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QMS-Pflicht
Wie die QMS-Pflicht umgesetzt werden kann - Reaktionen und Analyse
Die rechtlich maßgebliche Interpretation für eine Apotheke liegt immer bei der jeweiligen Überwachungsbehörde und im Streitfall beim zuständigen Gericht. Letztlich muss der Apothekenleiter seine Sichtweise dort vertreten. Dies gilt für die QMS-Pflicht ebenso wie für jede andere Regelung der ApBetrO. Doch klare Aussagen zur Position der Behörden liegen aus den meisten Bundesländern noch nicht vor und sind angesichts der zweijährigen Übergangsfrist kaum zu erwarten. Außerdem kann vermutet werden, dass die Behörden in verschiedenen Bundesländern zumindest in Einzelheiten unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Eine erste Orientierung in dieser unklaren Situation können insbesondere die Auffassungen der Apothekerkammern bieten. Daher wird hier versucht, eine Synopse aus verschiedenen Positionen von Fachleuten bei Apothekerkammern und eigenen Interpretationen zu erstellen. Dabei soll auch deutlich werden, zu welchen Fragen weitgehend Konsens besteht und welche Fragen vorerst offen bleiben.
Zertifizierte Apotheken
Die ApBetrO enthält keine ausdrückliche Bestimmung, nach der ein QMS-Zertifikat zwangsläufig belegt, dass das dargelegte QMS die Bestimmungen der ApBetrO erfüllt. Vielmehr beschreibt die ApBetrO ein QMS unabhängig von jeglicher Zertifizierung. Es sprechen jedoch alle Anzeichen dafür, dass eine von einer Apothekerkammer zertifizierte Apotheke im Regelfall auch die Anforderungen an ein QMS gemäß ApBetrO erfüllt. Abweichende Auffassungen des Überwachungsbeamten zu einzelnen Regelungen innerhalb eines individuellen QMS bleiben davon unberührt.
Dagegen wäre bei Zertifizierungen ohne Bezugnahme auf eine Kammersatzung jeweils der Geltungsbereich des Zertifikats zu prüfen. Denn die ApBetrO fordert ein QMS "entsprechend Art und Umfang der pharmazeutischen Tätigkeiten" (§ 2a (1) ApBetrO). Bei einer Überprüfung der Apotheke wäre daher zu klären, ob der Geltungsbereich eines Nicht-Kammerzertifikats alle pharmazeutischen Tätigkeiten umfasst, die nach Auffassung der jeweiligen Behörde zu berücksichtigen sind. Doch auch dies dürfte in den meisten Fällen kein Problem darstellen.
Nicht-zertifizierte Apotheken
Reichlich Fragen ergeben sich dagegen für diejenigen Apotheken, die nach Ablauf der Übergangsfrist in zwei Jahren noch kein QMS-Zertifikat haben werden. Die ApBetrO schreibt keine Zertifizierung vor, aber damit wird die Frage um so wichtiger, welche Inhalte ein QMS gemäß ApBetrO enthalten muss. Es erscheint plausibel, zwischen einem QMS, das von den Kammern als freiwillige Lösung empfohlen wird, und einem verpflichtenden Minimal-QMS zu unterscheiden. Diese Ansicht ist auch aus einigen Apothekerkammern zu hören. Doch bei der Beschreibung einer solchen Minimal-Variante zeichnen sich zwei kontroverse Sichtweisen ab.
Vertreter einer eher strengen Sicht gehen davon aus, dass eine Apotheke gemäß ApBetrO kaum weniger Anforderungen erfüllen muss als bei einer (Kammer-)Zertifizierung. Es dürfte sich insbesondere erübrigen, die nicht-pharmazeutischen Unterstützungsprozesse darzulegen, doch der formale Rahmen sollte sich gemäß dieser Sichtweise kaum unterscheiden. Angesichts der eher geringen Unterschiede könnten die Apotheken dann auch gleich ein komplettes QMS aufbauen oder sogar zertifizieren lassen, argumentieren die Vertreter dieser Sichtweise. Konsequenterweise weisen daher derzeit einige Kammern verstärkt auf ihre bestehenden QMS-Angebote hin.
Demgegenüber argumentieren die Vertreter einer eher lockeren Sicht, dass die ApBetrO längst nicht so viele Detailforderungen enthält wie die Kammersatzungen zur Zertifizierung oder die ISO-Normen. Demnach sollte es möglich sein, ein ApBetrO-konformes QMS mit deutlich geringeren Anforderungen als für eine (Kammer-)Zertifizierung zu gestalten. Folglich wird in einzelnen Kammern über Angebote für ein neues "Minimal-QMS" nachgedacht und zumindest die Apothekerkammer Berlin bietet dieses bereits an – unabhängig vom QMS-Zertifikat der Kammer.
Der größte Unterschied zwischen beiden Sichtweisen dürfte in dem Weg bestehen, wie die gemäß ApBetrO vorgeschriebenen Inhalte ermittelt werden. Die Vertreter der strengeren Sicht gehen von der ABDA-Mustersatzung für das QMS aus und haben geprüft, ob die jeweilige Regelung als Inhalt der ApBetrO verstanden werden kann. Die Vertreter der lockereren Sicht versuchen dagegen, die Mindestinhalte direkt aus der ApBetrO zu entnehmen, ohne diese zugleich als Elemente gemäß der ABDA-Mustersatzung zu interpretieren.
Berufspolitische Aspekte
Hinter den unterschiedlichen Sichtweisen steckt auch eine berufspolitische Logik. Denn die Kammern haben zum Teil mühsam ihren Weg zu einem fachlich angemessenen QMS gefunden. Viele Kammern setzen sich offensiv für das QMS-Siegel der Bundesapothekerkammer (BAK-Siegel) ein oder propagieren selbst entwickelte Konzepte mit speziellen Ansätzen wie das Zeta® -System in Thüringen. Bei Letzterem wird der individuelle Handlungsbedarf in einer Apotheke ausgehend von Selbstinspektionen ermittelt. Ein so komplex gestaltetes Konzept ist naturgemäß nicht teilbar in Pflicht und Kür. Darum erklärt Danny Neidel, Geschäftsführer der Apothekerkammer Thüringen, die Kammer werde ihren Weg weitergehen. Doch auch andere Kammern wollen die Position ihres Angebots verständlicherweise nicht durch ein alternatives QMS "light" aus dem eigenen Haus schwächen.
Demnach ist hier zwischen dem berufspolitischen Wunsch nach einem umfassenden und leistungsfähigen QMS und der juristischen Frage zu unterscheiden, was ein QMS gemäß ApBetrO mindestens enthalten muss. Kammern sind auch den Apothekerleitern verpflichtet, die "nur" diese Pflicht erfüllen wollen und nicht mehr. Eine praktikable Möglichkeit für einen Kompromiss bietet sich für diejenigen Kammern, die modular aufgebaute Systeme zur Entwicklung eines QMS verwenden. Trotz mancher Vorbehalte gegen Musterhandbücher bieten modulare Handbücher wie beispielsweise in Bayern, Westfalen-Lippe, Hamburg und Schleswig-Holstein für das hier anstehende Problem eine interessante Option: Wer nur ein Minimal-QMS gemäß ApBetrO aufbauen möchte, könnte dasselbe Qualifizierungsangebot nutzen, aber auf einzelne Module verzichten.
Formale Anforderungen
Was gehört nun in ein Minimal-QMS gemäß ApBetrO? Der größte Unsicherheitsfaktor dürfte dabei sein, dass in der ApBetrO ausdrücklich ein QMS und nicht nur eine Qualitätssicherung gefordert wird. Damit bleibt zu klären, welche Inhalte und welche formalen Aspekte begriffsnotwendig zu einem QMS gehören, auch wenn diese nicht explizit in der ApBetrO genannt sind. Eine Interpretation dazu wurde bereits in DAZ 5 vorgestellt. Als Konsens kann mittlerweile betrachtet werden, dass alle befragten Fachleute ein schriftliches oder elektronisches Handbuch erwarten. Begriffsnotwendig gehören dazu eine Gliederung sowie Angaben zu Versionsnummern, personellen Zuständigkeiten und zur Kenntnisnahme der Betroffenen. Denn ein QMS besteht nicht aus fliegenden Notizzetteln. Dagegen betrachten etliche QMS-Verantwortliche in den Apothekerkammern Stellenbeschreibungen als verzichtbar, sofern die Zuständigkeiten in den jeweiligen Prozessen geregelt sind. Im Zusammenhang mit dem Personal sollten allerdings die Unterweisungen des nicht-pharmazeutischen Personals gemäß dem neuen § 3 (5a) ApBetrO dargelegt werden.
In der neuen ApBetrO werden zudem ausdrücklich Selbstinspektionen und als Soll-Vorschrift externe Überprüfungen (Ringversuche und Pseudo-Customer-Besuche) gefordert. Stärker interpretationsbedürftig ist die Frage, inwieweit aus der neuen ApBetrO Maßnahmen zur Fehlervermeidung abzuleiten sind (siehe DAZ 5). Zusätzlich kann diskutiert werden, ob zu einem QMS zwingend gehört, quantitative Qualitätsziele zu setzen, diese mithilfe von Kennzahlen zu überprüfen und daraufhin Maßnahmen einzuleiten. So entsteht ein geschlossener Regelkreis der Qualitätsverbesserung. Allerdings lässt sich auch der Standpunkt vertreten, die unbestreitbar notwendige Weiterentwicklung des Systems könne mit den ohnehin vorgeschriebenen regelmäßigen Selbstinspektionen zuzüglich einiger Regelungen zur Korrektur und Verbesserung sichergestellt werden, ohne die Formulierung von Qualitätszielen explizit zu regeln. Ein Leitbild und die Definition einer Qualitätspolitik dürften eher nicht als zwingende Bestandteile eines Minimal-QMS betrachtet werden.
Inhaltliche Anforderungen
Klarer sind die Anforderungen zum inhaltlichen Umfang eines QMS gemäß ApBetrO. Da die Verordnung ein QMS "entsprechend Art und Umfang der pharmazeutischen Tätigkeiten" fordert, müssen offenbar alle regelmäßig vorkommenden pharmazeutischen Tätigkeiten erfasst werden. Dies sind also mindestens die Abgabe und Beratung bei verordneten Arzneimitteln und in der Selbstmedikation sowie die Rezeptur. Wenn weitere pharmazeutische Tätigkeiten stattfinden, müssen auch diese dargelegt werden, beispielsweise Defektur, Parenteralia-Herstellung oder Medikationsmanagement. Für einige pharmazeutische Tätigkeiten legt die neue ApBetrO zudem neue Anforderungen fest, die in einem QMS berücksichtigt werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Beratung mit neuen Zuständigkeitsregelungen und die neuen Dokumentationsvorschriften für Rezeptur und Defektur (siehe DAZ 5). Als pragmatische Vorgehensweise bei der Einführung eines QMS empfiehlt Dr. Christiane Eckert-Lill, ABDA-Geschäftsführerin für Pharmazie, eine Konzentration auf den pharmazeutischen Kern.
Weitere Dienstleistungen der Apotheken müssten demnach gemäß ApBetrO nicht dargelegt werden, auch wenn sie in der ABDA-Mustersatzung für das QMS erwähnt sind. Dies könnten Module sein, die in einem Minimal-QMS fehlen dürften. Damit ergibt sich hier eine recht deutliche Trennung zwischen der Pflicht gemäß ApBetrO und einer Kür gemäß ABDA-Mustersatzung.
Gegenstand der Diskussion ist hingegen die Rolle der Warenwirtschaft. Obwohl diese nicht zu den pharmazeutischen Tätigkeiten zählt, ist sie ein Kernprozess, der wichtige Voraussetzungen für die Abgabe von Arzneimitteln schafft und ohne den eine Apotheke nicht betrieben werden kann. Dies spricht für die Darlegung eines solchen Prozesses in einem QMS. Alternativ wird argumentiert, dass die zweifellos pharmazeutisch relevanten Lagerungsbedingungen über eine einfache Kontrolle (insbesondere zur Temperatur im Sommer) zu berücksichtigen wären, ein Prozess dazu aber verzichtbar sei.
Einige weitere Pflichtinhalte für ein QMS gemäß neuer ApBetrO dürften sich aus der Begründung der Verordnung ergeben. Demnach müssen insbesondere Personalschulungen dargelegt werden (siehe DAZ 5). Die Kalibrierung von Messgeräten und die Qualifizierung von Herstellungsgeräten werden in der neuen ApBetrO definiert, aber nicht ausdrücklich als Inhalte eines QMS erwähnt. Ihre Darlegung erscheint aber konsequent (siehe DAZ 5). Ebenso naheliegend ist, den neu geforderten Hygieneplan in das QMS aufzunehmen. Hinzu kommt die Verpflichtung zur Teilnahme an Ringversuchen beim Betrieb von Blutzuckermessgeräten im Bereich der Heilkunde gemäß § 4a (2) Medizinproduktebetreiberverordnung.
Wenig Unterschiede zum zertifizierten QMS?
Der Blick auf solche Details deutet an, wie viele Fragen zu einem Minimal-QMS strittig werden könnten. Daher gibt es in etlichen Kammern noch keine Entscheidung über die eigene Position. Vielfach wird darauf verwiesen, die Kammer befinde sich noch in Abstimmung mit der zuständigen Behörde.
Um so interessanter ist der Blick auf die Apothekerkammer Niedersachsen, die mit einer eigenen Abteilung auch die Apothekenüberwachung durchführt. Daher sind die Kommunikationswege dort kürzer als anderswo. Anfragen beim Kammergeschäftsführer Dr. Martin Thomsen und beim Leiter der Apothekenaufsicht, Dr. Reinhard Diedrich, lassen Gemeinsamkeiten in der Einschätzung erkennen, auch wenn beide das Thema unabhängig voneinander bewerten. Beide betonen, dass die ApBetrO ein QMS fordert und nicht nur Elemente der Qualitätssicherung. Für Thomsen ergibt sich der Inhalt des QMS-Begriffs als Gemeinsamkeit aus diversen Regelwerken, Normen und den Leitlinien der Bundesapothekerkammer. Nach Einschätzung von Thomsen könnte ein funktionsfähiges und pharmazeutisch relevantes QMS im Sinne der ApBetrO nur auf wenige Elemente verzichten, die für eine Zertifizierung vorgeschrieben sind. Wichtig erscheint ihm auch ein möglichst guter Konsens, der nicht später von der Apothekenaufsicht infrage gestellt wird. Nach Einschätzung von Diedrich geben die Kammern mit ihren Zertifizierungsbedingungen eine Orientierung, was zu einem QMS gehöre, doch sei dies auch durch berufspolitische Vorstellungen geprägt. Entscheidend für die Überwachung seien letztlich die Vorgaben des zuständigen Ministeriums, die wiederum auch von Abstimmungen zwischen den Bundesländern beeinflusst werden und bisher noch nicht feststehen. Für diverse offene Fragen zur neuen ApBetrO – weit über das QMS hinaus – soll im Laufe des Juni eine gemeinsame Vorgehensweise für die Apothekenüberwachung in Niedersachsen entwickelt werden.
Ähnlich wie Thomsen argumentiert Dr. Detlef Klauck, der bei der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt für das QMS zuständig ist. Seines Erachtens wäre der Aufwand für ein Minimal-QMS nicht erkennbar geringer als für die Erstellung eines Handbuchs für die Zertifizierung. Denn die Mühe für die Komprimierung von Inhalten könnte größer sein als für die Darlegung einiger weiterer Prozesse.
Berliner Modell
Den Gegenpol zu dieser Sichtweise bildet insbesondere die Apothekerkammer Berlin. Nach Einschätzung ihres pharmazeutischen Geschäftsführers Dr. Stefan Wind beschreibt die ApBetrO vorwiegend qualitätssichernde Elemente. Demnach sollte die ApBetrO auch mit einem eher einfach strukturierten System aus geeigneten Modulen zu erfüllen sein. Daher bietet die Apothekerkammer Berlin die Entwicklung eines solchen Systems an, das am 16. Mai erstmals öffentlich vorgestellt wurde. Die teilnehmenden Apotheker sollen in vier jeweils vierstündigen Workshops Vorlagen für Arbeitsaufträge erarbeiten, die dann in ihren Apotheken umgesetzt werden. Dafür wird eine Gebühr von insgesamt 250 Euro erhoben. Für weitere 50 Euro bieten die Auditoren der Apothekerkammer Berlin einen Dokumentationscheck für die erarbeiteten Unterlagen, doch das modulare Einsteiger-QMS zielt nicht auf eine Zertifizierung. Wind beschreibt es als lernendes System. Die Apothekerkammer Berlin und die zuständige Behörde nehmen unterschiedliche Aufgaben wahr und haben daher keine gemeinsame Position. Daher könne die Kammer ohnehin nicht garantieren, dass alle Einzelheiten erfüllt sind. Falls Apotheken der Teilnehmer bei Besichtigungen bemängelt würden, könne das gesamte System daraufhin angepasst werden.
Ausblick
So treibt die Apothekerkammer Berlin die inhaltliche Diskussion über die Mindestanforderungen der ApBetrO voran. Wer sich an der Maximalvariante des BAK-Siegels orientiert, dürfte den sichereren Weg gehen. Doch die Frage, was wirklich in der ApBetrO gemeint ist, wird eher durch Apotheken geklärt werden, die einen Weg wie die Apothekerkammer Berlin wählen. Wenn die vielfältigen offenen Fragen zu den Mindestanforderungen an ein QMS gemäß ApBetrO in einigen Jahren voraussichtlich geklärt sein werden, könnten sich die heute unterschiedlichen Wege bei einem gemeinsamen Ziel treffen. Es ist gut vorstellbar, dass die heute eher streng und die eher locker anmutende Betrachtung letztlich fast zum selben Ergebnis führen werden.
Apothekenleiter, deren Apotheke bisher noch über kein QMS verfügt, können allerdings nicht warten, bis alle offenen Fragen geklärt sind. Denn ein funktionsfähiges, nicht unbedingt zertifizierungsreifes QMS aufzubauen, beansprucht im laufenden Apothekenbetrieb zumindest einige Monate. Die Übergangsfrist von zwei Jahren erscheint damit angemessen, aber nicht üppig.
Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel
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