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Arzneimittel und Therapie
„HES ist für Volumentherapie verzichtbar!“
Kürzlich erschienen die Ergebnisse einer skandinavischen Multizenterstudie [1], in der 798 Sepsispatienten in einem randomisierten, doppelblinden Design entweder Tetrastärke (HES 130/0.42) oder Ringeracetat (RA) zur Volumentherapie erhielten. Die 90-Tage-Sterblichkeit war in der HES-Gruppe signifikant höher mit 51% (201/398 Patienten) gegenüber 43% in der RA-Gruppe (172/400 Patienten; relatives Risiko [RR] 1,17; 95% Konfidenzintervall [KI], 1,01-1,36; p = 0,03). In der HES-Gruppe benötigten signifikant mehr Patienten Nierenersatztherapie (22%) verglichen mit 16% in der RA-Gruppe (RR, 1.35; 95% KI, 1.01-1.80; p = 0,04) und es gab im Trend mehr Blutungskomplikationen (definiert durch den Bedarf von drei oder mehr Einheiten Erythrozytenkonzentrat) mit 10% versus 6% der Patienten (p = 0,09) [1].
Nierenversagen unter HES häufiger
Diese Studie bestätigt die Ergebnisse der VISEP-Multizenterstudie, die gezeigt hatte, dass 10% HES 200/0.5 bei Sepsispatienten im Vergleich mit Ringerlactat zu mehr Nierenversagen, Transfusionsbedarf und dosisabhängig auch zu höherer 90-Tage-Sterblichkeit führte [2].
Neuere HES-Präparate nicht sicherer als alte
Bemerkenswerterweise betrug die kumulative HES-Dosis in der skandinavischen Studie lediglich 44 ml/kg – das ist weniger als eine erlaubte Tageshöchstdosis für HES 130/0.4 – jedoch war die 90-Tage-Sterblichkeit um 8% höher [1], während in der VISEP-Studie die 90-Tage-Sterblichkeit um 7% höher war bei einer kumulativen Dosis von 70 ml/kg hyperonkotischem 10% HES 200/0.5 [2]. Keinesfalls ist also das neue HES 130/0.4 sicherer als ältere Lösungen, wie postuliert worden ist [3]. Bemerkenswert ist auch, dass die insgesamt zur hämodynamischen Stabilisierung benötigte Flüssigkeitsmenge in beiden Studiengruppen innerhalb der ersten drei Tage nicht unterschiedlich war; es wurde also durch die Verwendung von HES keine Flüssigkeit "eingespart". Die Studie bestätigt auch eine kürzlich erschienene sequenzielle Analyse, die ebenfalls nahelegt, dass die synthetischen Kolloide HES 130/0.4 und Gelatine jeweils keine Vorteile in Bezug auf die Hämodynamik gegenüber Kristalloiden bieten, jedoch Risikofaktoren für Nierenversagen bei Sepsispatienten sind [4].
Ergebnisse auf andere HES-Präparate übertragbar
Die Ergebnisse können auch auf andere HES 130/0.4-Lösungen übertragen werden, auch wenn Studiendaten zum direkten Vergleich fehlen. HES-Lösungen sind polydisperse Gemische mit einer nicht unbeträchtlichen Streuungsbreite von Molekulargewicht und Substituierungsgrad. Meta-Analysen konnten bisher keine wesentlichen Veränderungen im Risikoprofil verschiedener HES-Lösungen nachweisen [5 – 7]. Die Ergebnisse einer australischen, ca. 7000 Intensivpatienten umfassenden Vergleichsstudie mit HES 130/0.4 [8] werden in Kürze erwartet.
Kristalloide Lösungen einsetzen
Für die Praxis der Volumentherapie bei intensivmedizinischen oder Notfall-Patienten sollten deshalb die Empfehlungen der ESICM [9] berücksichtigt werden, wonach synthetische Kolloide im Allgemeinen und HES-Präparate im Besonderen zugunsten von kristalloiden Lösungen verzichtbar sind. Ein kürzlich erschienenes Editorial von Frederique Schortgen in Critical Care Medicine weist darauf hin, dass Volumentherapie sicher und effektiv mit Kristalloiden durchgeführt werden kann [10].
Autoren
Prof. Dr. med Konrad Reinhart,
Dr. med. Christiane Hartog,
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin,
Universitätsklinikum Jena,
Erlanger Allee 101,
07747 Jena
Literatur
[1] Perner A, et al: Hydroxyethyl starch 130/0.42 versus Ringer‘s acetate in severe sepsis. N Engl J Med (2012) 367: 124 – 134.
[2] Brunkhorst FM, et al: Intensive insulin therapy and pentastarch resuscitation in severe sepsis. N Engl J Med (2008) 358: 125 – 139.
[3] Westphal M, James MF, Kozek-Langenecker S, et al: Hydroxyethyl Starches: Different Products - Different Effects. Anesthesiology (2009) 111:187 – 202.
[4] Bayer O, Reinhart K, Kohl M, et al: Effects of fluid resuscitation with synthetic colloids or crystalloids alone on shock reversal, fluid balance, and patient outcomes in patients with severe sepsis: A prospective sequential analysis. Crit Care Med 2012; 40: 2543 – 2551
[5] Bellmann R, Feistritzer C, Wiedermann CJ: Effect of molecular weight and substitution on tissue uptake of hydroxyethyl starch: a meta-analysis of clinical studies. Clin Pharmacokinet (2012) 51: 225 – 236.
[6] Dart AB, Mutter TC, Ruth CA, et al: Hydroxyethyl starch (HES) versus other fluid therapies: effects on kidney function. Cochrane Database Syst Rev 2010:CD007594.
[7] Navickis RJ, Haynes GR, Wilkes MM: Effect of hydroxyethyl starch on bleeding after cardiopulmonary bypass: a meta-analysis of randomized trials. J Thorac Cardiovasc Surg 2012; 144: 223 – 230.
[8] The Crystalloid versus Hydroxyethyl Starch Trial: protocol for a multi-centre randomised controlled trial of fluid resuscitation with 6% hydroxyethyl starch (130/0.4) compared to 0.9% sodium chloride (saline) in intensive care patients on mortality. Intensive Care Med 2011; 37: 816 – 823.
[9] Reinhart K, Perner A, Sprung CL, et al: Consensus statement of the ESICM task force on colloid volume therapy in critically ill patients. Intensive Care Med (2012) 38: 368 – 383.
[10] Schortgen F, Brochard L: Withdrawing synthetic colloids in sepsis is possible and safe. Crit Care Med (2012) 40: 2709 – 2710.
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