Arzneimittel und Therapie

Ionenkanal als Target für neue Wirkstoffe

Den Schleimtransport anregen

Bei schweren Formen der chronischen Lungenerkrankung Asthma bronchiale fehlt ein Chloridionen-Transportprotein, das zur Verdünnung des Lungensekrets beiträgt. Der Schleim bleibt trocken, löst sich nicht und kann die Atmung lebensgefährlich behindern. Diesen Zusammenhang haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg und der Medizinischen Hochschule Hannover im Tiermodell herausgefunden.
Den Schleimtransport in der Lunge zu aktivieren könnte ein Ansatz bei der Suche nach neuen Wirkstoffen sein. So könnte Patienten mit schwerem Asthma oder Mukoviszidose geholfen werden, bei denen bisherige Therapien nicht ausreichen. Die Rolle des ProteinsSLC26A9 in den Zellen der Atemwegsschleimhäute beim Flüssigkeitstransport aus dem Zellinneren auf die Oberfläche der Atemwege scheint eine bedeutende zu sein. Foto: Klaus Eppele – Fotolia.com

Sie zeigten außerdem, dass Kinder mit Veränderungen im genetischen Bauplan für das Protein ein höheres Asthmarisiko haben. Damit können jetzt erstmals Wirkstoffe entwickelt werden, die gezielt an dieser Stelle ansetzen.

Sekret verstopft die Atemwege

Asthma zählt zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland: Rund zehn Prozent aller Kinder und fünf Prozent der Erwachsenen sind betroffen. Als Reaktion auf allergieauslösende Stoffe in der Atemluft verengen sich die Bronchien, die Schleimhäute der Atemwege schwellen an und sondern verstärkt Sekret ab, es entsteht eine chronische Entzündung.

Zur Therapie wird die verkrampfte Muskulatur der Bronchien relaxiert und die Entzündung unterdrückt. Bei Patienten mit sehr schwerem Asthma sind aber häufig zusätzlich die Atemwege mit trockenem Schleim verstopft – ihnen helfen die verfügbaren Medikamente daher nur wenig. Bisher gibt es noch keine Wirkstoffe, mit denen der Abfluss des zähen Sekrets bei schweren Asthmaanfällen gefördert werden kann.

Ursache für die Schleimbildung erforscht

Forscher aus Heidelberg und Hannover identifizierten jetzt im Rahmen einer Zusammenarbeit im Deutschen Zentrum für Lungenforschung erstmals eine Ursache für die Bildung des trockenen Schleims und entwickelten damit einen neuen Ansatzpunkt zur Behandlung dieser lebensgefährlichen Komplikation.

Die Wissenschaftler untersuchten an Mäusen den Einfluss des Proteins SLC26A9, einem Chloridionenkanal in den Zellen der Atemwegsschleimhäute, auf den Schweregrad des Asthmas. Das Eiweißmolekül spielt eine wichtige Rolle beim Flüssigkeitstransport aus dem Zelleninneren auf die Oberfläche der Atemwege. Bei der allergischen Entzündung wird der Ionenkanal aktiviert und transportiert Chloridionen aus der Schleimhaut in das Lungensekret. Wasser strömt nach und befeuchtet den vermehrt gebildeten Schleim. So kann dieser sich lösen und gemeinsam mit den Allergenen und anderen Reizstoffen aus der Lunge befördert werden.

Bei Mäusen mit Asthma, die den Kanal nicht bilden können, erhöht sich der Chloridionentransport nicht. In ihren Lungen entstehen unlösliche Schleimpfropfen, wie sie auch bei Menschen mit schwerem therapieresistentem Asthma oder nach tödlichen Asthmaanfällen zu finden sind.

Fehler im Bauplan des Proteins

Zusätzlich suchte das Team bei 661 Kindern mit Asthma und 658 gesunden Kindern nach Fehlern im genetischen Bauplan des Chloridkanals. Bestimmte Veränderungen, welche die Funktion des Proteins beeinträchtigen, waren bei Kindern mit Asthma zu 50% häufiger zu finden als bei gesunden Kindern, so die Forscher. Sie gehen daher davon aus, dass Fehler im Aufbau oder in der Regulation des Kanals das Risiko, an schwerem Asthma zu erkranken, deutlich erhöhen. Als nächstes gilt es zu klären, welche Veränderungen des Kanals beim Menschen vorkommen und wie diese sich auf die Schwere der Erkrankung auswirken.

In Zukunft könnte ein Wirkstoff, der SLC26A9 aktiviert, den Patienten helfen, bei denen bisherige Therapien nicht anschlagen. Eventuell ließe sich ein solches Medikament auch in der Behandlung der Mukoviszidose einsetzen: Auch bei dieser bislang nicht heilbaren Erbkrankheit bildet sich zäher Schleim in der Lunge, der unter anderem chronische Lungenentzündungen hervorruft und die Atmung behindert.


Quelle

Anagnostopoulou, P., et al.: SLC26A9-mediated chloride secretion prevents mucus obstruction in airway inflammation. J J. Clin. Invest. 2012; Online: doi:10.1172/JCI60429.


hel



DAZ 2012, Nr. 38, S. 48

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