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Selbstmedikation
Neue Option bei Rhinosinusitis
Zu den mit Abstand häufigsten Schnupfen-Erregern zählen Rhinoviren, von denen mehr als 100 Serotypen bekannt sind. Mithilfe eines interzellulären Adhäsionsmoleküls, dem ICAM-1-Rezeptor, gelangen sie rasch an die Oberfläche der Schleimhautzellen. "Diese Prozesse laufen so schnell ab, dass praktisch in allen Fällen nicht nur die Schleimhäute der Nase, sondern auch die der Nebenhöhlen betroffen sind", erläuterte Prof. Dr. Claus Bachert, Gent, auf einem von der Firma Bionorica veranstalteten Pressegespräch in Berlin. Der Begriff Rhinitis, der für eine Entzündung der Nasenschleimhaut steht, wird daher heute meist durch die treffendere Bezeichnung Rhinosinusitis ersetzt. Nach einer Definition des EPOS (European Position Paper on Rhinosinusitis) ist unter einer akuten Rhinosinusitis eine Verschlimmerung der Symptome nach fünf Tagen oder persistierende Symptome nach zehn Tagen mit einer Gesamtdauer von nicht mehr als zwölf Wochen zu verstehen. Zu den Hauptsymptomen der Erkrankung zählen neben einem erhöhten Sekretfluss und dem Gefühl der verstopften Nase auch die Einschränkung bzw. der Verlust des Geruchssinns, ein beeinträchtigender Gesichtsschmerz bzw. Druck im Nasenbereich.
Antibiotika-Einsatz kritisch betrachtet
In über 90% Prozent der Fälle ist eine Rhinosinusitis viral bedingt. Nur ca. 0,2 bis 2% der viral bedingten Infekte der oberen Atemwege werden durch eine zusätzliche bakterielle Rhinosinusitis verkompliziert. "Akute bakterielle Rhinosinusitiden sind meistens eine Sekundärinfektion und eine Folge der aufgrund des viralen Atemwegsinfekts verstopften Nasennebenhöhlen", so Bachert. Doch ca. 40% der akuten bakteriellen Infektionen heilen spontan ab. Auch aus dem Auftreten eines gelb-grünlichen Sekrets könne nicht zwangsläufig auf eine bakterielle Beteiligung geschlossen werden – es trete auch bei 100%ig viral bedingter Rhinosinusitis infolge der Aktivität der Immunzellen auf. "Wir raten dringend davon ab, Rhinosinusitis-Patienten mit Antibiotika zu behandeln", betonte Bachert. "Denn schwere Komplikationen einer akuten Rhinosinusitis treten meistens während der frühen Phase der Erkrankung auf und können von Antibiotika nicht verhindert werden. In solchen Fällen muss eine Objektivierung durch Sonografie stattfinden". Obwohl es bekannt und in vielen Studien gut dokumentiert sei, dass erhöhte Antibiotika-Verordnungen zum vermehrten Auftreten von Resistenzen führen, hat sich diese Erkenntnis in der Praxis offenbar noch nicht ausreichend durchgesetzt. So wurden beispielsweise laut einer Untersuchung in deutschen Allgemeinarztpraxen 64% der Patienten mit Sinusitis ein Antibiotikum verschrieben – trotz des bekanntlich hohen Anteils viraler Ursachen bei dieser Erkrankung.
Studien zu pharmakologischen Eigenschaften von BNO 1016
Insbesondere die Rhinosinusitis-Symptome verstopfte Nase und Druckkopfschmerz können die Lebensqualität der Betroffenen deutlich beeinträchtigen. Für diese Patienten steht ab Oktober in Deutschland ein neues Phytopharmakon zur Verfügung. Es handelt sich dabei um eine Weiterentwicklung des Trockenextrakts aus Enzianwurzel, Schlüsselblumenblüten mit Kelch, Sauerampferkraut, Holunderblüten und Eisenkraut, der unter dem Handelsnamen Sinupret® bereits in verschiedenen Zubereitungen z. B. als Tropfen, Saft, Liquitabs auf dem Markt ist. Mithilfe eines neuen patentierten Trockenextrakt-Verfahrens ist es nun gelungen, eine im Vergleich zu Sinupret® forte vierfache Menge an Ausgangsstoffen so aufzukonzentrieren, dass in den Sinupret® extract-Tabletten eine 3,3-fach höhere Konzentration an Flavonoiden vorhanden ist. Wie Prof. Dr. Michael Popp, Inhaber der Firma Bionorica, berichtete, wurde für die Zulassung des Präparats als Arzneimittel das komplette Studienprogramm einschließlich toxikologischer Untersuchungen durchgeführt. Dabei sei eine Fülle von neuen Erkenntnissen zu den positiven pharmakologischen Eigenschaften des Trockenextrakts gewonnen worden.
Sekretolytische und sekretomotorische Eigenschaften
Virale Infektionen führen unter anderem zu einer Störung des Chloridionen-Transports, was eine verstärkte Bildung und Anreicherung von Schleim in den Nasennebenhöhlen zur Folge hat. In einer In-vitro-Studie mit Messung des transepithelialen Chloridionen-Transports in kultivierten humanen respiratorischen Epithelzellen zeigte sich eine dosisabhängige Stimulation dieses Transports durch steigende Trockenextrakt-Konzentrationen. Als Angriffspunkt der Flavonoide wurde der in der Zellmembran als Chloridkanal fungierende CFTR-Kanal (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) identifiziert.
Außerdem erhöhte der Trockenextrakt die Zilienschlagfrequenz der Epithelzellen. Bereits zehn Minuten nach Applikation des Trockenextraktes BNO 1016 kam es im Vergleich mit der Vehikelkontrolle zu einer signifikanten Zunahme (p < 0,05). Die Wirkung war dosisabhängig und hielt bis zu einer Stunde an.
Antiinflammatorische Effekte
In einem In-vivo-Rattenmodell mit akuter, Carageen-induzierter Pleuritis zeigten sich mit dem neuen Trockenextrakt dosisabhängig eine signifikante Reduktion des Exsudatvolumens gegenüber den Vehikelkontrollen, eine signifikante Reduktion der Infiltration polymorphonukleärer Neutrophilen und eine signifikante Reduktion der PGE2 -Sekretion in das Exsudat. Außerdem konnte eine Hemmung der pulmonalen COX-2-Expression nachgewiesen werden.
Antivirale Effekte
In Virusplaque-Reduktionsstudien mit verschiedenen kultivierten humanen Zelllinien (HeLa Zellen, Hep-2-Zellen, MDCK-Zellen) bewirkte der neue Trockenextrakt eine Replikationshemmung typischer Erkältungsviren, darunter humane Rhinoviren, Respiratory Syncytial-, Adeno-, Influenza-Viren, die jeweils zwischen 38% und 89% lag. Im Vergleich zu Sinupret® Tropfen wirkte Sinupret® extract stärker antiviral.
Studie zur klinischen Wirksamkeit und Verträglichkeit
Die klinische Wirksamkeit und Verträglichkeit des neuen Trockenextrakts wurde in einer zulassungsrelevanten multizentrischen, doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Parallelgruppenstudie (ARhiSi-II) untersucht. Diese schloss 386 Patienten ein, die 15 ± 1 Tage lang dreimal täglich zwei Dragees mit BNO 1016 (Tagesdosis 480 mg) bzw. Placebo einnahmen. Primärer Endpunkt war die Restsymptomatik nach dem Major Symptom Score (MSS), der die Symptome anteriore und posteriore Rhinorrhö, nasale Verstopfung, Kopf- und Gesichtsschmerz beinhaltet und zu Studienbeginn im Bereich ≥ 8 und ≤ 12 lag. Am Ende des Behandlungszeitraums betrug der Major Symptom Score in der Placebo-Gruppe 3,41, in der Verumgruppe 2,38 (p = 0,0015). Bestätigt werden konnte dieser signifikante Unterschied durch eine sonografische Untersuchung bei 371 Patienten (Rhinosinusitis bei 35,3% der Patienten unter Placebo, bei 25,3% unter Verum, p = 0,0262). Bei 300 Patienten zeigte sich, dass der MSS-Wert, den die Patienten der Placebogruppe am Behandlungsende erreicht hatten, in der Verumgruppe bereits 3,8 Tage früher messbar war.
Quelle
Fischer, T, et al.: Influence of patient symptoms and physical findings on general practitioners‘ treatment of respiratoy tract infections: a direct observation study. BMC Fam Pract (2005) 6: 1 – 7.
Kreindler, JL, et al. (2012). Der neuartige Trockenextrakt BNO 1016 stimuliert den Chloridionentransport und die Zilienschlagfrequenz in Kulturen humaner respiratorischer Epithelzellen. The American Journal of Rhinology and Allergy, accepted for publication.
Rossi, A, et al.: The novel Sinupret® dry extract exhibits anti-inflammatory effectiveness in vivo. Fitoterapia (2012) 83(4): 715 – 720.
Glatthaar-Saalmüller, B, et al.: Antiviral activity in vitro of two preparations of the herbal medicinal product Sinupret® against viruses causing respiratory infections. Phytomedicine (2011) 19: 1 – 7.
Jund, R, et al., on behalf of the ARhiSi II study group: Clinical efficacy of a dry extract of five herbal drugs in acute viral rhinosinusitis. Rhinology (2012) accepted for publication.
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
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