DAZ aktuell

Apotheken dürfen vermitteln, wenn sie prüfen und beraten

BGH-Entscheidung zu Apotheken-Pick-up

BERLIN (ks). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in weiten Teilen keine Bedenken gegen ein Geschäftsmodell, bei dem eine deutsche Apotheke einen Kaufvertrag zwischen einem deutschen Kunden und einer ausländischen – hier einer Budapester – Apotheke vermittelt. Arzneimittelrechtlich sei die deutsche Apotheke im entschiedenen Fall als Empfängerin der aus Ungarn eingeführten Arzneimittel anzusehen, die ihrerseits diese Medikamente an die Kunden abgibt. Sie sei allerdings verpflichtet, die Arzneimittel zu prüfen und die Verbraucher bei Bedarf zu beraten. Der BGH stellt aber auch klar: Soweit auf die aus Ungarn eingeführten Rx-Präparate Rabatte gewährt werden, ist das Modell unzulässig.

Die beklagte Apothekerin bietet ihren Kunden an, Arzneimittel bei einer Apotheke in Budapest zu bestellen und zusammen mit einer Rechnung dieser Apotheke bei ihr in Freilassing abzuholen. Den Kunden verspricht sie dabei einen Rabatt in Höhe von 22 Prozent bei nicht verschreibungspflichtigen und von zehn Prozent bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. Im Falle einer Bestellung lässt die Beklagte die Arzneimittel zunächst durch einen Großhändler aus Deutschland an die Apotheke in Budapest liefern, von wo aus sie wieder zurückgeliefert werden. Auf Wunsch werden die Kunden, die dieses Angebot nutzen, in der Apotheke der Beklagten pharmazeutisch beraten. Gegen dieses Modell wendeten sich die Klägerinnen, die ebenfalls in Freilassing Apotheken betreiben. In der ersten Instanz wurde ihrer Klage stattgegeben, in der zweiten nur noch teilweise.

Kein Versand an deutsche Endkunden

Nun hat der BGH die Revision der Klägerinnen zurückgewiesen (siehe AZ 2012, Nr. 3, S. 1) – somit ist das Urteil der Vorinstanz, des Oberlandesgerichts (OLG) München, rechtskräftig geworden. Die Entscheidungsgründe des BGH liegen zwar noch nicht vor – in einer Pressemitteilung stellt das Gericht jedoch klar, dass es in Übereinstimmung mit dem OLG einen Verstoß der beklagten Freilassinger Apothekerin gegen das arzneimittelrechtliche Verbringungsverbot des § 73 Arzneimittelgesetz (AMG) verneint. Danach dürfen zulassungspflichtige Arzneimittel nur unter bestimmten Voraussetzungen nach Deutschland eingeführt werden. Insbesondere ist der Versand von Arznei mitteln auch aus dem EU- Ausland an deutsche Endverbraucher nur unter engen Voraussetzungen gestattet, die die hier eingeschaltete Budapester Apotheke nicht erfülle. Das ist für den Bundesgerichtshof jedoch unerheblich – denn er hat im Streitfall einen Versand unmittelbar an Endverbraucher verneint.

Auch wenn das von der Beklagten praktizierte Modell so ausgestaltet sei, dass sie den Verkauf der bestellten Arzneimittel durch die Budapester Apotheke lediglich vermittelt und der Kaufvertrag zwischen dem deutschen Kunden und der Budapester Apotheke zustande kommt, sei die Beklagte arzneimittelrechtlich als Empfängerin anzusehen. Für die arzneimittelrechtliche Beurteilung sei dabei maßgebend, dass in die Abgabe an den Endverbraucher eine inländische Apotheke eingeschaltet ist, die verpflichtet ist, die Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit der auf diese Weise abzugebenden Arzneimittel zu prüfen und die Verbraucher bei Bedarf zu beraten. Als Empfängerin der von der Budapester Apotheke versandten Arzneimittel darf sie diese mithin nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 AMG in den Verkehr bringen.

Im Übrigen weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass der Beklagten die Gewährung eines Rabatts im Falle verschreibungspflichtiger Arzneimittel von den Vorinstanzen gerade deswegen verboten worden sei, weil sie die Arzneimittel als inländische Apothekerin abgibt. In der Pressemeldung wird dabei auf das Urteil des Bundessozialgerichts verwiesen, wonach die deutschen Preisvorschriften, die einen solchen Rabatt untersagen, nur im Falle der Abgabe durch inländische Apotheken gelten. Die dem Gemeinsamen Senat des obersten Gerichtshofs vorliegende Frage, ob die Arzneimittelpreisverordnung auch für ausländische Versandapotheken gilt, die nach Deutschland versenden, stellt sich dem Bundesgerichtshof damit vorliegend nicht.

Linda: auch Vorteil24-Pick-up "apothekentypisch"

Auch wenn die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen: Die Apothekenkooperation Linda, die ihren Apotheken mit Vorteil24 ebenfalls ein Apotheken-Pick-Up-Modell anbietet, sieht ihr Konzept durch die BGH-Entscheidung in einer ersten – vorbehaltlichen – Einschätzung gestärkt. Allerdings betonte Linda-Sprecherin Vanessa Bandke, dass das ungarisch-bayerische Modell nicht mit Vorteil24 vergleichbar sei. So würden bei Vorteil24 die Arzneimittel vom Kunden direkt bei der kooperierenden holländischen Montanus Apotheke B.V. bezogen. Vertragspartner sei die niederländische Apotheke – auch die Abgabe der Arzneimittel erfolge durch sie. Die vom BGH bejahte Frage, ob Pick-up-Leistungen apothekentypisch sind, betreffe aber auch Vorteil24, so Bandke. Damit greift sie den Urteilsgründen zwar vor – doch in der mündlichen Verhandlung war letzte Woche durchaus eine Tendenz erkennbar, dass die Karlsruher Richter die Tätigkeit der Freilassinger Apothekerin eher als typische apothekerliche Leistung ansehen, denn als eine "anderweitige gewerbliche Tätigkeit", die nach der Apothekenbetriebsordnung nicht in den Apothekenräumen durch geführt werden dürfte. Damit hofft Linda, dass ihren Gegnern – allen voran der Apothekerkammer Nordrhein und der Wettbewerbszentrale – der Wind aus den Segeln genommen wird. Diese hatten im Fall von Vorteil24 ein "apothekenfremdes" Geschäft angenommen. Es bleibt abzuwarten, was der BGH hierzu ausführen wird.

Frage zu Rabatten auf Rx-Arzneimittel offen

Klar ist, dass für Linda und Vorteil24 dann immer noch die Frage offen ist, ob die Montanus-Apotheke ihren deutschen Kunden einen Rabatt auf Rx-Arzneimittel anbieten darf. Hier kann nicht so einfach mit dem Urteil des Bundessozialgerichts argumentiert werden, wie beim BGH geschehen. Es muss vielmehr die Entscheidung des Gemeinsamen Senats abgewartet werden – oder aber die Gesetzgebung. Denn auch die Regierungskoalition will, dass sich ausländische Versandapotheken an das deutsche Preisrecht halten. Sie versucht derzeit, im Gesetzgebungsverfahren zur AMG-Novelle eine entsprechende Klarstellung unterzubringen. Wie auch immer die noch anhängigen Streitfragen ausgehen – für die Linda AG ist es laut Bandke von zentraler Bedeutung, dass für die öffentlichen Apotheken und ausländischen Versandapotheken "faire beziehungsweise gleiche Wettbewerbsbedingungen" herrschen. Mit Vorteil24 ist das aus Sicht der Kooperation möglich: Mit diesem Modell könnten die deutschen den ausländischen Versandapotheken "im Wettbewerb auf Augenhöhe begegnen".



DAZ 2012, Nr. 3, S. 19

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