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Konzernumbau belastet Celesio

Komplizierte Quartalsbilanz und Unruhe wegen Berichten über Umzug der Celesio-Zentrale

STUTTGART (lk). Der vom neuen Vorstandsvorsitzenden Markus Pinger angeschobene Konzernumbau sorgt beim Stuttgarter Pharmahändler Celesio für turbulente Zeiten. Notwendige Abschreibungen auf die angeschlagene Pharmexx-Tochter drücken die Jahresauftaktbilanz 2012 trotz Erholung im Großhandelsgeschäft in die roten Zahlen. Gleichzeitig sorgen Schlagzeilen über einen Umzug der Celesio-Zentrale für Unruhe in der Belegschaft. Für Celesio-Topmanager Pinger kommen solche Berichte zur Unzeit. Er sieht Celesio auf gutem Kurs. Aber es gibt in der Großhandelsszene auch kritische Bewertungen zur Neuausrichtung des zweitgrößten Großhändlers in Deutschland.
Foto Celesio
Turbulent geht es derzeit beim Pharmagroßhändler Celesio zu.

Eigentlich wollte Pinger gute Zahlen für sich sprechen lassen. Doch die Bilanz für das 1. Quartal fällt kompliziert aus. Je nach Lesart der Zahlenkolonnen kann man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Lässt man die zum Verkauf stehenden Celesio-Töchter Movianto, Pharmexx und DocMorris außer Betracht, hat Celesio im 1. Quartal bei Umsatz und Gewinn zugelegt. Rechnet man die noch zum Konzern gehörenden Tochterfirmen ein, schreibt Celesio sogar rote Zahlen bei einem bilanziellen Verlust von 5,4 Millionen Euro.

Kompliziert wird die Bilanzbetrachtung durch die Unterteilung in das Ergebnis aus fortgeführten Aktivitäten und nicht fortgeführten Aktivitäten. Besteht eine feste Verkaufsabsicht innerhalb eines Jahres, müssen nach den Bilanzregeln diese Beteiligungen als nicht fortgeführte Aktivitäten klassifiziert werden. Das betrifft im Celesio-Fall Movianto, Pharmexx und DocMorris. Ohne Sondereffekte und aktuelle Abschreibungen dieser Tochterfirmen hat Celesio einen Gewinn in Höhe von 53,0 Millionen Euro erwirtschaftet, etwas mehr als die 50,6 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Der Umsatz kletterte um 2,5 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro. Unter Einbeziehungen der Belastungen durch die Celesio-Töchter ergibt sich jedoch ein Bilanzverlust in Höhe von 5,4 Millionen Euro.

Positive Entwicklung bei Gehe

Keine präzisen Angaben macht Celesio zur Umsatz- und Gewinnentwicklung bei der Großhandelstochter Gehe. Nur so viel: Gehe habe sich im 1. Quartal positiv entwickelt. "Wir sind sehr zufrieden", sagte Celesio-Chef Pinger. Gehe habe seinen Marktanteil in Deutschland gehalten oder leicht ausgebaut, das Gehe-Ergebnis habe sich aufgrund der veränderten Vergütungssysteme "deutlich positiv" im zweistelligen Prozentbereich verbessert. Welchen Anteil Gehe zum Gesamtkonzernergebnis beiträgt, teilt Celesio traditionell nicht mit. Nach Brancheninformationen liegt der Gehe-Umsatz bei knapp unter einer Milliarde Euro.

Fortschritte sind laut Pinger auch bei den angestrebten Verkäufen von Movianto, Pharmexx und der DocMorris-Versandapotheke zu vermelden. "In allen drei Fällen gibt es konkrete Angebote und Interessen", sagte Pinger. Eine Zeitperspektive für einen Vertragsabschluss wollte Pinger aber nicht nennen. Aufgegeben und verkauft werden sollen auch der Großhandel und das Apothekengeschäft in Tschechien.

"Das erste Quartal 2012 macht deutlich, dass wir mit unserer neuen Strategie auf dem richtigen Weg sind", sagte Pinger bei der Vorstellung der Quartalszahlen. "Unsere gesetzten Ziele haben wir erreicht und unseren Umsatz und das Ergebnis gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesteigert." Um die Kosten besser in den Griff zu bekommen, hat Celesio bereits ein Sparprogramm eingeleitet. Unter anderem will der Celesio-Chef den Personalstand von derzeit rund 46.000 Mitarbeitern in 27 Ländern kürzen. Davon betroffen sind die großen Verwaltungen in Österreich, Frankreich, Großbritannien, Norwegen und Deutschland. Das laufende Jahr sieht Pinger als Übergangsjahr. Für das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) peilt das Stuttgarter Unternehmen mindestens 575,0 Millionen Euro an. 2011 hatte Celesio ein EBITDA von 578,3 Millionen Euro ausgewiesen. Ab dem kommenden Jahr soll Celesio dann wieder Zuwächse verzeichnen.

Kritik aus der Branche

Hört man in die Großhandelsbranche hinein, fallen nicht nur anerkennende Worte für Markus Pinger, der im August letzten Jahres auf Geheiß von Großaktionär Haniel das Ruder in Stuttgart übernahm und es herumriss. "Er versteht die Märkte nicht", heißt es über Pinger, der vom Kosmetikhersteller Beiersdorf (Nivea) in den regulierten Arzneimittelmarkt wechselte. Er versuche, mit Managementinstrumenten freier Märkte den Großhandel mit Arzneimitteln zu optimieren.

Pinger-Kritiker kolportieren in den letzten Wochen unaufgefordert Hinweise, dass nicht alles rund läuft. In der "Kummerbox" in der Stuttgarter Celesio-Zentrale, in die Mitarbeiter anonym ihre Kritik und Kommentare einwerfen können, sammelten sich in den letzten Wochen im Tonfall nicht mehr hinnehmbare Anmerkungen zu Pingers Unternehmensführung. Von einem Mitarbeiter-"Exodus" auf der zweiten Führungsebene ist gar die Rede. Mitarbeiter kehrten wegen Markus Pinger Celesio den Rücken. Max Müller, bis Ende April Cheflobbyist im Berliner Celesio-Büro, nahm seinen Hut. Seit Pingers Amtsantritt verließen acht weitere Führungskräfte das Unternehmen, darunter der Movianto-Chef, der Belgien-, der Großbritannien-, der Norwegen- und Schweden-Chef. Auch der IT-Chef arbeitet nicht mehr für Celesio, ebenso wie der Mann fürs Apothekenmarketing.





Markus Pinger

Interview mit Markus Pinger


Vor der Celesio-Hauptversammlung am 16. März bezog Celesio-Chef Markus Pinger auf DAZ.online Stellung zur Lage bei Celesio:


DAZ.online: Es gibt in der Branche kritische Stimmen zu Ihrer "Back to the roots"-Strategie angesichts schwindender Margen im Großhandel. Wie reagieren Sie darauf?

Pinger: Es geht nicht um ein simples "back to the roots", sondern um Innovation, Weiterentwicklung und nachhaltiges profitables Wachstum. Alle vergangenen Versuche von Celesio, jenseits des Kerngeschäfts zu wachsen, waren nicht erfolgreich. Es wurden hohe dreistellige Millionenbeträge investiert. Die Gewinne aus neuen Aktivitäten blieben aber aus. Stattdessen kam es dabei oft zu Verlusten und hohen Abschreibungen. Resultat: Im Jahr 2011 lieferte das Kerngeschäft 98% des Ergebnisses. Genau dieses Kerngeschäft, von dem Celesio bis heute lebt, also der Pharmagroßhandel und das Apothekengeschäft, wollen wir stärken und mit innovativen Konzepten weiterentwickeln.


DAZ.online: Im Oktober haben Sie die Säulen/Operationsfelder Ihrer Strategie markiert und Ziele definiert. Wie weit sind Sie damit gekommen?

Pinger: Die vorläufigen Zahlen zum ersten Quartal zeigen: Celesio legt im Ergebnis wieder zu. Das heißt, unsere Maßnahmen greifen, und unsere neuen Konzepte tragen erste Früchte. Das gilt auch für den deutschen Großhandel, die Gehe. Mit der Umsetzung unserer neuen Strategie und ihren fünf Schwerpunkten sind wir also gut unterwegs. Im Rahmen des Operational Excellence Programms bündeln wir erfolgreich unsere Einkaufsaktivitäten und fahren daraus erste Ergebnisse ein. Wir haben zudem unsere Verwaltungskosten bereits gesenkt. In Schweden reduzieren wir unsere Anlaufverluste, und wir haben begonnen, unser Niederlassungsnetz zu optimieren. Im Rahmen der regionalen Expansion haben wir in Brasilien Oncoprod gekauft und Panpharma komplett übernommen. Bei der Überprüfung des Bereichs Manufacturer Solutions sind wir aus dem Joint-Venture mit Medco ausgestiegen. Wir haben alle Optionen für Movianto, Pharmexx und DocMorris geprüft und nach dieser intensiven Prüfung den Verkaufsprozess eingeleitet. Das alles in sechs Monaten. Für unsere strategischen Schlüsselkonzepte, das europäische Apothekennetzwerk und die End-to-end supply chain wollen wir uns mehr Zeit nehmen. Dafür brauchen wir wie angekündigt das Jahr 2012. Aber wir sind auch hier auf gutem Weg.


DAZ.online: Veränderungen bringen immer Unruhe mit sich: Wie wirkt sich das auf das Betriebsklima bei Celesio aus?

Pinger: Veränderungen sind für die Mitarbeiter immer mit Unsicherheit verbunden. Wir nehmen das sehr ernst und versuchen deutlich zu machen, dass Veränderungen und große Anstrengungen notwendig sind, die sich aber lohnen. Celesio hat eine positive Zukunft vor sich. Davon bin ich überzeugt. Wir unternehmen sehr viel, um die Neuausrichtung den Mitabeitern verständlich zu machen und nahezubringen. Wir machen viele Townhallmeetings, übrigens auch im Ausland. Ich lade Mitarbeiter regelmäßig zu einem Gespräch in kleiner Runde ein. Aber es ist natürlich klar, dass man nicht alle Ängste nehmen kann. Und manchmal muss man auch schwierige Entscheidungen treffen. Dass Celesio in eine sehr schwierige Lage geraten ist, ist ja nicht Schuld der Mitarbeiter. Das ist die Verantwortung des Managements und hat daher auch zu Veränderungen auf der Führungsebene geführt. Damit waren Konflikte verbunden. Das ist bei solchen Prozessen leider nicht zu vermeiden.


DAZ.online: Hand aufs Herz: Nach neun Monaten Pinger - steht Celesio besser oder schlechter da als zuvor?

Pinger: Darüber möchte ich nicht selber urteilen. Der Kapitalmarkt hat allerdings auf die Neuausrichtung des Unternehmens positiv reagiert. Seit der Kommunikation unserer Pläne und der eingeleiteten Maßnahmen Ende Oktober 2011 ist der Aktienkurs, der ja vorher nach drei Prognoseanpassungen auf einem Tiefstand war, wieder deutlich gestiegen. Viele Analysten haben Kaufempfehlungen für die Celesio-Aktie ausgesprochen, weil sie an den Erfolg unserer Strategie glauben. Ganz aktuell hat der Kurs nach Veröffentlichung der vorläufigen Zahlen zum ersten Quartal noch einmal erheblich zugelegt. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Was ich bei dieser Gelegenheit aber noch einmal unterstreichen möchte: Unsere Neuausrichtung ist ein langfristiges Vorhaben. Die vollen Effekte unserer Arbeit werden wir mittelfristig sehen. In diesem Jahr werden wir alles dafür tun, die langjährig negative Ergebnisentwicklung zu stoppen und Celesio zu stabilisieren. Das ist die Basis, um das Unternehmen wieder zu profitablem Wachstum zurückzuführen. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt.


DAZ.online: Vielen Dank für das Gespräch.

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