Arzneimittel und Therapie

Verkehrsrisiko Psychotropika

Mehr Unfälle unter Schlafmitteln und Antidepressiva

Zahlreiche Arzneimittel können die Verkehrstüchtigkeit herabsetzen. Dazu gehören vor allem Präparate, die auf eine Beeinflussung der Gehirntätigkeit direkt zielen wie Antiepileptika oder Beruhigungsmittel, aber auch bestimmte Analgetika und Antidiabetika. Eine taiwanesische Fallkontroll-Studie untersuchte jetzt das Risiko für Verkehrsunfälle unter einer Medikation mit verschiedenen zentral wirksamen Medikamenten. Danach führte nicht nur die Einnahme von Benzodiazepinen, sondern auch von Antidepressiva sowie Schlaf- und Beruhigungsmitteln zu einer erhöhten Zahl von Verkehrsunfällen.
Ein erhöhtes Verkehrsunfallrisiko konnte in einer Fallkontroll-Studie für die Einnahme von Schlafmitteln und Antidepressiva gezeigt werden. Für Antipsychotika konnte kein erhöhtes Risiko nachgewiesen werden. Foto: darval – Fotolia.com

Die Einnahme vieler Medikamente kann die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen. Eine umfangreiche Liste von Arzneimitteln mit (möglichem) Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit hat die Ärztekammer Nordrhein veröffentlicht. Darauf finden sich: Antiasthmatika, Antibiotika, Antidepressiva, Antidiabetika, Antiepileptika, Antihistaminika, Antihypertensiva, Antikoagulanzien, Appetitzügler, Barbiturate, Digitalisglykoside, Grippemittel, Muskelrelaxanzien, Narkotika, Neuroleptika, nicht-steroidale Antiphlogistika, Ophthalmika, Opiate und Opioide, Sedativa und Hypnotika, Stimulanzien und Tranquilizer. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen einer möglichen Verkehrsgefährdung bei erstmaliger oder einmaliger Gabe eines Arzneimittels und bei Dauergebrauch, zwischen Gefährdungen aufgrund der therapeutischen Wirkung und aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen.

Kein generell erhöhtes Unfallrisiko unter Antipsychotika

Eine taiwanesische Fallkontroll-Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen der Verordnung bestimmter Arzneimittel und der medizinischen Versorgung wegen eines Verkehrsunfalls. Dabei wurden die Arzneimittelverordnungen von mehr als 30.000 Kontrollen von Erwachsenen, die keinen Verkehrsunfall hatten, mit 5000 Personen verglichen, die wegen eines Verkehrsunfalls in ärztlicher Behandlung waren. Diese Untersuchung gestattet zwar keine Aussage zur Ursache des Unfalls im Einzelfall, dennoch lässt sich ein erhöhtes Unfallrisiko bei einer häufigeren Verordnung verschiedener Medikamente nachweisen. Dies zeigte sich sowohl für die Benzodiazepine, für die eine Einschränkung der Verkehrstüchtigkeit bekannt ist, aber auch für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und trizyklische Antidepressiva. Weiterhin waren Präparate, die heute als Alternative zu Benzodiazepinen als Schlaf- und Beruhigungsmittel eingesetzt werden (Zolpidem, Zopiclon und Zaleplon; "Z-Substanzen") mit einem erhöhten Unfallrisiko verbunden. Die Studie zeigte auch eine Dosis-Wirkungs-Beziehung: Bei höherer Dosierung war auch das Unfallrisiko erhöht, wobei es grundsätzlich keinen Unterschied machte, ob das Präparat kurzfristig für einen Tag oder über einen längeren Zeitraum eingenommen wurde.

Im Gegensatz dazu konnte für Antipsychotika auch bei einer höheren Dosierung kein Zusammenhang zwischen Medikation und erhöhtem Unfallrisiko nachgewiesen werden. Zwar warnen die Fachinformationen vor einer möglichen Gefährdung der Patienten im Straßenverkehr, diese werde nach Ansicht der Autoren eventuell überschätzt. Da allerdings eine zusammenfassende Analyse einer Medikamentengruppe vorgenommen wurde, könne eine mögliche Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit und ein erhöhtes Unfallrisiko unter der Medikation bestimmter Präparate nicht ausgeschlossen werden. Ärzte und Apotheker sollten auf jeden Fall den Patienten auf eine mögliche Gefährdung hinweisen, Patienten andererseits wegen dieses möglichen Risikos nicht abrupt ihre Therapie abbrechen.


Quelle

Chang; C-M.; et al.: Psychotropic Drugs and Risk of Motor Vehicle Accidents: a Population-based Case-Control Study. Br J Clin Pharmacol (2012) DOI: 10.1111/j.1365-2125.2012.04410.x vom 12. September 2012.

www.aekno.de: Arzneimittel und Fahrtüchtigkeit.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2012, Nr. 38, S. 46

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