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Beratungspraxis
Neue orale Antikoagulanzien
Hintergrundwissen für die Beratung bei Dabigatran und Rivaroxaban
Vorhofflimmern ist die häufigste Form der Herzrhythmusstörung und betrifft in Deutschland ca. 300.000 Patienten. Risikofaktoren für ein Vorhofflimmern sind besonders Bluthochdruck, Herzklappenfehler, Alter über 75 Jahre, KHK und Diabetes. Daher nimmt die Prävalenz mit zunehmendem Alter in der Bevölkerung entsprechend zu, bei den über 80-jährigen sind ca. 10% betroffen.
Bei Vorhofflimmern werden drei Formen unterschieden: paroxysmales, persistierendes und permanentes Vorhofflimmern (Tab. 1).
Tab. 1: Vorhofflimmern – klinische Klassifikation | ||
paroxysmal |
persistierend |
permanent |
mindestens zwei Episoden von Vorhofflimmern, die spontan innerhalb von sieben Tagen enden |
Rhythmusstörungen, die länger als sieben Tage andauern |
über ein Jahr lang bestehendes Vorhofflimmern, bei dem eine Kardioversion fehlgeschlagen ist oder nicht versucht wurde |
Mit der Behandlung werden unterschiedliche Ziele verfolgt (Abb. 1). Im Vordergrund stehen die Schlaganfallprophylaxe, die Stabilisierung des Sinusrhythmus und die Kontrolle der Herzfrequenz.
Sofern therapiebedürftig erfolgt die Therapie der Rhythmusstörung selbst meist durch Kardioversion, durch Katheterablation oder durch die Gabe von Antiarrhythmika. Die Kardioversion kann per Defibrillator oder durch Medikamentengabe vorgenommen werden. Die Ablation per Herzkatheter ist eine gezielte Vernarbung von umgrenzten Bereichen im Herzmuskel, die an der falschen Übertragung beteiligt sind. Hochfrequenter Strom führt zu Verödungen, die die Reizweiterleitung unterbrechen.
Neben der Rhythmusbehandlung kommt es bei der Therapie des Vorhofflimmerns vor allem darauf an, Thromben, die durch die Stase des Blutes entstehen können, zu vermeiden und so Schlaganfällen und anderen thromboembolischen Ereignissen vorzubeugen. Mittels CHADS-Score wird errechnet, ob eine Antikoagulation hierzu sinnvoll ist (s. Tabelle 4).
Die Kontrolle der Herzfrequenz ist ein weiteres Ziel in der Behandlung und erfolgt medikamentös meist mit Betablockern oder Nicht-Dihydropyridin-Calciumkanal-Antagonisten (Verapamil, Diltiazem). Ziel ist hier eine Frequenz von 80 bis 100 Schläge/Minute (bpm).
Was hat sich bei der Antikoagulation geändert?
Rivaroxaban (Xarelto®) und Dabigatran (Pradaxa®) sind zwei neue orale Antikoagulanzien (NOACs), die inzwischen die Zulassung zur Prophylaxe von Schlaganfällen bei Vorhofflimmern (SPAF/stroke prevention in atrial fibrillation) erhalten haben. Bislang waren sie für die folgenden, eher stationär relevanten Indikationen zugelassen:
zur Prophylaxe venöser Thromboembolien nach Hüft- und Knieersatzoperationen (Xarelto®, Pradaxa®),
zur Behandlung der akuten tiefen Venenthrombose (Xarelto®),
zur Prävention der rezidivierend auftretenden Venenthrombose (Xarelto®),
zur Prophylaxe der Lungenembolie (Xarelto®).
Sie standen damit zunächst nur in Konkurrenz zu Heparin. Jetzt drängen diese Wirkstoffe mit der neuen Indikation verstärkt auch in die öffentliche Apotheke und machen den alt etablierten Vitamin-K-Antagonisten Marcumar® (Phenprocoumon) und Warfarin Konkurrenz. Leitlinien zur Therapie werden inzwischen entsprechend geändert. Damit stellt sich auch für den Offizinapotheker die Frage, wie diese Substanzen bei der neuen Indikation gegenüber Marcumar® zu bewerten sind und welcher Wirkstoff ggf. bei welchen Patienten zu bevorzugen ist. Auch muss sich der Apotheker Gedanken machen, wie er bei der Abgabe der neuen oralen Antikoagulanzien seinem Beratungsauftrag nach der aktuellen Approbationsordnung nachkommen will.
Standardtherapie Vitamin-K-Antagonisten
Durch längere Stase kann es bei Vorhofflimmern zur Bildung von Thromben kommen. Das Risiko hierzu ist unabhängig auch bei milden Verlaufsformen gleich hoch. Dass eine Antikoagulation bei Vorhofflimmern Schlaganfälle und andere thromboembolische Ereignisse stärker verhindert als Placebo, konnte anhand zahlreicher Studien zweifelsfrei nachgewiesen werden. Auch der Vorteil gegenüber einer nur schwächer wirksamen Thrombozytenaggregationshemmung wurde erbracht. Entsprechend führten sämtliche Leitlinien die orale Antikoagulation mit Warfarin bzw. mit Phenprocoumon als Standardtherapie bei Vorhofflimmern mit einer Prothrombinzeit im Zielbereich der International Normalized Ratio (INR) von 2 – 3. (Die INR ist ein standardisiertes Verfahren zur Messung der extrinsischen Blutgerinnungszeit und verhält sich umgekehrt proportional zum Quick-Wert: je höher die INR, desto größer die Blutungsneigung.)
Warfarin ist weltweit der am häufigsten eingesetzte Vitamin-K-Antagonist, in Deutschland hat sich jedoch Phenprocoumon durchgesetzt. Phenprocoumon zeichnet sich gegenüber Warfarin durch ein noch langsameres Anfluten und eine noch längere Halbwertszeit aus und ist damit diesbezüglich eigentlich die ungünstigere Substanz. Man nimmt ansonsten an, dass beide Substanzen fast die gleichen Vor- und Nachteile haben und überträgt die Warfarin-Studienergebnisse aus dem Ausland auch auf Phenprocoumon. Die Dosis wird in beiden Fällen immer als Wochendosis berechnet. Die Wochendosis wird dann in ungefähr gleiche Tagesdosen aufgeteilt. Änderungen der Wochendosis dürfen nur in kleinen Schritten vorgenommen werden.
Das Monitoring auf den therapeutischen INR-Wert wird in Deutschland aus verschiedenen Gründen viel zu selten durchgeführt, obwohl bekannt ist, dass bei unregelmäßiger Messung der therapeutische Bereich häufig über oder unterschritten wird. Die TTR (time in therapeutic range) wird in Deutschland aber immerhin noch auf ca. 70% geschätzt, was im internationalen Vergleich zwar im oberen Bereich liegt, andererseits bedeutet, dass jeder Patient durchschnittlich 30% seiner Zeit nicht richtig therapiert wird. In den USA führte dieser Umstand in den 90er Jahren dazu, dass spezielle "Anticoagulation Clinics" eingerichtet wurden, die übrigens oft von spezialisierten Apothekern betrieben werden. Für diese "Anticoagulation Clinics" konnte gezeigt werden, dass die professionelle INR-Kontrolle und die häufigere Schulung der Patienten zu deutlich besseren Resultaten führte als dies bei der Standardtherapie durch den Hausarzt der Fall war [10, 16]. Auch wenn dieses Beispiel in Deutschland nicht Schule machte, so konnten bei der Anwendung der Vitamin-K-Antagonisten durch die lange Erfahrung und intensive klinische Erforschung bis in die letzten Jahre insgesamt deutliche Fortschritte gemacht werden, die die Arzneimitteltherapiesicherheit im Umgang mit diesen Wirkstoffen klar verbessert haben.
Klinisches Wissen für die Praxis
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Tipps zur Einstellung
Die früher übliche stark erhöhte Startdosis ist inzwischen obsolet da sie nicht zu einem schnelleren Eintritt in den Zielbereich führt und die anschließende Steuerung erschwert, häufig auch zu supratherapeutischen Blutspiegeln führt. Zudem ist die INR zu Beginn nicht aussagekräftig, da andere Blutfaktoren nicht berücksichtigt werden. Stattdessen wird entweder mit der normalen Dosierung von 5 mg Warfarin oder 3 mg Phenprocoumon oder maximal mit der doppelten Dosierung gearbeitet und dann einem Nomogramm bzw. einer Dosierungsmatrix (s. Tab. 2) mit zunächst täglicher INR-Kontrolle gefolgt. Neuere Ansätze berücksichtigen zusätzlich CYP2C9- und VKORC1(Vitamin K epoxide reductase complex subunit 1)-Genotypisierungen [13], denn die individuell unterschiedliche Metabolisierung und CYP-Interaktionen mit anderen Medikamenten erschweren den sicheren Umgang zusätzlich. Mit nur der halben Dosierung sollte aber z. B. gearbeitet werden, wenn der Patient älter als 70 Jahre ist, weniger als 50 kg wiegt, oder andere Risikofaktoren aufweist [12].
Tab. 2: Dosierungsmatrix für Phenprocoumon und Warfarin bei Erwachsenen [Quelle A. Goldinger, www.staff.uni-mainz.de/goldinge/dosmatrx.htm]. Die Angaben im Inneren der Tabelle geben die Anzahl der Tabletten wieder (Phenprocoumon 3 mg/Tablette, Warfarin 5mg/Tablette). | |||||
Tag 2 |
Tag 3 |
Tag 4 |
Tag 5 |
Tag 6 |
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INR <1,5 |
2 |
2 |
2,5 |
3 |
3 |
INR 1,5 – 1,7 |
1,5 |
2 |
2,5 |
3 |
3 |
INR 1,8 – 2,0 |
1 |
1 |
1,5 |
1,5 |
1,5 |
INR 2,1 – 2,5 |
1 |
1 |
1 |
1 |
1 |
INR 2,6 – 3,0 |
0,5 |
0,5 |
0,5 |
0,5 |
0,5 |
INR > 3,0 |
0 |
0 |
0,25 |
0,25 |
0,25 |
Anhand der langjährigen Erfahrung, die man mit Vitamin-K-Antagonisten hat gibt es auch klare Handlungsanweisungen, was bei Nichterreichen des therapeutischen INR von 2 – 3 zu tun ist. Wie eine laufende Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten angepasst wird, ist Tabelle 3 zu entnehmen [11, 12].
Tab. 3: Anpassung einer Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten | |
INR <1,1 |
Neueinstellung |
INR 1,1 – 2 |
Steigerung der Wochendosis um 10 – 20% |
INR 2 – 3 |
Dosis beibehalten |
INR 3 – 3,9 |
Senkung der Wochendosis um 10 – 20% |
INR >4 |
Auslassen einer Dosis und Senkung der Wochendosis um 20% |
INR 5 – 9 ohne größere Blutung |
Entfall von 1 – 2 Dosen, evtl. Vitamin K1
1 – 2,5 mg p.o. |
INR >9 ohne größere Blutungen |
Pausieren und Gabe von Vitamin K1
5 – 10 mg p.o. |
Patienten mit größeren Blutungen |
Pausieren und Gabe von 10 mg Vitamin K1
langsam i. v., Wiederholung alle 12 Stunden sofern nötig |
Patienten mit lebensgefährlichen Blutungen |
Pausieren und Gabe von Prothrombin Komplex Konzentrat begleitet mit Vitamin K1 10 mg langsam i. v. |
Problematik der Vitamin-K-Antagonisten
Problematisch an der bisherigen Warfarin/Phenprocoumon Therapie sind stets:
das schmale therapeutische Fenster im INR-Bereich 2-3,
die schlechte Bioverfügbarkeit,
die starke Plasmaproteinbindung,
die Verstoffwechselung über CYP3A4 und CYP2C9 und somit das hohe Wechselwirkungspotenzial,
der VKORC1-Polymorphismus (Vitamin K epoxide reductase complex subunit 1) und
die schwankende Wirkung durch unterschiedlichen Vitamin-K-Gehalt der Nahrung.
Aufgrund dieser Problematik ergibt sich bei den Vitamin-K-Antagonisten die Besonderheit, dass viele Patienten trotz guter Compliance eine niedrige TTR haben, sich aber in Sicherheit wähnen. So sind Warfarin-Überdosierungen nach einer aktuellen Untersuchung für 42,3% der Krankenhauseinweisungen von älteren Patienten in den USA aufgrund von Medikamentennebenwirkungen verantwortlich. Warfarin ist hier also der mit Abstand problematischste Wirkstoff [14].
Die Suche nach sichereren Substanzen war also sinnvoll.
Bei Unfällen oder vor plötzlichen Operationen ist die Phenprocoumon-Wirkung zwar sofort aufhebbar, Vitamin K wird dazu aber kaum noch alleine eingesetzt, da es die Phenprocoumon-Wirkung nur langsam aufhebt (25 mg s.c. wirken nach 6 – 12 Stunden). Stattdessen wird FFP (fresh frozen plasma) oder PPSB (Prothrombinkonzentrat, Beriplex®) gegeben, das die Wirkung der Antikoagulation sofort aufhebt.
Die neuen oralen Antikoagulanzien (NOACs)
Wie schon erwähnt sind Rivaroxaban (Xarelto®, Bayer) und Dabigatran (Pradaxa®, Boehringer Ingelheim) von der EMEA und FDA für die Indikation Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei Vorhofflimmern (SPAF; stroke prevention in atrial fibrillation) zugelassen worden, bald wird wohl auch Apixaban (Eliquis®, Pfizer/Bristol-Myers-Squibb) nachziehen. Für Edoxaban (Lixiana®, Daiichi-Sankyo) steht die Zulassung aktuell ebenfalls noch aus, wird aber aufgrund der Zulassungstudien erwartet. Für Darexaban (Astellas) wurden die klinischen Studien hingegen abgebrochen und die weitere Entwicklung wurde eingestellt.
Die verschiedenen Substanzen verfügen dabei über pharmakologisch unterschiedliche Ansätze: Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban sind direkte Faktor-Xa-Inhibitoren, Dabigatran ist ein direkter Thrombin-Inhibitor.
Da die drei wohl bald zugelassenen Substanzen in der Effektivität gleichwertig oder besser als Warfarin sind, aber weniger Blutungen verursachen und kein Monitoring erfordern, gelten sie nach den großen Studien klinisch bereits jetzt als die prinzipiell besseren Wirkstoffe. Das Auftreten eines hämorrhagischen Schlaganfalles als Nebenwirkung der Antikoagulation reduziert sich unter den neuen Antikoagulanzien im Vergleich zu Warfarin sogar um fast die Hälfte. Auch die Leitlinien schwenken derzeit um oder werden die neuen Vertreter bei den nächsten Updates mit großer Wahrscheinlichkeit entsprechend berücksichtigen [7]. Trotz der zunächst höheren Medikationskosten wird erhofft, dass durch den Wegfall der Monitoring-Kosten und durch die geringeren Kosten von Komplikationsfolgebehandlungen die Gesamttherapiekosten nicht steigen. Warfarin ist ja, wie erwähnt, dasjenige Medikament mit der häufigsten Notfall- und Einweisungsquote. Valide Daten zur Kostenentwicklung nach Umstellung liegen aber noch nicht vor.
Die neuen Antikoagulanzien im Vergleich
Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban: für alle gilt, dass die Wirkung bei Vorhofflimmern (SPAF) im Vergleich zur Standardtherapie laut Studienlage gleichwertig bis überlegen ist. Mit den großen Studien RE-LY (Dabigatran), ROCKET-AF (Rivaroxaban), ENGAGE AF-TIMI 48 (Edoxaban) OPAL-2 (Darexaban) und ARISTOTLE (Apixaban) ist dieser Vergleich zu Warfarin auf hohem wissenschaftlichen Niveau erbracht worden. Somit dürfte wenig Interesse seitens der Hersteller an weiteren Studien bestehen. Ein direkter Vergleich der neuen Substanzen untereinander ist aufgrund der unterschiedlichen Studiendesigns nicht möglich, "Head-to-head"-Studien sind in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Daher versuchen derzeit zahlreiche Autoren, Referenten und Gesellschaften aus einem indirekten Vergleich der Studien Hinweise zu einer Bevorzugung einzelner Substanzen zu ziehen. Auffällig war dabei zuletzt die ESC (European Society of Cardiology) mit einem "position paper" [7], das Apixaban als zu bevorzugenden Wirkstoff mit höchstem Evidenzgrad für die Indikation Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern (SPAF) darstellt.
Der Teufel steckt im Detail
Will man indirekte Vergleiche ziehen, so muss man sich die Studien näher anschauen. Zunächst fällt auf, dass Rivaroxaban als einzige bereits zugelassene Substanz bei dieser Indikation nur "Nicht-Unterlegenheit" und nicht "Überlegenheit" zu Warfarin gezeigt hat, somit auf den ersten Blick schlechter abgeschnitten hat. Bei näherer Betrachtung erkennt man, dass schon die generellen Studienbedingungen hier ungünstiger waren, da das Studiendesign vorschrieb, dass das Medikament nach Studienende abgesetzt werden musste und die Zeit nach dem Absetzen mit in die Betrachtung einbezogen werden musste. Ein Vorgehen, das im Nachhinein übrigens völlig unverständlich scheint aber in vielen Vergleichen bislang unberücksichtigt blieb.
Betrachtet man dann den Erkrankungsgrad in Hinsicht auf die Therapie anhand des dafür vorgesehenen CHADS2-Scores (Tab. 4), der als Kriterium dafür gilt, ob eine Therapie mit einem Antikoagulans indiziert ist, so wundert man sich, dass die Studien zu Dabigatran und Apixaban Patienten mit einem durchschnittlichen CHADS2-Score von nur 2,1 rekrutiert haben, während die Studie zu Rivaroxaban Patienten mit einem CHADS2-Score von durchschnittlich 3,5 untersuchte. Patienten mit einem CHADS2-Score von 2,1 sind aber erst gerade antikoagulationsbedürftig, also in Bezug auf die Indikation SPAF gesehen als deutlich gesunder einzustufen, denn die Leitlinien empfehlen eine Antikoagulation erst ab einem CHADS2-Score von 2,0. Bis CHADS2-Score 1,9 überwiegen die Risiken einer Antikoagulation den Nutzen im Vergleich zu einer Thrombozytenaggregationshemmung/Anti-Plättchentherapie mit z. B. ASS (Aspirin®), Clopidogrel (Plavix®), Prasugrel (Efient®) oder Ticagrelor (Brilique®).
Tab. 4: CHADS2- und CHA2DS2VASc-Risiko-Score Der CHA2DS2VASc-Score setzt die Resultate neuerer Studien um, indem er weitere Risikofaktoren einbezieht. [Quelle: ESC-AF-Guidelines]
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Auch der zeitliche Ablauf spricht dafür, dass die Hersteller von Apixaban und Dabigatran hier aus der Rivaroxaban-Studie gelernt haben und ein möglichst günstiges Patientenkollektiv rekrutiert haben.
Bei anderen Indikationen und bei der Betrachtung des akuten Koronarsyndroms (ACS) schneidet Rivaroxaban trotz des teilweise ungünstigeren Studiendesigns besser ab, wenngleich ein Antrag auf beschleunigte Zulassung zur Behandlung von ACS von einem Expertengremium der FDA jüngst abschlägig beschieden wurde. Der Antrag auf Zulassung wird seitens des Herstellers nun aber weiter auf dem normalen Wege bestritten.
Ein weiterer Unterschied bei den Studiendesigns ist, dass bei ROCKET-AF in der Rivaroxaban-Vergleichsgruppe eine schlechtere "Time in Therapeutic Range"-Quote des Vergleichwirkstoffes Warfarins zugrunde gelegt wurde (55%) als bei den anderen Studien (62% bei der Apixaban-Studie, bzw. 64% bei der Dabigatran-Studie). Die schlechtere TTR entspricht zwar dem globalen Durchschnitt eher, trifft aber z. B. nicht auf Deutschland oder die USA zu. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Rivaroxaban gegen ein schlechter eingestelltes Warfarin-Patientenkollektiv getestet wurde als dies bei den anderen beiden Wirkstoffen der Fall war.
Die kinetischen Daten lassen bei Rivaroxaban den theoretischen Nachteil einer sehr hohen Plasmaeiweißbindung erkennen, die sehr hohe Bioverfügbarkeit von bis zu 100% ist hingegen von Vorteil. Bei den anderen Substanzen ist es genau umgekehrt.
Resultat des Studienvergleichs
Bei detaillierter Betrachtung erkennt man also, dass die Studiendesigns in den entscheidenden Parametern völlig unterschiedlich sind. Ob der Nachteil der deutlich kränkeren Probanden aus der Rivaroxaban-Studie – die dann auch noch zeitweise ganz ohne Antikoagulation waren – den Vorteil im Studiendesign, dass die Kontrollgruppe hier schlechter eingestellt war, insgesamt wieder ausgeglichen hat, kann nicht berechnet werden.
Dabigatran, Rivaroxabon und Apixaban sollten in der Indikation "Schlaganfall-Prophylaxe bei Vorhofflimmern" aus Sicht der klinischen Pharmazie folglich zunächst als klinisch gleichwertig betrachtet werden. Dieser Einschätzung folgen inzwischen auch andere Autoren, die sich mit einem Vergleich beschäftigt haben [8].
Subgruppen
Für Rivaroxaban spricht derzeit aufgrund der Studienlage lediglich ein bevorzugter Einsatz bei SPAF-Patienten mit zusätzlichem ACS sowie ein möglicher Compliance-Vorteil der einmal täglichen Gabe im Vergleich zur 2 x täglichen Gabe von Dabigatran und Apixaban. Für Krankenhäuser mit einer engeren Medikamentenliste ist möglicherweise das derzeit breitere Indikationsspektrum von Rivaroxaban ein praktischer Vorteil.
Patientenschulung
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Literatur
Autor
Apotheker Olaf Rose, PharmD, rose@elefantenapo.de
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