kassen und Apothekern.

Zytostatika-Ausschreibungen überprüfen

Im Dezember 2011 ist die zweite Vertragsrunde der AOK Nordost für die ambulante Versorgung krebskranker Berliner AOK-Versicherter mit parenteralen Zubereitungen angelaufen. Die diesen – bislang noch nicht sehr verbreiteten – Verträgen zugrunde liegenden Ausschreibungen im Bereich der Zytostatika verfolgt die Union schon seit Längerem kritisch. Nun kündigt sie eine Überprüfung der Ausschreibungspflicht an. Die bisher gesammelten Erfahrungen ließen viele Fragen offen, heißt es im Positionspapier. Es bestehe vielmehr die Gefahr, dass sie zu einem Oligopol in der Versorgung der Krebspatienten führen. Zudem drohten Qualitätseinbußen und Probleme in der Flächendeckung, wenn die Krankenkassen mit einzelnen Apothekern Selektivverträge abschließen.

Anpassung der Betäubungsmittelgebühr

Ein weiterer Punkt im Kapitel "Apotheken" ist die Betäubungsmittelgebühr (derzeit 0,26 Euro, seit 1978 unverändert). Ihre Höhe will die Union ebenfalls überprüfen – es gebe "Anzeichen", dass sie "nicht mehr sachgerecht ist". Eine entsprechende Forderung hatte die ABDA bereits im vergangenen Oktober beim Deutschen Apothekertag an die Politik gerichtet. Ebenso wollen die Gesundheitspolitiker der Union prüfen, ob gesetzliche Anpassungen notwendig sind, um die derzeit von einigen Krankenkassen durchgeführten Nullretaxationen bei Betäubungsmitteln wegen leichter formaler Unzulänglichkeiten bei der Rezeptausstellung "in sachgerechtere Bahnen zu lenken". Allerdings müsse zunächst der Erfolg der bereits ergriffenen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen abgewartet werden.

Neue Preisabstände für Importarzneimittel

Auch die Substitutionspflicht bei Importarzneimitteln hat die Union im Blick. Bis zum 31. Dezember 2013 soll der Abstand, den der Preis des Importarzneimittels unter dem des rabattierten Originals liegen muss, von derzeit 15 auf 7,5 Prozent bzw. 15 Euro reduziert werden. "Das macht insbesondere den Einsatz niedrigpreisiger Importarzneimittel attraktiver", heißt es dazu im Positionspapier. Ab dem 1. Januar 2014 soll dann die gesetzliche Regelung dauerhaft bei 15 Prozent bzw. 30 Euro unter rabattiertem Arzneimittel festgeschrieben werden. Dies werde zwar kurzfristig bis Ende 2013 zu Mindereinsparungen von rund 90 Mio. Euro führen. Langfristig werde die Krankenversicherung jedoch profitieren, da ab dem Jahr 2014 jedes Jahr ca. 70 Mio. Euro zusätzlich eingespart würden. In einem Zehnjahreszeitraum könne gar fast eine halbe Milliarde Euro zusätzlich eingespart werden, heißt es im Unionspapier.

Was die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung betrifft, hat das lange Bohren des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller offenbar eine gewisse Wirkung gezeigt. Die Union hält es für sinnvoll, bei besonderen Krankheitsbildern wie COPD oder Asthma die Erstattungsfähigkeit nicht länger von vornherein gesetzlich auszuschließen.

Auch andere Interessenverbände haben augenscheinlich Gehör gefunden – etwa jene, die sich für die Zweitverblisterung von Arzneimitteln stark machen. Die Union weist darauf hin, dass es bereits heute die Möglichkeit gebe, für diese Dienstleistung vertraglich eine zusätzliche Vergütung zu vereinbaren. Bisher werde diese jedoch kaum genutzt. Nun soll aus Sicht der Christdemokraten die "verpflichtende Vereinbarung einer Rahmenempfehlung auf Bundesebene" dazu beitragen, den Abschluss von Verträgen zu befördern.

Zur Sprache kommen auch die Packungsgrößenverordnung und ihre geplante Umstellung auf eine Reichweitenorientierung. Hier sei im Auge zu behalten, ob die Arbeitsgruppe beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) bei der Überprüfung der Messzahlen zu den Packungsgrößen und dem Überführen aus der Rechtsvorschrift in eine Verwaltungsvorschrift zum 1. Juli 2013 im Sinne einer einfachen und praktikablen Lösung erfolgreich ist oder ob dieser Schritt nicht besser ganz ausgesetzt wird.

AMNOG: Pharma-Bedenken werden gehört

Im Nachgang zum AMNOG will die Union den Arzneimittelherstellern eine größere Planungssicherheit verschaffen. Dazu sollen Klarstellungen im Hinblick auf die frühe Nutzenbewertung und die Verhandlung von Erstattungsbeträgen erfolgen. So sollte etwa die hinzuzuziehende Vergleichstherapie bereits im Beratungsgespräch des Herstellers mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vor Studien der Phase III gemeinsam verbindlich vereinbart werden. Hier wäre dann zum Beispiel auch die Frage zu klären, welche Vergleichstherapie für ein Solitärmedikament zu wählen ist, so die Union. Bei den anschließenden Preisverhandlungen nach § 130a SGB V sei klarzustellen, dass die Referenzländer in ihrer Wirtschaftskraft mit Deutschland vergleichbar sein müssen – damit ist die Union ganz auf Linie der forschenden Pharmaindustrie. Das Preisniveau von Rumänien oder Bulgarien sei sicher nicht angemessen, heißt es im Positionspapier. Derzeit befasst sich auch eine von Pharmaverbänden und GKV-Spitzenverband angerufene Schiedsstelle mit der Frage, welche Länder zum Preisvergleich herangezogen werden dürfen.

Auch der Wunsch der Industrie, die ausgehandelten Rabatte für ihre neuen Präparate geheim zu halten, ist offenbar bei der Union angekommen. Eine Veröffentlichung sei für die Preisverhandlungen "grundsätzlich nicht notwendig", heißt es im Unionspapier. Darüber hinaus bestehe in vertraulichen Verhandlungen mehr Spielraum für Rabattgewährung. Für die Hersteller sei es mit Blick auf den europäischen Markt wichtig, dass der verhandelte Erstattungspreis nicht in der Lauer-Taxe geführt ist. Der Verband Forschender Pharma-Unternehmen hatte unlängst um seine deutschen Referenzpreise gebangt, wenn die ausgehandelten Rabatte publik würden.

Starthilfe für Biosimilars

Auch die Generikaindustrie geht bei der Union nicht leer aus. Hier greifen die Gesundheitspolitiker die Forderung nach einer zweijährigen rabattvertragsfreien Wettbewerbsphase auf – jedenfalls soweit es um biotechnologisch hergestellte Arzneimittel geht. Das Positionspapier betont die Wirtschaftlichkeitsreserven, die Biosimilars erschließen können. Allerdings sind Biosimilars ihrerseits eine aufwendige und kostspielige Angelegenheit für die Hersteller. Wenn dann nach Patentablauf Rabattverträge sofort einsetzen, könne sich kein Markt für die neuen Präparate entwickeln, konstatiert die Union. In der Folge lohne sich die Entwicklung für viele Firmen nicht. Wenn in den ersten zwei Jahren nach Patentablauf des Originals keine Ausschreibung für Rabattverträge erfolgen darf, hätten die Hersteller dagegen einen Anreiz, in die Entwicklung und Herstellung zu investieren. Der notwendige Absatzmarkt könne sich dann entwickeln, bevor Rabattverträge einsetzen und für zusätzliche Einsparungen sorgen können.

Bei den Rabattverträgen will die Union überdies prüfen, inwiefern Verträge mit dem Originalhersteller über den Patentschutz hinaus wettbewerbsnachteilige Auswirkungen haben und den Preis unnötig hochhalten. Gegebenenfalls sei auch hier eine gesetzliche Regelung notwendig. Ein Auge hat die Union auch auf weiterhin laufende Sortiments- oder Portfolioverträge. Obwohl sie eigentlich nicht mehr abgeschlossen werden dürfen, laufen noch einige derartige Verträge. Teilweise enthielten sie Erweiterungs- und Aufnahmeklauseln, nach denen neu eingeführte Arzneimittel automatisch in den bestehenden Vertrag mit einbezogen werden. Derartige Klauseln behinderten jedoch den Wettbewerb. Es sei daher zu prüfen, wie die Krankenkassen zu einer Kündigung gezwungen werden können.

Inwieweit die Vorstellungen der Gesundheitspolitiker der Union tatsächlich Eingang in die AMG-Novelle finden werden, bleibt abzuwarten. Mitte Februar soll sich das Bundeskabinett mit dem Gesetzentwurf befassen – dann bleibt im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch viel Gelegenheit für die Aufsattelung von Änderungsanträgen im Omnibusverfahren.



DAZ 2012, Nr. 4, S. 22

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