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Feuilleton
Krankenhausmuseum Nürnberg
Anfang September 1897 wurde in Nürnberg in der heutigen Prof.-Ernst-Nathan-Straße ein neues Städtisches Krankenhaus eröffnet. Die weitläufige Pavillonanlage mit über 30 Gebäuden und 760 Betten wurde bis 1914 auf über 1300 Betten ausgebaut. Auch in den folgenden Jahrzehnten folgten mehrere Erweiterungen. 1979 beschloss der Stadtrat, ein neues Klinikum an der Breslauer Straße zu bauen (Klinikum Süd) und die Altbauten grundlegend zu sanieren (heute: Klinikum Nord).
Von Anfang an gab es im Haus 1 des Krankenhauses eine Apotheke, die 1994 in das Klinikum Süd verlegt wurde. Zur gleichen Zeit wurde der Verein Krankenhausmuseum Klinikum Nürnberg e. V. gegründet, um die historischen Gegenstände der Apotheke zu bewahren und in ihren Räumlichkeiten eine Ausstellung über die Geschichte des Nürnberger Gesundheitswesens zu konzipieren. Zum hundertjährigen Bestehen des Klinikums, 1997, wurde das Krankenhausmuseum als bundesweit eines der ersten seiner Art eröffnet.
Offizin von 1897
Aus der Gründungszeit des Krankenhauses hat sich insbesondere das Mobiliar der Offizin erhalten. Über sonstige Räumlichkeiten und die seinerzeit hochmoderne Einrichtung der Apotheke berichtet die 606 Seiten starke "Festschrift zur Eröffnung des neuen Krankenhauses der Stadt Nürnberg", 1897: In der Rezeptur waren Arbeitstische und Abdampfschränke mit Gas- und Wasserzuleitungen ausgestattet, ihre Rückwände mit glasemaillierten Glasplatten verkleidet. Neben einem gläsernen Apparateschrank gab es einen Ausguss aus säurebeständiger glasemaillierter Steinzeugmasse. Am Fensterpfeiler befand sich ein Waschtisch mit eichenem Untersatz, einer Platte aus Untersberger Marmor und einem Becken aus englischer Fayence.
Im pharmazeutischen Laboratorium gab es unter anderem Dampfapparate, einen Trockenschrank, einen Abdampfschrank, zwei Pressen, einen Arbeitstisch sowie einen Glasschrank. Gas- und Wasserleitungsanschlüsse waren "in möglichst bequemer Lage" installiert. Im Mikroskopierzimmer stand der Mikroskopiertisch am Fenster, rechts daneben befanden sich eine analytische Waage und Telefone. Auf der linken Seite standen einst ein gläserner Apparateschrank und im hinteren Teil des Raums ein weiterer Schrank für Sublimatlösung (HgCl2), Abstelltische und eine Kopierpresse. Weiterhin gab es ein chemisches Laboratorium, das zuletzt als Bibliothek genutzt wurde.
Von dieser ursprünglichen Ausstattung ist nicht viel erhalten geblieben, denn auch die Apotheke wurde immer wieder modernisiert. Mitte der 20er Jahre wurde ein Warenaufzug eingebaut, damit Drogen und Chemikalien bequem aus dem Keller in die Arbeitsräume transportiert werden konnten. Das Dienstzimmer und die Wohnung des Oberapothekers wurden schon in den 20er Jahren zu Büros umfunktioniert. Hier sowie in den Kellerräumen wird heute die Geschichte des Nürnberger Gesundheitswesens anhand von Texten und Exponaten dargestellt. Eines der wohl interessantesten Exponate aus der ehemaligen Apotheke ist eine große Destillationsanlage mit zwei Ionenaustauschern von der Firma Schott aus dem Jahr 1972/73, die Wasser für Infusions- und Injektionslösungen lieferte. Highlights der Medizintechnik sind alte Röntgenröhren und intensivmedizinische Geräte.
Vom Hospital zum Krankenhaus
Ab dem 14. Jahrhundert standen in Nürnberg Ärzte und Wundärzte für die Versorgung von Kriegsversehrten und Seuchenopfern in städtischen Diensten. Neben der Ausübung des öffentlichen Amts behandelten sie auch "Privatpatienten". Die Behandlung Mittelloser wurde aus einer Almosenkasse finanziert, vermögende Patienten honorierten die Mediziner nach eigenem Ermessen. Seit 1350 wurde Mitteleuropa immer wieder vom "Schwarzen Tod" heimgesucht. Um die Kranken isolieren zu können, stiftete ein Nürnberger Patrizier 1528 ein Pestspital. Ein Spital für Syphilitiker, das der Stadtrat nach den ersten Erkrankungsfällen hatte einrichten lassen, wurde 1646 wegen zu hoher Kosten wieder geschlossen.
Nach der Eingliederung Nürnbergs in das Königreich Bayern, 1806, wurde Dr. Friedrich Wilhelm von Hoven (1759 – 1838), ein Jugendfreund Friedrich Schillers, Kreismedizinalrat; er eröffnete 1813 ein "Krankeninstitut für unheilbar Kranke" mit 50 Betten, in dem er Dienstboten, Gesellen und Arbeiter behandelte. Auch christlich motivierte Trägervereine errichteten Krankenhäuser für die unentgeltliche Behandlung bedürftiger Patienten. Daneben entstanden private Kliniken für wohlhabende Patienten.
Pavillonbauweise sollte "Luftinfektionen" verhindern
1845 wurde außerhalb der Stadtmauern an der Sandstraße Nürnbergs erstes städtisches Krankenhaus mit 268 Betten in 79 Zimmern und einem Reservesaal nach dem Vorbild des bereits 1789 eröffneten Bamberger Krankenhauses gebaut. Es hatte je eine Abteilung für Innere Medizin und Chirurgie, eine Station für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie eine kleine Abteilung für Geisteskranke. Infolge des Bevölkerungswachstums war das Krankenhaus oft überbelegt. Deswegen und um Wundfieberinfektionen entgegenzuwirken, wurden 1865 auf dem Gelände Baracken als "Sommerspital" errichtet. Durch Neubauten in den 1870er und 80er Jahren stieg die Kapazität auf 380 Betten. Um "Luftinfektionen" zu verhindern, errichtete man die Häuser dezentral als "Pavillons". Zwar widerlegten Robert Koch (1843 – 1910) und andere Bakteriologen schon wenige Jahre später die Hypothese der "Luftinfektionen", doch die Pavillonbauweise prägte noch bis zum Ersten Weltkrieg den Krankenhausbau, wie auch der Neubau des Nürnberger Krankenhauses von 1897 zeigt.
Vor dem Neubau hatten Mitglieder des Stadtrats unter Leitung von Krankenhausdirektor Dr. Gottlieb von Merkel (1835 – 1921) neue Krankenhäuser in verschiedenen Städten besichtigt. Besonders beeindruckt war die Delegation vom Krankenhaus in Hamburg-Eppendorf – damals mit über 80 Gebäuden für 1340 Patienten die größte Pavillonanlage Deutschlands – und vom gerade eröffneten Krankenhaus "Am Urban" in Berlin.
Heilstätte für Tb-Kranke
Von Merkel engagierte sich auch in der Bekämpfung der Tuberkulose, die Ende des 19. Jahrhunderts Ursache für jeden sechsten Todesfall in Nürnberg war. Mit Unterstützung durch Bürgermeister Georg Schuh gründete er den "Heilstättenverein Nürnberg", der 1898 die Lungenheilstätte Engelthal errichtete. Dort wurden nur leicht erkrankte Tb-Patienten mit günstiger Prognose bis zu drei Monate lang – zumeist erfolgreich – behandelt. 1914 ging die Heilanstalt in den Besitz der Stadt Nürnberg über. Nachdem die Tb-Fälle in den 20er Jahren deutlich zurückgegangen waren, erwarb die Diakonissenanstalt 1931 die Lungenheilstätte, um eine Anstalt für geistig Behinderte einzurichten (heute: Frankenalb-Klinik).
Rettung der historischen Bausubstanz
Im Zweiten Weltkrieg wurden 70 Prozent des Nürnberger Städtischen Krankenhauses zerstört. Nach provisorischen Instandsetzungsarbeiten ab 1947 folgte in den 50er Jahren ein großzügiger Ausbau; zugleich hielt die modernste Medizintechnik Einzug.
1961 wurde der mehrgeschossige "Y-Bau" mit hochmodernen Operationssälen, einem Strahleninstitut sowie dem bundesweit ersten Institut für Physikalische Therapie unter selbstständiger ärztlicher Leitung und 360 Betten in den oberen Stockwerken eröffnet. Die Bauwut der 60er und 70er Jahre nahm nur wenig Rücksicht auf historische Bausubstanz. Deshalb hätten die Pavillonbauten aus der Gründungszeit beinahe modernen Betonklötzen weichen müssen. Doch es kam anders: 1979 beschloss der Stadtrat, im Süden der Stadt ein zweites Klinikum zu bauen und die historische Bausubstanz des Klinikums Nord grundlegend zu sanieren. Mit 2180 Betten und 6000 Mitarbeitern ist das Klinikum Nürnberg heute eines der größten kommunalen Krankenhäuser Deutschlands.
Jeden ersten Sonntag im Monat oder nach Vereinbarung werden Führungen im Krankenhausmuseum angeboten. Die Besucher dürfen dort an Schubfächern und Standgefäßen schnuppern, die mit Pulvern und Kräutern gefüllt sind. Alte Apothekengeräte, vergilbte Exemplare der "Pharmaceutischen Zeitung" aus dem 19. Jahrhundert und viele andere Dokumente gewähren Einblick in die Geschichte der Pharmazie.
MuseumKrankenhausmuseum im Klinikum Nord Prof.-Ernst-Nathan-Straße 1, 90419 Nürnberg Tel. (09 11) 3 98 71 77 Suche Museum Geöffnet: sonntags 14 bis 18 Uhr Führungen an jedem 1. Sonntag im Monat um 14.30 Uhr sowie nach Vereinbarung |
Reinhard Wylegalla
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