Gesundheitspolitik

BGH gestattet Apotheken-Pick-up

Deutsch-ungarische Kooperation muss sich jedoch an Arzneimittelpreisverordnung halten

Karlsruhe (jz). Deutsche Apotheken dürfen als Pick-up-Stellen für ausländische Versandapotheken fungieren. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 12. Januar. Der Senat hatte keine Bedenken gegen ein bayerisch-ungarisches Pick-up-Modell, bei dem eine deutsche Apothekerin aus Freilassing Arzneimittel von einer Apotheke aus Budapest einführt, hierzulande an die Kunden abgibt und die Rechnungsbeträge für die ausländische Apotheke einzieht – allerdings unter Beachtung des deutschen Preisrechts. Eine Urteilsbegründung steht noch aus. (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2012, Az.: I ZR 211/10)

Das Konzept ähnelt dem Vorteil24-Modell der holländischen Montanus-Apotheke: Die beklagte Apothekerin aus dem bayerischen Freilassing bietet ihren Kunden an, Medikamente bei einer in Budapest ansässigen Apotheke zu bestellen und zusammen mit einer Rechnung der ungarischen Apotheke in der Apotheke in Freilassing abzuholen. Die Medikamente lässt sie dabei zunächst durch einen Großhändler aus Deutschland an die Apotheke in Budapest liefern. Von dort bringt das eigens beauftragte Transportunternehmen die Arzneimittel zusammen mit der Rechnung der ungarischen Apotheke in die Apotheke in Freilassing. Auf Wunsch werden die Kunden der Beklagten auch pharmazeutisch beraten.

Der BGH folgte mit der Zurückweisung der Revision der Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) München, das das umstrittene Modell bereits am 28. Oktober 2010 (Az. 6 U 2657/09) für zulässig erklärte (siehe AZ Nr. 47, 2010). Dieses Urteil ist mit der Karlsruher Entscheidung nunmehr rechtskräftig. Eine Einschränkung hatte das OLG gemacht: Verschreibungspflichtige und preisgebundene Arzneimittel dürfen nicht zu anderen Preisen beworben und abgegeben werden als es die Arzneimittelpreisverordnung zulässt. Denn im gegebenen Fall finde die Abgabe an den Endverbraucher klar in der deutschen Apotheke statt. Die noch ausstehende Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe zur Frage, ob EU-ausländische Versandapotheken, die nach Deutschland versenden, das deutsche Preisrecht zu beachten haben, müsse daher nicht abgewartet werden.

Die Anwälte mehrerer Apotheker aus Freilassing hatten in der mündlichen Verhandlung am vergangenen Donnerstag über das Für und Wider des Pick-up-Modells diskutiert. Die klagenden Apotheker aus Freilassing argumentieren, bei diesem Modell sei für den Kunden nicht ersichtlich, wer der Hauptverantwortliche bzw. der Ansprechpartner bei Schwierigkeiten oder Rückfragen sei. Er müsse sich fragen "wer ist mein Apotheker?", so der Vertreter der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung. Die Beklagtenseite sieht darin im Gegenteil einen Vorteil für den Kunden, denn dieser hat damit drei Ansprechpartner bzw. Anspruchsgegner: den deutschen Apotheker, den ausländischen Apotheker und den Hersteller des Arzneimittels. Beratungs- und Haftungsfrage seien somit geklärt, befand die Beklagten-Vertreterin.

Apothekenfremde oder -typische Leistung?

Weiterhin sehen die Kläger in der Tätigkeit des Beklagten ein unzulässiges, weil apothekenfremdes Geschäft (§ 4 Abs. 5 ApBetrO). Die Beklagte sei bloßer Lieferant für die Apotheke in Budapest und betreibe ein reines Inkassogeschäft, so das Argument. Dem hielt die Beklagtenseite entgegen, die Apotheke prüfe (die Pakete auf Vollständigkeit, Ablaufdatum etc.) und berate (bei Bedarf) – die Beklagte erfülle damit ihre apothekerlichen Pflichten. Bereits das Berufungsgericht habe entschieden, dass es sich vorliegend um kein apothekenfremdes Geschäft handle, betonte die Vertreterin. Insbesondere betreibe sie kein Inkassogeschäft. Die Anwältin der Beklagten verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass Apotheker im Jahr 2009 den Schweinegrippeimpfstoff in großen Mengen gelagert hatten – und zwar auf Rechnung der Länder. Und auch Rezepte der Kunden lösten Apotheker ein – zulasten der Krankenkassen, so die Vertreterin. Letztendlich handle es sich bei der umstrittenen Tätigkeit also um einen alltäglichen Vorgang jedes Apothekers.

Offenbar konnten die Richter am BGH der Argumentation folgen, dass die Tätigkeiten der Beklagten als apothekerliche einzuordnen seien – gerade hier darf man auf die Entscheidungsgründe gespannt sein.



AZ 2012, Nr. 3, S. 1

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