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Fortbildung
Individualisierung in der Tumortherapie
Ein Paradebeispiel der zielgerichteten Tumortherapie ist die Behandlung der chronisch myeloischen Leukämie (CML) mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib. Der chronisch myeloischen Leukämie liegt eine bestimmte Chromosomentranslokation zugrunde, die zu einer gesteigerten Tyrosinkinase-Aktivität und zum Verlust regulierender Zellproliferations- und Differenzierungssignale führt. Ein entscheidender Fortschritt in der Therapie der Erkrankung bestand in der Entwicklung spezifischer Wirkstoffe, die die pathologisch aktivierte Tyrosinkinase hemmen. Der erste therapeutisch eingesetzte Tyrosinkinase-Hemmer war Imatinib (Glivec®), der 2001 zugelassen wurde. Die Therapie mit Imatinib hat die Prognose einer früher sehr bedrohlichen Erkrankung deutlich verbessert. Die CML kann durch Imatinib zwar nicht geheilt, wohl aber das Onkogen mit großem Erfolg gehemmt werden. Aus diesem Beispiel können folgende Schlüsse gezogen werden: Damit Signaltransduktionswege erfolgreich inhibiert werden können, müssen die Knotenpunkte (driver mutations) bekannt sein, die Hemmung des Signalwegs muss für die Tumorzelle wichtiger sein als für die normale Zelle und es dürfen keine Parallelwege vorliegen, auf welche die Tumorzelle ausweichen kann.
Die Entwicklung von EGFR-Inhibitoren zur Therapie des Lungenkarzinoms erfuhr manche Rückschläge, bis diejenigen Patienten erkannt wurden, die auf eine zielgerichtete Behandlung ansprechen. Die Auswertung der Studien hatte gezeigt, dass folgende Faktoren auf ein Ansprechen der Therapie mit EGFR-Inhibitoren (Gefitinib [Iressa®], Erlotinib [Tarceva®]) hinweisen: weibliches Geschlecht, asiatische Herkunft, Nicht-Raucher und das Vorliegen eines Adenokarzinoms. Diese Subgruppen-Analyse gab zunächst Rätsel auf, bis sich gezeigt hatte, dass bei diesen Patienten besonders häufig aktivierende Mutationen am EGF-Rezeptor vorliegen. Das Fazit: Es müssen diejenigen Patienten im Vorfeld erkannt werden, die wahrscheinlich auf eine bestimmte Therapie ansprechen, bzw. bei denen ein bestimmter aktivierender Mutationsstatus vorliegt. Seit Anfang dieses Jahres ist Vemurafenib (Zelboraf®) zur Therapie des metastasierten Melanoms im Handel. Bei rund 40 bis 60% aller malignen Melanome ist eine aktivierende Mutation in der gencodierenden Serin-Threonin-Protein-Kinase B-RAF (BRAF) nachweisbar. Das mutierte BRAF-Protein hat eine erhöhte Kinase-Aktivität und führt zu einer vermehrten Aktivierung mehrerer Signaltransduktionswege, was ein unkontrolliertes Wachstum zur Folge hat. Es liegt nun nahe, diesen Signaltransduktionsweg mit Vemurafenib zu unterbinden. In einer Phase-III-Studie wurde gezeigt, dass die Therapie mit Vemurafenib im Vergleich zur Standardtherapie zu einem deutlich verlängerten progressionsfreien Überleben führte. Das Fazit: Eine individualisierte Therapie richtet sich gegen eine spezielle Mutation. Da diese Mutation auch bei anderen Tumorentitäten auftritt, ist es denkbar, dass Vemurafenib auch bei weiteren Krebsarten eingesetzt wird. Die Therapie richtet sich dann nicht mehr nach der Tumorentität sondern nach dem Vorliegen einer bestimmten Mutation.
Wohin geht die Entwicklung?
Der Entwicklung neuer Tumormedikamente liegen folgende Überlegungen zugrunde: Tumorzellen brauchen für ihr Wachstum unter anderem proliferative Signale, sie müssen einer Wachstumsinhibition ausweichen können, sie müssen Angiogenese betreiben, sich der Apoptose entziehen und eine replikative Unsterblichkeit aufweisen. Diese Eigenschaften werden von der Tumorzelle nach und nach erworben. Um gegen das Tumorwachstum erfolgreich vorgehen zu können, müssen alle diese Schritte gehemmt und unterbunden werden. Derzeit ist es aber nur möglich, an einigen wenigen Stellen medikamentös einzugreifen. Um die verschiedenen Proliferationsmöglichkeiten zu unterbinden, sind Kombinationen mehrerer Wirkstoffe erforderlich, die an verschiedenen Stellen eingreifen. Ferner sollten Signaltransduktionsanalysen erstellt werden, die Auskunft geben über Art und Zustand der Proliferationsmechanismen in der Tumorzelle.
pj
DAZ 2012, Nr. 24, S. 60
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