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DAZ aktuell
Vieles kam zur Sprache, nur das Apothekenhonorar nicht
Auch wenn das Apothekenhonorar am vergangenen Montag im Ausschuss nicht zur Sprache kam: Aus der Union kam das Signal, dass sich die Koalition mit dieser Frage auseinandersetze und noch bis zur Sommerpause zu einem Ergebnis kommen wolle. Allzu viel Zeit bleibt damit nicht mehr, die letzte Juniwoche ist auch die letzte Sitzungswoche des Parlamentes vor der Sommerpause. Doch auch abseits der Apothekenvergütung hält die von der Bundesregierung geplante Novelle des Arzneimittelrechts viele Neuerungen parat, die Apotheken betreffen.
Deutsches Preisrecht auch für ausländische Versender
So will die Regierung ausdrücklich auch ausländische Versandapotheken, die nach Deutschland liefern, der Arzneimittelpreisverordnung unterwerfen. Dies gefällt den deutschen Apotheken, die auf gleich lange Spieße hoffen. Die Vertreter der ausländischen Versender – namentlich der Europäische Versandapothekenverband EAMSP, zu dessen sieben Mitgliedern DocMorris und die Europa Apotheek zählen – sehen dies naturgemäß anders. Sie argumentieren, dass von einer solchen Änderung vor allem Schwerkranke und Chroniker betroffen wären. Sie verlören Wahl- und Kostensparmöglichkeiten. Der juristische Berater des Verbandes, Thomas J. Diekmann – bekannt als einstiger DocMorris-Rechtsvertreter im Verfahren zum deutschen Fremdbesitzverbot vor dem EuGH – machte in der Anhörung zudem europarechtliche Bedenken geltend. Unterstützung für die ausländischen Versender kam vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Susanne Mauersberg betonte, es gebe alternative Möglichkeiten gegen das bestehende Ungleichgewicht vorzugehen. Sie schlug vor, dass es allen Apotheken erlaubt sein sollte, Rabatte zu gewähren. Dies ginge beispielsweise über die Einführung von Höchstpreisen für Arzneimittel.
Null-Retax: Gesetzliches Verbot erforderlich?
Thematisiert wurden auch Null-Retaxationen von Krankenkassen. Die Union hatte in ihrem Positionspapier zur AMG-Novelle erklärt, angesichts der "inakzeptablen" Fälle zu Beginn dieses Jahres sei eine gesetzliche Klarstellung anzustreben. Für einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen reichte es bislang allerdings nicht. In der öffentlichen Anhörung fragte der CDU-Abgeordnete Michael Hennrich nach, ob die Probleme nun gelöst seien. ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz bejahte dies mit Einschränkung. Tatsächlich einigten sich Kassen und Apothekerverbände in Nordrhein-Westfalen im Arzneimittelliefervertrag, dass Retaxationen nur noch bis zur Höhe des tatsächlichen wirtschaftlichen Schadens der Krankenkasse erlaubt sind. Schmitz verwies jedoch auf die schwierigen Debatten, die hierfür mit den Kassen geführt werden mussten. Denn es gibt zwei Wege, Null-Retaxationen ein Ende zu bereiten: vertraglich durch die Selbstverwaltung oder eben gesetzlich. Um langwierige Diskussionen um etwaige Vertragsänderungen künftig zu vermeiden, wäre es für Schmidt daher die bessere Lösung, wenn der Gesetzgeber tätig wird. Antje Haas vom GKV-Spitzenverband betonte hingegen, dass sie keinen Bedarf für eine gesetzliche Regelung sehe. Sie ist überzeugt, die Selbstverwaltung der Kassen und Apotheker könnten hier vertragliche Lösungen finden.
Ähnlich stellten sich die Auffassungen von ABDA und GKV-Spitzenverband bei der geplanten Lockerung der Substitutionspflicht dar. Ein Änderungsantrag sieht vor, dass die Vertragspartner des Rahmenvertrages – DAV und GKV-Spitzenverband – vereinbaren können, in welchen Fällen verordnete Arzneimittel, bei denen der Arzt die Substitution nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat, nicht ausgetauscht werden dürfen. Das können bestimmte Anwendungsgebiete (z. B. Epilepsie) sein oder Arzneimittel, bei denen es zur Gewährleistung der medizinischen Versorgung sachgerecht ist, dass kein Austausch stattfindet (z. B. starke BtM-Schmerzmittel). Schmitz begrüßte den Ansatz der Regierungskoalition ausdrücklich. Dagegen erklärte der Vize-Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, er sehe keinen Handlungsbedarf. Derartige Ausschlüsse ließen sich auch ohne gesetzgeberische Vorgaben im Rahmenvertrag aushandeln.
Plädoyer für Rx-Versandverbot
Auch das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln war Thema der Anhörung. Ein entsprechender Antrag der Linksfraktion wurde zusammen mit der AMG-Novelle abgehandelt – überdies hatte sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur AMG-Novelle für ein Rx-Versandverbot ausgesprochen. Die Bundesregierung wischte die Empfehlung der Länder allerdings vom Tisch. Dem als Einzelsachverständigen geladenen Juristen Prof. Dr. Hilko J. Meyer greift die schlichte Begründung dieser Zurückweisung zu kurz. Er findet, die Regierungsfraktionen machen es sich zu einfach, wenn sie darauf verweisen, eine Einschränkung des Arzneimittelversandhandels auf rezeptfreie Arzneimittel verstoße gegen die Berufsausübungsfreiheit und sei daher verfassungswidrig.
Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Einschränkung der Berufsfreiheit stehen Meyer zufolge einem Verbot nicht im Weg. Die Karlsruher Richter hätten schon andere weitreichende Einschränkungen aus Gründen des Gesundheitsschutzes zugelassen. Voraussetzung sei, dass ein Wirkzusammenhang dargestellt werden könne. Und dies macht für Meyer keine Probleme: Es sei z. B. klar, dass die Zulassung des Versandhandels zu einem vermehrten Auftreten von Arzneimittelfälschungen geführt habe. Der Internethandel sei "das Einfallstor" für Fälschungen – dies sei Verbrauchern ebenso bewusst wie den Strafverfolgungsbehörden. Ebenso klar sei, dass der Versandhandel zu einer Trivialisierung des Arzneimittels führe. Dies zeige sich auch in der zunehmenden Einbettung von Arzneimitteln in Drogeriemärkte, die aus Meyers Sicht zu einer Aushöhlung der Apothekenpflicht führt. Auch die Beratung – deren Bedeutung gerade durch die neue Apothekenbetriebsordnung gestärkt wurde – könne von einer Versandapotheke niemals so geleistet werden wie von einer Vor-Ort-Apotheke. All dies könne zu erheblichen Gesundheitsgefahren führen. Für Meyer gibt es zahlreiche Gründe, die für ein Rx-Versandverbot sprechen. Letztlich müssten dies ohnehin nicht Verfassungsjuristen, sondern die Abgeordneten klären.
Vertraulichkeit von Erstattungspreisen bleibt umstritten
Breiten Raum nahm die von den Arzneimittelherstellern geforderte Vertraulichkeitsklausel bei den Preisverhandlungen ein. Obwohl der erwartete Antrag der Regierungsfraktionen dazu noch nicht vorliegt, eröffnete CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn die Diskussion und bot dem Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) Gelegenheit, ausführlich seine Argumente darzulegen. Dieser verwies darauf, dass in über 30 Ländern bei den dortigen Preisverhandlungen direkt oder indirekt Bezug auf die deutschen Preise genommen werde. Dadurch bestehe das Risiko einer "Abwärtsspirale" und von "Ausstrahleffekten". Widerspruch gab es wie zu erwarten vom GKV-Spitzenverband. "Warum geben sie uns nicht die Zeit, erst die Erfahrungen zu sammeln", fragte Verbandsvize Stackelberg. Das AMNOG wirke gut. Es gebe keinen Anlass, um im "Vorgriff auf vermutete Erfahrungen" schon jetzt Korrekturen vorzunehmen. Beim Gemeinsamen Bundesausschuss fordere der vfa mehr Transparenz, wolle aber bei den eigenen Preisen Vertraulichkeit durchsetzen, so Stackelberg, der darin einen Widerspruch sah.
Unstimmigkeiten zum Thema Vertraulichkeit in der Regierungskoalition verdeutlichte für die FDP Heinz Lanfermann mit seiner Frage an die Privaten Krankenkassen. Die PKV sehe in einer Vertraulichkeitsklausel einen Nachteil für die Privatversicherten. Diese müssten entweder höhere Preise nach der Lauer-Taxe zahlen oder in einem bürokratischen Verfahren über das Abrechnungssystem Zesar die tatsächlichen Verhandlungspreise nachberechnen. Zesar habe sich schon bislang nicht bewährt mit der Folge, dass die PKV bei der Arzneimittelabrechnung mit den Herstellern auf 34 Millionen Euro Außenständen sitze. Wie die Koalition am Ende das Thema Vertraulichkeit entscheiden wird, blieb in der Anhörung offen.
Im Zentrum der AMG-Novelle steht eigentlich die Umsetzung der EU-Richtlinie gegen das Eindringen von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette sowie der Vorgaben aus Brüssel zur Pharmakovigilanz. Überdies soll das Heilmittelwerbegesetz der europäischen Rechtsprechung angepasst werden. In ihren Grundzügen stößt sie damit bei Verbänden und Einzelsachverständigen auf Zustimmung – Detailkritik schließt dies allerdings nicht aus. Am 27. Juni steht die abschließende Beratung der AMG-Novelle im Gesundheitsausschuss an. Bis dahin bleibt noch Zeit für Diskussionen. Dann muss die Regierungskoalition, so sie denn Handlungsbedarf sieht, ihre letzten Änderungsanträge vorlegen.
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