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Bundestagsabgeordnete: Ja zum Versand, nein zu Pick up

Antrag der Linksfraktion zur Einschränkung des Arzneimittelversandhandels im Bundestag

BERLIN (jz). Der Versandhandel mit Arzneimitteln ist für Union, SPD, Grüne und FDP mittlerweile eine feste Institution unserer Arzneimittelversorgung. Ein Ärgernis sind für sie hingegen Pick-up-Stellen von Versandapotheken. So lesen sich jedenfalls die Reden der Bundestagabgeordneten zu einem Antrag der Linksfraktion, den Versandhandel auf rezeptfreie Arzneimittel zu begrenzen. Dieser Antrag stand am 10. Mai auf der Tagesordnung des Bundestages – eine mündliche Debatte fand allerdings nicht statt. Stattdessen wurden die vorbereiteten Reden der Abgeordneten zu Protokoll gegeben und der Antrag an die zuständigen Bundestagsausschüsse überwiesen.

Ihren Antrag begründet die Linke Dr. Martina Bunge hauptsächlich mit den Gefahren durch Fälschungen und dem bestehenden Beratungsbedarf: Der Versandhandel sei das Haupteinfallstor für Fälschungen. "Die Zahl der sichergestellten Fälschungen ist nach Angaben des Zollkriminalamts in nur fünf Jahren um das Zwanzigfache angestiegen", betont sie. Arzneimittel seien schließlich keine "Lutschbonbons", die man im Kiosk verkaufen oder über das Internet bestellen und verschicken sollte. "Wenn die Bundesregierung bei der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung fordert, dass bei der Abgabe eines Arzneimittels eine Beratung aktiv angeboten werden muss, frage ich mich, wie das bei einer Internetapotheke vonstattengehen soll", so Bunge. Ihr zufolge werden Internet- und Präsenzapotheken mit zweierlei Maß gemessen und eine schlechtere Versorgung derer, die Arzneimittel im Internet beziehen, in Kauf genommen.

Hennrich: Versandhandel bietet zeitgemäße Versorgung

Michael Hennrich (CDU) zeigt sich in seiner Rede überrascht von der Argumentation der Linken, die sich hier als "vermeintlicher Anwalt der Apotheker" aufspiele. Dabei sei es doch gerade die CDU, die im Rahmen der AMG-Novelle die "Sorgen mittelständischer und inhabergeführter Apotheken nicht vernachlässigen wollte", so Hennrich. Er beschreibt den Versandhandel als festen Bestandteil einer "umfassenden und zeitgemäßen Arzneimittelversorgung". Dennoch gesteht er Schwierigkeiten ein. Das Hauptproblem für ihn: Pick up. Diese zweite Vertriebsform über Bestell- und Abholstationen beurteile die Union "durchweg kritisch". Am im Koalitionsvertrag vereinbarten Verbot halte die CDU weiter fest, versichert Hennrich. Es sei aber schwierig, "ein Pick-up-Verbot zu realisieren und es gleichzeitig beim Versandhandel zu belassen". Ein verfassungskonformer Vorschlag wird noch immer gesucht.

Volkmer: Versandhandel hat sich bewährt

Auch für Marlies Volkmer (SPD) hat sich der Versandhandel mit Medikamenten bewährt. Die Patientensicherheit sieht sie nicht gefährdet, weil zugelassene Versandapotheken ihre Ware aus den gleichen Quellen wie stationäre Apotheken bezögen. Illegale ausländische Händler habe es bereits vor der Zulassung des Versandhandels gegeben. Dagegen seien Maßnahmen – etwa das DIMDI-Gütesiegel – ergriffen worden. Vor einigen Jahren hatte Volkmer noch anders geklungen: Die Beschränkung des Versandhandels auf rezeptfreie Arzneimittel hielt sie einst für die "einzige Möglichkeit, um die Abgabe von Arzneimitteln in Drogerien, an Tankstellen oder Zeitungskiosken zu verhindern". Allerdings blieb sie mit dieser Meinung in ihrer Fraktion stets allein. Aber auch wenn die SPD den Versandhandel selbst nicht als Problem sieht: Pick-up-Stellen seien es allemal, denn dort finde niemals eine Beratung statt. Volkmer fordert daher mit Blick auf das schwarz-gelbe Versprechen im Koalitionsvertrag von der Regierung "zum wiederholten Male", ein verfassungskonformes Gesetz vorzulegen, das Pick-up-Stellen unterbindet.

Lanfermann: Rx-Versandverbot unsinnig

Heinz Lanfermann (FDP) geht noch weiter: Er betitelt den Antrag der Linken als "schlicht Unsinn". Die ausgeführten Sicherheitsbedenken bezüglich des Versandhandels seien nicht empirisch nachweisbar. Bei der persönlichen Aushändigung der Medikamente im Versandhandel herrsche grundsätzlich kein geringerer Standard an Patienten- und Gesundheitsschutz, als bei der Abgabe in Präsenzapotheken. Auch die Warnung vor dem sogenannten Einfallstor von Produktfälschungen schürt nach seiner Auffassung unnötige Sorge und gehe darüber hinaus an der Realität vorbei. Im Übrigen kümmere die FDP sich bereits um die Probleme hinsichtlich der Gefahren durch zunehmende Arzneimittelfälschungen, indem mit der anstehenden AMG-Novelle die Sicherheit erhöht und die Lieferkette transparenter gestaltet werde. Die Forderungen der Linken gingen schlichtweg an der Realität vorbei, "deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab".

Bender: Versandhandel wird schadenlos praktiziert

Auch vonseiten der Grünen ernten die Linken Kritik. Birgitt Bender betonte, dass ein Verbot des Rx-Versandhandels europarechtlich nur möglich sei, wenn durch den Versandhandel die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet wäre. Hierzulande sei der Versandhandel allerdings seit vielen Jahren ohne Schadensfälle Praxis. Ein Verbot sei daher verfassungsrechtlich nicht haltbar. Darüber hinaus habe auch der Versandhandel seine Vorzüge: So biete eine telefonische Beratung durch Versandapotheken Vertraulichkeit, die nicht durch die Anwesenheit anderer Kunden behindert werde. "Patienten sollten selbst entscheiden, welche Beratung für sie die passende ist", findet sie.

Zum Thema Pick-up-Verbot bekundet Bender jedoch, sie würde sich freuen, wenn im Bundestag endlich konstruktiv darüber diskutiert würde, welchen gesundheitspolitischen Anforderungen Pick-up-Stellen gerecht werden müssten. Sie erinnert daran, dass das Ministerium schon vor Jahren einen Vorschlag mit klaren Vorgaben für diese Abholstellen erarbeitet habe. Er wäre "schnell aus der Schublade zu ziehen", aber da scheine die CDU zu blockieren. Sie fordert daher: "Statt gegen Windmühlen zu kämpfen, sollte die Union sich darauf besinnen, im Interesse der Patientinnen und Patienten sinnvolle Rahmenbedingungen zu verabschieden."



DAZ 2012, Nr. 20, S. 27

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Nicht gefährdet ist die Patientensicherheitdurch den Rx-Versandhandel aus Sicht vonMarlies Volkmer, SPD.
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„Arzneimittel sindkeine Lutschbonbons“Dr. MartinaBunge, Die Linke, fordert,den Versandhandelmit rezeptpflichtigenArzneimitteln zuverbieten.
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Zeitgemäß ist ausSicht von MichaelHennrich, CDU, derArzneimittelversandhandel. Probleme siehter nur bei Pick up.
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„Schlicht Unsinn“ istfür Heinz Lanfermann,FDP, der Antrag derLinken, den ArzneimittelversandhandelaufOTC zu beschränken.
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Verfassungsrechtlichnicht haltbar istein Rx-Versandhandelsverbotnach Meinungvon Birgitt Bender,Grüne.

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