Arzneimittel und Therapie

Plötzlicher, unerwarteter Tod von Epilepsiepatienten

Warnzeichen und Risikofaktoren beachten

Das plötzliche, unerwartete Versterben eines Epilepsiekranken ist bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt, doch erst in den vergangenen zwanzig Jahren befasste sich die Medizin näher mit diesem Phänomen. In einer im Lancet publizierten Übersichtsarbeit wurden die bisherigen Kenntnisse zusammengetragen und Strategien zur Prävention erörtert.

Der plötzliche und unerwartete Tod eines Epilepsiepatienten (SUDEP, Sudden Unexpected Death in Epilepsy) wird folgendermaßen definiert: "SUDEP ist ein plötzlich auftretender, ungeklärter Tod bei Epilepsie ohne Anhalt für ein relatives Trauma oder Ertrinken, mit oder ohne Anhalt für einen vorangegangenen Anfall, aber ohne Anhalt für einen vorangegangenen Status epilepticus." Je nachdem, ob zusätzlich eine Autopsie zum sicheren Ausschluss einer medizinischen, toxikologischen oder anatomischen Todesursache erfolgte, spricht man von einem definitiven oder wahrscheinlichen SUDEP. Die Angaben zur Häufigkeit eines plötzlichen und unerwarteten Versterbens eines Epilepsiekranken schwanken. In Deutschland wird die Häufigkeit von SUDEP-Fällen auf 600 bis 1000 pro Jahr geschätzt. In westlichen Industriestaaten treten plötzliche und unerwartete Todesfälle bei Epilepsiekranken etwa zwanzigmal häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung. Betrachtet man alle Epileptiker, so liegt die Inzidenzrate zwischen 0,9 und 2,3 pro 1000 Personenjahre, bei Patienten mit chronisch refraktärer Epilepsie zwischen 1,1 und 5,9, bei Patienten mit Anfällen nach epilepsiechirurgischen Eingriffen zwischen 6,3 und 9,3 (jeweils pro 1000 Patientenjahre). Bei Epilepsiekranken mit chronisch refraktärer Epilepsie, die in Zentren betreut werden, ist SUDEP für 10 bis 50% der vorzeitigen Todesfälle verantwortlich.

Die Pathophysiologie der Erkrankung ist nicht vollständig bekannt und scheint unterschiedlich zu sein. In vielen Fällen erfolgt der Tod durch Störung der Atemregulation, kardiale Arrhythmien, cerebrale Depression und autonome Dysfunktionen. Häufig tritt unmittelbar vor dem Tode ein generalisierter tonisch-klonischer Anfall auf. Die Mehrzahl der Verstorbenen wird im Bett gefunden, häufig auf dem Bauch liegend. Das Vorliegen von Risikofaktoren (siehe Kasten) begünstigt das Auftreten eines SUDEP. Bei der Obduktion werden häufig Lungenödeme und Aspiration, Hirnödeme, Myokardveränderungen und Nervenzellschäden gefunden, die aber per definitionem nicht die eigentliche Todesursache waren.

Risikofaktoren


Der plötzliche und unerwartete Tod eines Epilepsiepatienten kann durch folgende Risikofaktoren begünstigt werden:

  • unkontrollierte generalisierte tonisch-klonische Anfälle
  • fokale Epilepsien
  • subtherapeutische oder schwankende Spiegel der Antiepileptika
  • Alter des Betroffenen zwischen 15 und 45 Jahren
  • männliches Geschlecht
  • häufiger Wechsel der Medikamente
  • Vorliegen neurologischer Defizite oder einer Behinderung
  • Alkoholabusus
  • Einnahme mehrerer Antikonvulsiva
  • frühe Krankheitsmanifestation, längere Krankheitsdauer
  • hohe Anfallsfrequenz
  • Non-Compliance
  • Anfälle während des Schlafes oder in Abwesenheit anderer Menschen

Präventionsmaßnahmen

Um das Risiko für einen plötzlichen, unerwarteten Tod zu verringern, kommen mehrere präventive Maßnahmen in Betracht. Die Wichtigste ist das Vermeiden tonisch-klonischer Anfälle durch eine adäquate Behandlung. Damit verbunden sind die regelmäßige Untersuchung und Überwachung des Patienten, eine zuverlässige Compliance (regelmäßige Einnahme der Medikamente), die Auswahl der richtigen Medikamente in der richtigen Dosis (keine subtherapeutischen Dosen, nach Möglichkeit keine Mehrfachtherapie), kein rascher Wechsel bei einer Umstellung und kein plötzliches Absetzen der Antiepileptika. Des Weiteren sollte auf potenzielle Warnzeichen wie schwere Bradykardien nach dem Anfall oder Apnöen geachtet werden. Ferner ist auf eine gesunde Lebensführung zu achten, Alkohol sollte gemieden werden. Der Betroffene sollte nach Möglichkeit auf dem Rücken und nicht alleine im Zimmer schlafen (ein Schütteln des Betroffenen und das Herbeiführen einer stabilen Seitenlage können das Atemzentrum im Gehirn wieder anregen). Patienten mit hohem Risiko sollten in Epilepsiezentren eingestellt und überwacht werden. Spricht die medikamentöse Therapie nicht an, kann ein epilepsiechirurgischer Eingriff erwogen werden.

Aufklärung des Patienten – ja oder nein?

Die Frage, ob und wann ein Epilepsiepatient über sein erhöhtes SUDEP-Risiko aufgeklärt werden soll, wird kontrovers diskutiert. Gegen eine ausführliche Aufklärung aller Patienten spricht, dass die Information beim Betroffenen Stress und Ängste hervorrufen kann und die Lebensqualität nachteilig beeinflusst. Die Verfasser obiger Übersichtsarbeit sind aber der Meinung, dass die meisten Patienten informiert werden sollten, da Epilepsie zwar keine lebensbedrohliche Erkrankung ist, aber dennoch das Risiko besteht, einen plötzlichen, unerwarteten Tod zu erleiden. Der Hinweis, dass dieses Risiko durch eine Kontrolle der tonisch-klonischen Anfälle minimiert werden kann, verbessert möglicherweise die Compliance. Die Informationen über SUDEP sollten im Rahmen eines ausführlichen Beratungsgespräches erfolgen. Dabei ist es wichtig, das potenzielle Risiko in der richtigen Dimension – etwa vergleichbar mit dem jährlichen Risiko, einen tödlichen Verkehrsunfall zu erleiden – darzustellen.


Quelle

Shorvon S., et al.: Sudden unexpected death in epilepsy. Lancet online 6. Juli 2011; DOI:10.1016/S0140-6736 (11)60176-1.

www.uniklinik-freiburg.de/epilepsie/live/infos/sudep.html


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 2, S. 42

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