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Fachmedien
Unser täglicher Rhythmus
Die Abläufe von Tages- und Jahreszeiten gehören zu den grundlegendsten Naturerscheinungen überhaupt. Sie haben zwangsläufig große Folgen für das Leben von Pflanzen, Tieren und Menschen. Doch die molekularen Mechanismen und mögliche Konsequenzen für Eingriffe in die Physiologie oder die Heilung von Krankheiten stehen nicht unbedingt im Mittelpunkt der Forschungstätigkeit. So verspricht die Chronobiologie noch umso mehr interessante Überraschungen. Einblicke in ausgewählte Fragen dieser spannenden Wissenschaft vermittelte das Symposium der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina zur Chronobiologie am 19. März 2010 in Halle (Saale). Die Beiträge zu dieser Veranstaltung sind 2011 als neue Folge der "Nova Acta Leopoldina" erschienen.
Nach einer kurzen Einleitung des Herausgebers folgt ein Beitrag zur Morphologie und zu den Funktionsmechanismen der inneren Uhr mit differenzierten Betrachtungen zur Bedeutung der verschiedenen Uhrengene und ihren Effekten auf die Uhrenproteine sowie zur Steuerung dieser Prozesse durch Lichteinwirkung. In Abgrenzung zu diesem "Masteroszillator" geht es im zweiten Beitrag um organspezifische Uhren zweiter Ordnung, wobei besonders die Uhrengene im endokrinen Pankreas vorgestellt werden. Obwohl die meisten Arbeiten zur Chronobiologie circadiane Rhythmen – also Schwankungen im Tagesverlauf – beschreiben und untersuchen, ist das Thema weitaus umfassender. Denn daneben bestehen saisonale und circannuale Rhythmen. Auch dazu ist ein Beitrag enthalten, der sich mit der biologischen Bedeutung dieser jahresbezogenen Rhythmen für Menschen und Tiere befasst. Darin wird zwischen "echten", also in den Lebewesen selbst verankerten, und durch äußere Erscheinungen hervorgerufenen Rhythmen unterschieden. Da die Erforschung von Vorgängen, die sich über Jahre erstrecken, naturgemäß lange dauert, sind die Erkenntnisse auf diesem Gebiet noch sehr lückenhaft. Für den modernen Wissenschaftsbetrieb ist ein solches Thema wenig attraktiv. Daher geht es auch in allen weiteren Beiträgen des Buches wieder um tagesbezogene Schwankungen. In zwei Beiträgen steht Melatonin im Mittelpunkt. Dort geht es zunächst um den Einfluss von Melatonin auf pankreatische Betazellen und insbesondere um den Ant-agonismus von Melatonin und Insulin. Die Bedeutung zum Verständnis des Diabetes mellitus liegt damit nahe. Im zweiten Beitrag über Melatonin wird die Wirkung dieses Hormons bei oxidativem Stress hinterfragt. Zwei Beiträge sprechen das naheliegende Thema Schlaf an. Zunächst werden dazu Erkenntnisse aus der Genetik der circadianen Rhythmik vorgestellt. Anschließend folgt ein Beitrag zur Diagnostik und Therapie chronobiologischer Störungen im schlafmedizinischen Alltag. Darin wird beklagt, dass chronobiologische Erkenntnisse in der Therapie noch immer zu wenig berücksichtigt würden.
Im Anschluss an die Darstellung der ausführlichen Präsentationen folgen 14 Posterbeiträge des LeopoldinaSymposiums zu unterschiedlichen Aspekten der Chronobiologie. In den meisten Posterbeiträgen geht es um spezielle Aspekte zu den bereits zuvor dargestellten Forschungsgebieten. Die meisten Poster dienen damit eher der Vertiefung und weniger der Erweiterung des thematischen Spektrums.
Das Buch stellt als typischer Tagungsband eine Sammlung verschieden konzipierter Einzelbeiträge mit unterschiedlichem Schreibstil dar. Gewisse inhaltliche Redundanzen sind bei diesem Konzept unvermeidbar, wegen der Komplexität der Materie aber unbedingt positiv zu werten, weil unterschiedliche Sichtweisen das Verständnis fördern. Obwohl das Thema auf breites Interesse stoßen dürfte, ist dies kein populäres Sachbuch für eine breite Öffentlichkeit. Denn es wird fundiertes biologisches oder pharmazeutisches Hintergrundwissen vorausgesetzt. Doch für ein Fachbuch mit Verweisen auf unzählige Forschungsarbeiten ermöglicht es einen guten Lesefluss und vermittelt so auf vergleichsweise knappem Raum einen hervorragenden Überblick über den Forschungsstand in der Chronobiologie. Wer noch tiefer einsteigen möchte, findet in den teilweise sehr umfangreichen Literaturverzeichnissen enorm viele Möglichkeiten. Das Buch setzt beim Leser jedoch Interesse für Grundlagenforschung voraus. Die Auswahl der Themen zielt zwar durchaus auf mögliche nützliche Anwendungen in der Diabetologie und bei Schlafstörungen, doch diese dürften meist noch in der Ferne liegen. Es geht hier weniger um Beratungsempfehlungen, die morgen an Patienten vermittelt werden könnten, sondern mehr um die Faszination für ein allgegenwärtiges Stück Natur, das uns noch manches Rätsel aufgibt.
Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel/Holstein
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