DAZ aktuell

Bundessozialgericht billigt Ausschlussfrist in ALV

Keine Bedenken gegen Retaxation wegen verfristeter Abrechnung

KASSEL (ks). Rückschlag für Apotheker: Das Bundessozialgericht (BSG) hat letzte Woche eine Retaxation der AOK Niedersachsen bestätigt. Der von der Kasse in Anspruch genommene Apotheker hatte die im niedersächsischen Arznei-Liefervertrag (ALV) vorgesehene zweimonatige Frist zur Rechnungslegung überschritten. Dass dies zu einer Retaxation auf Null führen sollte, hielt er für unverhältnismäßig. Das Landessozialgericht gab ihm in der Vorinstanz recht: Die Rechnungslegungsfrist des ALV verstoße gegen höherrangiges Recht. Die Kasseler Richter sahen dies jetzt anders. (Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. Juli 2012, Az.: B 1 KR 16/11 R)

Der klagende Apotheker hatte am 2. Mai 2007 Arzneimittel an Versicherte der beklagten AOK auf Rezept abgegeben. Über sein Rechenzentrum stellte er der Kasse im August 2007 für diese Arzneimittel 1429,17 Euro in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung umgehend, beanstandete sie aber am 2. April 2008 wegen Versäumung der Abrechnungsfrist. Denn § 8 Abs. 1 des ALV bestimmt: "Die Rechnungslegung sowie die Weiterleitung der Original-Verordnungsblätter erfolgt jeweils für einen abgeschlossenen Kalendermonat ... bis spätestens zwei Monate nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte. ... Andernfalls entfällt der Anspruch auf Bezahlung."

Der Kläger hielt die Verfristung der Abrechnung für unverhältnismäßig – daher sah er seinen Zahlungsanspruch noch nicht verlustig gegangen. Doch sein Einspruch nutzte nichts, die AOK rechnete den zunächst gezahlten Betrag mit späteren Forderungen auf. Seine Klage beim Sozialgericht blieb erfolglos. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) verurteilte die Kasse dagegen, dem Kläger 1429,17 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Es hielt die vertraglich geregelte Ausschlussfrist für verfassungswidrig, da sie keine Ausnahmetatbestände vorsieht.

Das BSG entschied nun in letzter Instanz anders. Es änderte auf die Revision der AOK das LSG-Urteil ab und wies die Berufung des Klägers gegen die Entscheidung des Sozialgerichts insgesamt zurück. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Im Terminbericht der Kasseler Richter heißt es jedoch, das LSG habe die Beklagte zu Unrecht zur Rückzahlung an den Apotheker verurteilt. Der zunächst bestehende Vergütungsanspruch sei infolge der nicht fristgerecht eingereichten Abrechnung erloschen. Die maßgebliche Norm des ALV sei eine "klare vertragliche Regelung", die aufgrund hinreichender gesetzlicher Ermächtigung wirksam eine Ausschlussfrist für verfristete Abrechnungen begründe. Sie stehe bei gebotener Auslegung auch mit höherrangigem Recht in Einklang. So genüge sie den Anforderungen an Berufsausübungsregelungen, da sie auf vernünftigen Gründen des Gemeinwohls beruhe, nämlich dem allseitigen Interesse an einem reibungslosen Ablauf der Arzneimittelabrechnung. Damit sei sie grundsätzlich angemessen. Schließlich könne sich der Apotheker professioneller Abrechnungsstellen bedienen, um alle notwendigen Informationen zu erhalten, die Risiken abzusichern und seine Verpflichtungen zu erfüllen. Auch greife der Ausschluss erst nach einer hinreichend langen Zeit.

Allerdings räumt das BSG ein: Eine Berufung auf die Ausschlussfrist sei dann rechtsmissbräuchlich, wenn sich Risiken verwirklichen, für die der Betroffene keine hinreichende Vorsorge treffen könne. Diese Einschränkung bedürfe aber keiner ausdrücklichen Regelung. Und vorliegend habe sich der Kläger ohnehin nicht auf derartige Gründe gestützt, sondern insbesondere auf Fehler seines Personals bzw. des von ihm beauftragten Rechenzentrums.

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