Gesundheitspolitik

Liberal bis illegal

Wie vermutet: Bestrebungen, Arzneimittelpreise und Apothekenpflicht weiter zu liberalisieren, reißen nicht ab. Freunde der ungezügelten Liberalisierung im Apothekenmarkt versuchen weiterhin, noch mehr Wettbewerb einzufordern. Jüngst die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: Sie wollen die Freigabe der Arzneimittelpreise. Vor allem sollte die Preisbindung durch die Arzneimittelpreisverordnung beseitigt werden. Sie dürfe nicht auch noch für den Versandhandel aus dem Ausland eingeführt werden. Darüber hinaus fordert dieser Verband die Beseitigung des Fremd- und Mehrbesitzverbots. Als Apotheker glaubt man hier im falschen Film zu sein.

Liberalisierungen durch die Hintertür will auch die eine oder andere Drogeriemarktkette durchdrücken. Beispiel: Rossmann und dm bieten N-Acetylcystein-haltige Brausetabletten als "diätetisches Lebensmittel" in ihren Regalen zum Kauf an. Nicht nur der Hersteller, hier Hexal, ist überzeugt, dass hier ein Arzneimittel unzulässigerweise als Lebensmittel verkauft wird. Jede Apothekerin, jeder Apotheker kann hier nur den Kopf schütteln. Der Versuchung, NAC zu verkaufen, erlagen die Drogisten wegen schwammiger Abgrenzungsregelungen zwischen apothekenpflichtigen Produkten und Nahrungsergänzungsmitteln. Hier müssen schnellstens die Behörden ran, um einem solchen Treiben ein Ende zu machen. Immerhin konnte der Hersteller durch wettbewerbsrechtliche Schritte den Verkauf stoppen.

Nicht mehr nur liberal, sondern – in meinen Augen – schon illegal ist das, was sich beim Online-Versandkaufhaus Amazon abspielt: Dort können Nicotin- und Orlistat präparate, Analgetika wie Paracetamol, ASS und Ibuprofen in jeder Menge oder auch "Happy Pills" gekauft werden. In vielen Fällen ist eine Versandapotheke, über die solche Bestellungen laufen, nicht erkennbar. Von welchen Zwischenhändlern diese Produkte an den Kunden gelangen, ist nicht ersichtlich.

Während in Deutschland seit Monaten Experten über die Gefährlichkeit von Paracetamol streiten, die weitere Packungsgrößenbegrenzung für OTC-Analgetika bereits im Gespräch ist und sogar darüber debattiert wird, Paracet amol vollkommen unter die Verschreibungspflicht zu stellen, kann man das Schmerzmittel in rauen Mengen beim Internetkaufhaus bestellen.

Sind wir hier noch in einem real existierenden Rechtsstaat?


Peter Ditzel



AZ 2012, Nr. 3, S. 1

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