- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 28/2012
- "Mach bloß keine ...
Seite 3
"Mach bloß keine Apotheke auf!"
Jedes Jahr bringen wieder zahlreiche Pharmaziestudierende ihr praktisches Jahr zu Ende, absolvieren den 3. Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung und stehen dann vor der Wahl: In die öffentliche Apotheke oder doch lieber in die Pharmaindustrie? Oder in eine Krankenhausapotheke? Sollte man vielleicht an der Uni bleiben, um zu promovieren, oder wäre auch ein Arbeitsplatz in einer Behörde oder in einer staatlichen Arzneimitteluntersuchungsstelle interessant? Oder gar zur Bundeswehr? Oder sollte man sich eine Nische suchen, beispielsweise als Lehrkraft an PTA-Schulen oder bei Medieneinrichtungen wie Fachverlagen oder Sendern? Für Studierende, die aus einem Apothekerhaus kommen, ist die Antwort in der Regel einfach: ab in den elterlichen Betrieb.
Und alle anderen haben die Qual der Wahl. Es entscheiden Neigung, Eignung, Ansprüche an Gehalt – und freie Plätze.
Früher war die Hauptrichtung klar: Die meisten, die Pharmazie studierten, hatten an erster Stelle den Berufswunsch, in der öffentlichen Apotheke zu arbeiten, die Mehrzahl als angestellte Apotheker(innen). Viele strebten jedoch danach, eine eigene Apotheke zu führen. Noch vor 30 Jahren war dies kein Thema, die Banken finanzierten großzügig und die Großhandlungen halfen mit. Auch nach der Wiedervereinigung gab es Chancen: der Bedarf an neuen Apotheken in den östlichen Bundesländern war groß, hier musste man sich kaum Sorgen machen, die Kredite nicht bedienen zu können und dabei ein auskömmliches Einkommen zu haben.
Vorbei. Die weißen Stellen auf der Deutschlandkarte, die offen sind für eine Apotheke mit Erfolgsaussicht, sind so gut wie nicht mehr vorhanden und wenn, dann in Gebieten, in denen sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Solche Stellen könnte es in Zukunft sogar wieder häufiger geben, wenn die Landflucht der Ärzte anhält und Apotheken auf dem Land schließen müssen. Denn ohne Ärzte läuft auch keine Apotheke, erst recht nicht auf dem Land. Wie gut oder schlecht es heute den Landapotheken geht, zeigt unser Wirtschaftsbeitrag (s. S. 60).
Und heute, welcher Arbeitsplatz steht bei frischgebackenen Pharmazeutinnen und Pharmazeuten an erster Stelle? Bei Studienabgängern, von denen bis zu 70 Prozent Frauen sind? Eine gemeinsame Online-Umfrage des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden und der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft Ende letzten Jahres zeigt den Trend: Nur noch rund 28 Prozent geben den Berufswunsch "öffentliche Apotheke" an, gleich gefolgt von etwa 26 Prozent, die später in der Pharmaindustrie arbeiten möchten. Auf Platz drei (rund 20 Prozent) steht der Wunsch, an einer Universität zu arbeiten, zu promovieren oder in der Forschung tätig zu sein. Dies deckt sich auch mit meinen Erfahrungen, wenn ich mich mit Pharmaziestudierenden unterhalte: Die öffentliche Apotheke als seligmachende Arbeitsstätte für Pharmazie-Novizen und -Novizinnen hat ausgedient. "Mach bloß keine Apotheke auf" – ein Ratschlag, den die jungen Apothekerinnen und Apotheker immer häufiger von älteren Niedergelassenen erhalten.
Kein Wunder angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage, in der viele Apotheken heute stecken. In einer Zeit, in der wöchentlich vier Apotheken schließen – solche Meldungen mehren nicht gerade die Lust, sich mit einer Apotheke nieder- und sich auf das Abenteuer eigene Apotheke einzulassen. Der Markt ist gesättigt. Politik und Öffentlichkeit senden das Signal aus, wir haben genug Apotheken. Das kommt auch beim Nachwuchs an.
Und es kommt auch an, dass die Arbeit in der öffentlichen Apotheke nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig ist. Die zunehmende Bürokratie, AMNOG, Rabattverträge – das beschert im Alltag wenig Freude – "mit Pharmazie hat das wenig zu tun", so der landläufige Tenor. Die moderne Pharmazie, bei der der Patient im Mittelpunkt steht, bei der sich der Apotheker auf einer Stufe mit dem Arzt um die Arzneimitteltherapie kümmert, wird im Apothekenalltag kaum noch gefordert. Das soll jetzt nicht miesepetrig klingen. Der Apothekerberuf kann ein sehr schöner und erfüllender Beruf sein. Aber es gehört viel Eigenmotivation dazu, die pharmazeutische und schöne Seite des Berufs zu leben.
"Mach bloß keine Apotheke auf" – dieser Ratschlag mag ein Stück weit seine Berechtigung haben. Es sollte allerdings auf keinen Fall mit der Überlegung verwechselt werden, ob man heute noch Pharmazie studieren sollte. Hier dürfte die Empfehlung in ein eindeutiges Ja münden. Das Pharmaziestudium ist ein hochspannendes und interessantes Studium. Pharmazeutisches Fachwissen wird auch in Zukunft gefragt sein – man denke nur an die demografische Entwicklung in Deutschland. Wir brauchen Apothekerinnen und Apotheker, gerade für den Erhalt der bestehenden Apotheken. (Es gibt auch Apotheken zu kaufen.) Außerdem: einem Pharmazeut steht eine Vielfalt anderer Tätigkeitsbereiche (siehe oben) offen – mit viel Freude an der Pharmazie.
Peter Ditzel
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.