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- DAZ 33/2012
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Aus Kammern und Verbänden
Scharfe Worte zum Honorar
Apotheken stecken in der Schuldenkrise
Die Begrüßungsansprache von Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, war eine Glanzleistung im politischen Florettkampf. Er wisse, die Politik könnte sagen, die Apotheker seien an der jetzigen Preisgestaltung nicht ganz unschuldig, sie hätten sie 2004 selbst in Gang gebracht. Die Politik könnte auch sagen, sich auf eine jährliche Anpassung im Sinne der Apotheker zu verlassen – so blauäugig könnten die Apotheker doch nicht sein, zumal es warnende Stimmen gegeben habe. Damit spielte Graue offenbar auf die damalige Kritik am Kombimodell an. Doch nun sei das Kind in den Brunnen gefallen. „Das AMNOG hat der real existierenden Arzneimittelpreisverordnung den Todesstoß versetzt“, so Graue. Daraus folgerte er: „Eine neue Arzneimittelpreisverordnung muss schnellstens her, die dem Leistungsspektrum der Apotheken gerecht wird, sonst müssen wir den Versorgungsauftrag unverzüglich zurückgeben.“ – Mit diesem Satz stellte Graue offenbar das Kombimodell infrage und eröffnete erneut die Diskussion über eine Rückkehr zur alten degressiven Arzneitaxe mit ihrem immanenten Anpassungsmechanismus, auch wenn er diese nicht explizit ansprach.
Graue erklärte, die Zeiten seien schlechter denn je, denn „viele Apotheken stecken in der Schuldenkrise“. Außerdem beklagte Graue: „Die Umverteilungsnorm, die sich der Staat paternalistisch angeeignet hat, ist längst ins Abschüssige geraten.“ Vertrauensverlust gegenüber den Volksvertretern sei nicht nur bei den Apothekern zu verzeichnen. Mit Blick auf die Rolle der Parteien fragte Graue, wo der oppositionelle Aufschrei der SPD bleibe, der bislang das Ordnungsprinzip so am Herzen gelegen habe. Statt den nötigen Leistungswillen zu stärken, gäbe es nur Neiddebatten und Umverteilungs- und Enteignungsgelüste.
Apotheken werden abgekoppelt
Zuvor fand auch Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, deutliche Worte zur vorgeschlagenen Erhöhung des Festzuschlages um 25 Cent. Diese Steigerung um 3 Prozent stellte er ins Verhältnis zum Anstieg des ärztlichen Honorars um 34,6%, der Verwaltungsausgaben der Krankenkassen um 23,7%, der Apotheken-Gesamtkosten um 21,1%, der Tariflöhne in Apotheken um 18% und zur allgemeinen Inflation von 14,4% im Vergleichszeitraum. Die deutschen Apotheken seien damit von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt, die 150.000 Beschäftigten würden „auf das Abstellgleis liberaler Politik gestellt“. Zudem verwies Siemsen auf die immer wieder neuen Aufgaben in den Apotheken. „Qualitätsverbessernde Leistungen erbringen die Apotheker schon aus beruflichem Selbstverständnis gern, nur müssen dafür auch die Rahmenbedingungen durch die Politik gesetzt werden,“ so Siemsen.
Nach der gültigen Gesetzeslage sei das Apothekenhonorar alle zwei Jahre der Kostenentwicklung anzupassen, nun habe es neun Jahre gedauert. Doch die angekündigten 25 Cent empfinde nicht nur er als respektlos und beschämend, erklärte Siemsen. Was die FDP-Minister anböten, sei leistungsfeindlich. Dem stellte Siemsen den FDP-Wahlslogan „Damit sich Leistung wieder lohnt“ entgegen und ergänzte: „Ohne Geld gibt es über kurz oder lang keine Leistung.“
Für die zunehmend wichtige wohnortnahe Versorgung der wachsenden Zahl Pflegebedürftiger müssten wohnortnahe Gesundheits- und Versorgungsstrukturen geschaffen werden. Zudem betonte Siemsen die wichtigen Aufgaben der Apotheken als kostengünstige und niederschwellige Anlaufstellen. Dazu erklärte der Kammerpräsident: „Die Apotheke ist schon da, oder soll ich besser sagen: noch da?“ Schließlich appellierte Siemsen an die Jungen und Gesunden, sich in die Lage der Alten und Kranken zu versetzen, die die Apotheken dringender brauchen und die bald die Mehrheit der Wähler stellen würden.
tmb
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