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Arme Kinder, arme Rentner

Die Schere öffnet sich

Kaum ein Thema, bei dem sich die schwarz-gelbe Regierungskoalition nicht zofft. Nun gab es schon vor der Veröffentlichung des Armuts- und Reichtumsberichts von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Kritik von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Dabei geht es um die zunehmend ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen, die von großen Teilen der Bevölkerung als ungerecht empfunden wird, sowie um Vorschläge aus dem Arbeitsministerium zur Lösung des Problems.
Schwein gehabt? Vermögen undEinkommen sind in Deutschland zunehmend ungleich verteilt. Foto: Fotolia/iofoto

Sollen private Vermögen stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden? Das schlägt der Bericht aus dem Arbeitsministerium vor – ein Tabu für die FDP (aber auch Teile der CDU), die lieber positive Entwicklungen aufgezeigt haben möchte, als den Finger in die Wunde wachsender Vermögenskonzentration bei den Superreichen zu legen.


Definition von "arm"


Arm ist nach wissenschaftlicher Definition, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Im vergangenen Jahr waren das für Alleinstehende 848 Euro im Monat.

Das 80: 20-Prinzip auf die Spitze getrieben

Dabei sprechen die Zahlen für sich: So verfügen die reichsten zehn Prozent der Haushalte über 53 Prozent des gesamten Privatvermögens. Die "ärmeren" 50 Prozent der Deutschen können zusammen dagegen nur mickrige 1,2 Prozent auf die hohe Kante legen.

Bei den Bruttoeinkommen hat laut Experten vor allem das oberste Prozent deutlich mehr im Portemonnaie als in der Vergangenheit. Beim ärmsten Zehntel der Bevölkerung hat sich das Einkommen dagegen um neun Prozent verringert.

Aber Steuererhöhungen für Vermögende sind mit der FDP nicht zu machen. Lieber verstärkt man das desolate Bild der Koalition – und malt die bundesdeutsche Wirklichkeit mit rosa Farben: Seit 2005 hätten mehr als zwei Millionen Menschen eine Beschäftigung gefunden und die Langzeitarbeitslosigkeit sei um 40 Prozent gesunken, freut sich der Wirtschaftsminister.

Altersarmut nicht erst 2030

Rösler zum Trotz sind wachsende Teile der Bevölkerung von Armut bedroht: Jedes siebente Kind unter 15 Jahren ist auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Damit werden über 1,6 Millionen Kinder in finanziell defizitären Verhältnissen groß.

Insgesamt lag 2011 die Armutsquote in der Bevölkerung bei 15,1 Prozent. Rentner sind zwar noch leicht unterdurchschnittlich betroffen (13,8%), doch stieg die Armutsquote seit 2005 um sechs Prozentpunkte an, so der Sozialversicherungsexperte im WSI, Eric Seils. Es sind also nicht nur die jüngeren Beschäftigten, denen später Altersarmut droht – auch von den heutigen Ruheständlern muss etwa jeder siebente mit einem mageren Altersgeld von 848 Euro und weniger auskommen.


Quelle: www.boecklerimpuls.de u. a.


Dr. Sigrid Joachimsthaler


Barbara Neusetzer

Kommentar

Familienfreundliche Tarifverträge


Anlässlich des Weltkindertags hat sich Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) für ein familienfreundlicheres Arbeitsrecht ausgesprochen. Das ist aus gewerkschaftlicher Sicht zu begrüßen.

Außerdem sollten die Tarifpartner "endlich mehr Zeit für Familie zum festen Bestandteil jedes Tarifvertrags machen", so Schröder zum Wiesbadener Kurier.

In den öffentlichen Apotheken gelten die Arbeitsplätze landläufig bereits als besonders familienfreundlich, denn die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit ist gut und wird auch häufig genutzt. Doch ist das noch kein Grund, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Denn die Kehrseite der Medaille sind niedrige Einkommen in Teilzeitjobs, die keine Basis für eine auskömmliche gesetzliche Rente bieten und für die private Vorsorge ebenfalls nicht ausreichen. Dass ADEXA und ADA hier eine tarifliche Lösung für eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersvorsorge geschaffen haben, ist ein guter Anfang. Doch wird das Thema Betriebsrente sicherlich in Zukunft noch einen höheren Stellenwert bekommen (müssen). In diesem Zusammenhang sind die Vorschläge der SPD für ein sogenanntes Opt-out-Modell bei der Entgeltumwandlung zu nennen. Das heißt, Arbeitnehmer müssten grundsätzlich einen Teil ihres Bruttogehalts steuer- und sozialabgabenfrei in betriebliche Altersvorsorge umwandeln, wenn sie dem nicht bewusst widersprechen. Das wäre allerdings für Menschen mit geringem Einkommen nur durch staatliche Zuschüsse realisierbar.

Aber ehe es um Korrekturmaßnahmen für die Altersvorsorge geht, sollte zunächst die Höhe der Gehälter im Fokus stehen. Sie müssen attraktiv für Frauen und Männer sein – und für Familien mit Kindern auch dann reichen, wenn es keinen Hauptverdiener aus lukrativeren (Männer-)Branchen gibt. Hier sind neben den Arbeitgeberverbänden natürlich auch die Politiker gefragt (Stichwort Vergütung für Nacht- und Notdienst, Rezeptur und BtM) sowie die Krankenkassen, die demnächst mit dem Deutschen Apothekerverband über den Zwangsrabatt für 2013 zu verhandeln haben.

Barbara Neusetzer
ADEXA, Erste Vorsitzende



DAZ 2012, Nr. 39, S. 103

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