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"Die schwarze Null gerade noch übertroffen"
Bereits in seiner Begrüßung schlug der Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Funke kritische Töne an. "Gerne hätte ich bei meiner letzten Vertreterversammlung zu einem strahlenden Vorstandsvorsitzenden und zu blendenden Zahlen im Geschäftsbericht 2011 übergeleitet." Wie auch bei den Apotheken hätten staatliche Eingriffe im Rahmen des AMNOG trotz frühzeitiger Kostensenkungsmaßnahmen auch bei der Sanacorp ein unbefriedigendes Ergebnis zur Folge gehabt. Mit Blick auf seine 18-jährige Tätigkeit relativierte Funke die tagesaktuellen Sorgen dennoch: "Es geht immer auf und ab. Staatliche Eingriffe, Marktverschiebungen und Wettbewerbsexzesse machen das Leben immer wieder anspruchsvoll, aufregend, interessant und zu einer ständigen Herausforderung."
Bei allen Sorgen und Nöten wusste der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende immer ein Management hinter sich, das mit unternehmerischem Geschick und mit pharmazeutischem Einfühlungsvermögen diverse Untiefen erfolgreich umschiffte. Dazu gehörten auch Entscheidungen einer Vertreterversammlung, die "betriebswirtschaftliche Zwänge gegen genossenschaftliche Erwartungen abwägen konnte". In diesem Jahr zeigte sich erneut, dass das gute Ergebnis der französischen Partnergenossenschaft Astera S.A. ausgleichend auf die Geschäftszahlen wirkte, "wobei ich sicher bin, dass die Risiken auf Dauer nicht nur allein in Deutschland liegen", sagt Funke. Er wünschte sich zum gegenseitigen Nutzen noch stärkere Synergieeffekte – ein gewichtiges Argument vor dem Hintergrund der europäischen Finanzkrise.
Doch zurück nach Deutschland: Die Konkurrenz schläft nicht, und so setzt Sanacorp noch stärker auf Service, Leistungsfähigkeit und Vertrauen. "Hier können sich unsere Angebote sehen lassen", so Funke, "aber es wird immer wichtiger, diesen Nutzen im Unterschied zu anderen Wettbewerbern deutlich zu machen, nämlich unser Bild als das einer von uns selbst bestimmten Genossenschaft in der Öffentlichkeit, den Medien und den Gremien unseres Berufs zu schärfen."
Genossenschaften: "Gesellschaftliche und wirtschaftliche Stütze"
Dieses Thema griff Dr. Herbert Lang, Vorsitzender des Vorstands, ebenfalls auf. Von den Vereinten Nationen wurde 2012 zum Jahr der Genossenschaften erklärt: eine angemessene, ohnehin längst überfällige Würdigung, "erweisen sich Genossenschaften gerade in schwierigen Zeiten als krisenresistent und bilden eine sichere gesellschaftliche und auch wirtschaftliche Stütze". Lang stellte wichtige Vorteile dar, nämlich die Chance, Eigeninitiative zu zeigen und zugleich Existenzgrundlagen zu erwirtschaften. "Deshalb bin ich – wie Sie auch – von dieser Organisationsform absolut überzeugt."
AMNOG und frühe Nutzenbewertung
Doch selbst die nicht am Shareholder Value orientierten Genossenschaften hatten schwere Monate hinter sich. Branchenweit wuchs der Umsatz des deutschen Pharmagroßhandels in 2011 nur marginal um 0,4 Prozent. Ursächlich für diese Stagnation waren der erhöhte Herstellerabschlag sowie das noch bis 2013 geltende Preismoratorium.
Auch für die Sanacorp war 2011 ein schweres Jahr, allein schon durch die erste Stufe des AMNOG und seine Auswirkungen auf die Gesundheitsbranche. Sowohl Apotheken als auch Großhändler mussten Belastungen von jeweils 200 Millionen Euro schultern. Der von 1,75 Euro auf 2,05 Euro erhöhte Kassenabschlag wirkte sich direkt auf die Ertragslage der Apotheken aus. Beim Großhandel reduzierte der 0,85-prozentige Zwangsabschlag auf den Abgabepreis die Margen. Lang: "So konnte der politisch gewünschte Spareffekt von insgesamt 400 Millionen Euro auch tatsächlich erreicht werden. Ein Betrag, geboren aus politischer Willkür und entgegen jeder vernünftigen Abwägung." Dass der Pharmagroßhandel eine Belastung von 200 Millionen Euro dauerhaft nicht aus eigener Kraft tragen kann, habe die Regierung billigend, "ich würde sogar sagen ganz bewusst" in Kauf genommen. Langs Fazit: "Die Folgen des AMNOG waren in ihrem Ausmaß politisch durchaus gewollt – von Anfang an."
Die Einführung von höherpreisigen, innovativen Arzneimitteln wurde durch die Nutzenbewertung ebenfalls erschwert. Einige Neueinführungen haben den Markt unter geänderten Rahmenbedingungen zumindest in Deutschland gar nicht mehr erreicht, siehe Trobalt (Retigabin) und Trajenta (Linagliptin). "Eine Gesundheitspolitik, die Innovationen in Deutschland be- oder besser gesagt verhindert, halte ich persönlich für äußerst bedenklich", kritisiert Lang. Dass es mittlerweile erfolgreiche Abschlüsse gebe, dürfe über das Grundproblem, nämlich eine "institutionalisierte Innovationsbremse für den Pharmamarkt Deutschland", nicht hinwegtäuschen.
"Die schwarze Null gerade noch übertroffen"
Entsprechende Einschnitte blieben nicht ohne Konsequenz. "Da sinkende Erträge nur durch mehr Umsatz kompensiert werden können, hat der Wettbewerb im Großhandel dazu geführt, dass wir in 2011 ein Konditionsniveau hatten, das wir uns betriebswirtschaftlich schlichtweg nicht leisten konnten", stellt Lang klar. Bei der Sanacorp Pharmagroßhandel GmbH sank der Umsatz in 2011 verglichen mit dem Vorjahr um rund 80 Millionen Euro (minus zwei Prozent). Auch die Rohertragsquote erreichte mit 5,39 Prozent einen historischen Tiefstand. Das Resultat vor Zinsen und Steuern (EBIT) hat sich fast halbiert. Dazu Dr. Herbert Lang: "Als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in 2011 haben wir operativ mit 1,5 Millionen Euro für das Gesamtjahr die schwarze Null gerade noch übertreffen können." Das entspricht einer Umsatzrendite von 0,04 Prozent.
Den Gürtel enger geschnallt
Rote Zahlen ließen sich nur umgehen, weil Sanacorp bereits in 2010 ein Kostensenkungsprogramm inklusive Investitionsstopp aufgelegt hat, das in 2011 konsequent fortgesetzt wurde – mit einem Gesamtvolumen von knapp zwölf Millionen Euro allein im letzten Jahr. "Weitere Einsparungen hätten zwangsläufig dazu geführt, dass wir Leistungen Ihnen gegenüber nicht mehr auf einem wettbewerbsfähigen Niveau hätten halten können", gibt der Vorsitzende des Vorstands zu bedenken. Addiert man zwölf Millionen Euro aus Einsparungen zu den elf Millionen Euro, um die sich das operative Geschäft verringert hat, lässt sich der vom AMNOG verursachte Schaden quantifizieren. Lang stellt klar: "Diese 23 Millionen Euro wurden aber nicht, entgegen anders lautenden Veröffentlichungen, einfach an Apotheken weitergegeben. Wir haben vielmehr versucht, durch einen dramatischen, teils sehr schmerzhaften Sparkurs, die Auswirkungen auf unsere Mitglieder und Kunden so lange wie möglich abzufedern." Wäre der Vorstand im Oktober nicht aktiv geworden, hätte das ganze Geschäftsjahr mit Verlust abgeschlossen werden müssen. Dahinter verbirgt sich viel mehr ein politisches als ein betriebswirtschaftliches Problem.
Forderung an den Gesetzgeber
"Mit meinen Ausführungen möchte ich keineswegs davon ablenken, dass Apotheken massiv unter den Auswirkungen des AMNOG zu leiden hatten und auch weiterhin zu leiden haben", so Lang. Der vollsortierte Pharmagroßhandel und die Apotheken bräuchten nachhaltig angemessene Erträge, um auch in Zukunft ihre wichtige Funktion bei der Arzneimitteldistribution und bei der Versorgung der Bevölkerung ausüben zu können. Seine Botschaft an die Bundesregierung: "Wer sich zu der in Deutschland hohen Versorgungsqualität bekennt, und das tun ja die gewählten Volksvertreter sehr gerne publikumswirksam, der muss auch für eine angemessene Vergütung sorgen." Auch aus Sicht der Sanacorp ist eine Anpassung der Apothekenhonorare längst überfällig, nicht nur aufgrund immenser Überschüsse diverser Krankenkassen. Lang: "Wir unterstützen daher mit allem Nachdruck die Forderung Ihrer Standesvertretung hinsichtlich einer Anpassung der Apothekenvergütung. Es muss jedem einleuchten, dass man bei Kosten von heute und einem Honorar von vor acht Jahren keine solide, wirtschaftliche Basis mehr haben kann." Ohne Apotheken, aber auch ohne Großhändler könne die Versorgungsqualität nicht erhalten werden. Kritische Worte fand der Vorstandsvorsitzende hinsichtlich diverser Versuche, einen Keil zwischen Partner zu treiben: "Es kann und darf nicht sein, dass dirigistische Maßnahmen im Rahmen der Arzneimitteldistribution die existenzielle Beziehung von Apotheken und Großhandel infrage stellen."
Keine Abstriche bei der Qualität
Trotz aller Einsparungen und Veränderungen sind für den Vorstand Abstriche bei der Qualität indiskutabel: "Arzneimittellogistik ist eine äußerst wichtige und sensible Aufgabe, die nur wenig Raum für Fehler oder schlechte Qualität zulässt." Deshalb hat die Geschäftsführung bereits im vergangenen Jahr mehrere Initiativen gestartet. An einzelnen Standorten wurden beispielsweise Kundenumfragen durchgeführt. Für 2012 sind Ausweitungen auf alle 16 Niederlassungen geplant. Aus den Ergebnissen erhofft sich Sanacorp Erkenntnisse über ihren regionalen Leistungsstand. Im Bereich der Kundenbetreuung durch Außendienst-Mitarbeiter sollen zudem einheitliche Mindeststandards, etwa hinsichtlich der Betreuungsfrequenz oder der Konzeptunterstützung, geschaffen werden. Hinzu kommt eine Zertifizierung der Niederlassungen nach ISO 9001 sowie ein neuer Bereich "Lieferkettenmanagement", um Anforderungen der Kundenseite noch besser als bisher zu erfüllen.
Konditionsmodell auf dem Prüfstand
Nicht die einzige Herausforderung: In Zusammenhang mit der nächsten Stufe des AMNOG musste Sanacorp das Konditionsmodell an neue, regulatorische Bedingungen anpassen. Der Gesetzgeber schreibt vor, maximal 3,15 Prozent, also den variablen Teil des Pharmagroßhandelszuschlags, als Rabatt an Apotheken weiterzugeben. Ansonsten bekommt der Großhandel eine nicht rabattierbare Vergütung in Höhe von 70 Cent je Packung. Lang: "Das neue Konditionsmodell der Sanacorp hat zwei wesentliche Merkmale: Einerseits orientiert sich die Einstufung unserer Kunden am persönlichen Bezugsverhalten, nicht an einer zentral vorgegebenen Standardgröße. Zum anderen fördert und honoriert unser Modell die Bündelung des Einkaufs bei der Sanacorp und bietet eine Alternative zum Direktbezug." Über einen Packungswert-Ausgleich belohne man treue Kunden und verhindere Rosinenpickerei.
Planungssicherheit für 2012?
Und so äußerte sich Lang angesichts des ersten Quartalsergebnisses aus 2012 vorsichtig optimistisch: "Zum einen zeigt es, dass wir mit dem Konditionsmodell im Markt angekommen sind. Zum anderen greifen die internen Maßnahmen zur Kostensenkung." Auch das Restrukturierungsprojekt zeige erste Auswirkungen. Eine Verbesserung der ökonomischen Grundlagen von staatlicher Seite erwartet jedoch niemand. Lang: "Für den deutschen Pharmagroßhandelsmarkt können wir nur hoffen, dass die jetzt geltenden Rahmenbedingungen zumindest eine Zeit lang Bestand haben werden, um wieder eine gewisse Planungssicherheit zu erreichen und die Investitionspolitik langfristig ausrichten zu können."
Weichenstellungen für die Zukunft
Wichtige, langfristige Entscheidungen nahmen auch Kolleginnen und Kollegen der Vertreterversammlung vor. Beschlossen wurde eine Verkleinerung dieses Gremiums von derzeit 255 auf 160 Vertreter. Nach langer, kontroverser Diskussion gelang es ebenfalls, Dividenden neu zu regeln. Aktive, kaufende Mitglieder werden künftig stärker am Unternehmenserfolg beteiligt. Sie sollen 60 Prozent der Ausschüttung erhalten. Als Grenze ist ein Jahresumsatz von 400.000 Euro vorgesehen. Einige Mitglieder der Vertreterversammlung befürchteten, dies könne zur Kapitalflucht führen, was Dr. Herbert Lang entschieden bestritt: Schließlich habe es jede Apothekerin und jeder Apotheker selbst in der Hand, durch das eigene Bezugsverhalten Dividenden zu beeinflussen. Lang bewertet die geänderte Staffelung als Möglichkeit, neue, engagierte Apotheker für die Sanacorp zu akquirieren.
Keine Überraschung war hingegen die Wahl von Dr. Matthias Schneider als neuem Aufsichtsratsvorsitzenden. Der Apothekeninhaber aus Dillingen löst Jürgen Funke ab, der altersbedingt ausscheidet.
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