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Aus Kammern und Verbänden
Resolution gegen Retaxwelle
BtM-Rezepte zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Retaxation wegen "Patientensicherheit"?
Dr. Holger Goetzendorff, Amtsapotheker der Stadt Wuppertal, berichtete über die verfahrene Situation. So behauptete der Sprecher der Betriebskrankenkasse Novitas in der Fernsehsendung "defacto" des Hessischen Rundfunks, dass mit diesem "Appell" die Patientensicherheit verbessert werden soll, während Prof. Theodor Dingermann, Frankfurt, diese Retaxationen aufgrund kleiner Formfehler als "pharmazeutisch verheerende Aktion" bezeichnete.
In der BtMVV sind Vorschriften für den täglichen Umgang mit Betäubungsmitteln niedergelegt; insbesondere ist geregelt, welche Angaben das BtM-Rezept aufweisen muss. Nach Auffassung der Bezirksregierung Düsseldorf sind die Krankenkassen für die BtM-rechtliche Prüfung nicht zuständig, sondern die Bundesopiumstelle und regional in NRW die Amtsapotheker.
Resolution für RechtssicherheitDie Teilnehmer der Veranstaltung "Betäubungsmittelrezepte zwischen Anspruch und Wirklichkeit" am 17.1. 2012 in Wuppertal fordern ein Ende der ungerechtfertigten Retaxationen durch bestimmte Krankenkassen sowie die Wiederherstellung der Rechtssicherheit bei der Belieferung von Betäubungsmitteln für Patienten, Ärzte und Apotheker. Verbraucherschutz ist unteilbar, bitte helfen Sie uns. |
Beanstandungen der Kassen
Bestimmte Betriebskrankenkassen haben Abweichungen wie "laut" statt "gemäß" oder "Anordnung" statt "Anweisung", Abkürzungen wie "gem." oder "Anweis." und die Umrechnung von Tagen in Stunden als gravierende Formfehler ausgelegt (weitere Beispiele in der Tabelle). Ob dies rechtens ist, müssen die Gerichte entscheiden; bisher wurde dies niemals von den Aufsichtsbehörden thematisiert.
Der Verordnungsgeber und seine Vollzugsorgane können Abweichungen im semantischen Bereich für zulässig erklären (z. B. durch ein "Synonymverzeichnis" der Bundesopiumstelle). Auch über Änderungen des Verordnungstextes könnte nachgedacht werden.
Fehler bei Stempel, Arztunterschrift und Datum
Bei Unstimmigkeiten sind Änderungen auf dem BtM-Rezept möglich. In der Arztpraxis liegen noch alle drei Teile vor, und der Arzt kann durch einfaches Abzeichnen Mängel beheben. Ein Stempel zur Bekräftigung ohne Paraphe kann allerdings zu Retaxationen führen. Ist das Rezept erst einmal in der Apotheke, muss bei Korrekturen sichergestellt werden, dass der in der Arztpraxis verbleibende Teil auch korrigiert wird. Obwohl der Apotheker nach Rücksprache mit dem Arzt Änderungen vornehmen kann, empfiehlt sich nach den jüngsten Vorfällen eine Änderung durch den Arzt mit dessen Unterschrift und Datum.
Die "Fehlerquelle Stempel" ist weit gefasst; so können die fehlende Facharztbezeichnung oder Telefonnummer, der nicht unterstrichene Arzt einer Gemeinschaftspraxis oder schlichtweg der "falsche" Arzt zu Retaxationen führen. Vorsicht, wenn der blau unterstrichene Arzt mit schwarzer Tinte unterschreibt!
Falsche Einnahmeanweisungen
Entweder enthält das Rezept den Zusatz "gemäß schriftlicher Anweisung" und diesen ohne jede Veränderung (s. Tabelle) oder eine Gebrauchsanweisung für den Patienten.
Der Referent musste einräumen, dass "1-1-1" nicht gleichbedeutend mit "dreimal täglich eine Tablette" ist.
Es sei nur am Rande vermerkt, dass Betäubungsmittelhersteller in ihren Dosierungsempfehlungen "alle 36 Stunden" der Bezeichnung "alle anderthalb Tage" vorziehen. Normale Rezepte mit zahlenmäßiger Gebrauchsanweisung wurden bisher nicht beanstandet.
Gründe für die Retaxation von BtM-Rezepten (Beispiele) | |
Falsch |
Richtig |
alle 72 Stunden |
alle drei Tage |
laut |
gemäß |
3 x tgl. |
3 x 1 Tablette täglich |
Alle 72 Stunden wechseln |
alle drei Tage wechseln |
gem. schriftlicher Anordnung
gemäß ärztlicher Anweisung
Einnahme laut Verordnung
lt. schriftlicher Anweisung
gemäß schriftlicher Einnahmeverordnung
gem. schriftl. Anw.
|
gemäß schriftlicher Anweisung |
1 x 1/d |
1 Tablette täglich |
1-1-1 |
3 x täglich eine Tablette |
1-0-1/tägl. |
morgens und abends je eine Tablette |
Verhältnismäßigkeit
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei vielen Retaxationen nicht mehr gewährleistet, "wenn es sich um geradezu lächerliche Fehler handelt", so Prof. Dingermann.
Nach Aussage der beteiligten Krankenkassen sollen sich bereits 60.000 Rezepte in Prüfung befinden; damit könnte sich der Schaden für die Apotheken auf mehrere Millionen Euro belaufen. Diese Beträge werden, wenn die Gerichte entschieden haben, nur zurückgezahlt, wenn zuvor Einspruch erhoben worden ist. Auch dass für die Rücksendung der Verordnung, soweit überhaupt zugesagt, 50 Euro verlangt werden, kollidiert mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Völlig unverhältnismäßig ist auch der den Patienten aufgebürdete Zusatzaufwand durch die nicht zeitgerechte Belieferung der vorgelegten Verschreibungen.
Holger Goetzendorff, Pulheim
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