Aus Kammern und Verbänden

Neurologische und psychiatrische Erkrankungen

Das 8. Europäische Pharmazeutinnen Treffen fand vom 20. bis 22. April in Manchester statt – zusammen mit der 107th Annual Conference of the National Association of Women Pharmacists (NAWP). Die britischen Kolleginnen hatten ein attraktives Vortragsprogramm zum Thema "Neurological Disorders" zusammengestellt, das auch genügend Zeit für Diskussionen bot.
Frühling in Manchester – auch bei Regen sehenswert.
Foto: Hahn

Der Kongress wurde mit dem Vortrag "Overview of more commonly encountered neurological diseases and their diagnosis” eröffnet. Dr. Mark Robert, Neurologe am Kinderkrankenhaus des Universitätsklinikums Manchester, berichtete sehr engagiert über die Krankheitsbilder Kopfschmerz, Schlaganfall, multiple Sklerose, Morbus Parkinson und Epilepsie. Er stellte zuerst die wichtigsten Merkmale der Krankheiten vor und beschrieb dann neuartige diagnostische Verfahren. Durch seine vielfältigen Erfahrungen aus der täglichen Praxis gelang es ihm, die Probleme, aber auch die Fortschritte bei der Behandlung dieser neurologischen Erkrankungen sehr anschaulich darzustellen.

Rehabilitation nach Schlaganfall

Im zweiten Vortrag berichtete Claire Rose, Physiotherapeutin an der Klinik für Rehabilitation am Klinikum in Tregaron/Wales, über Netzwerke zur Verbesserung von Dienstleistungen für neurologisch geschädigte Patienten.

Unter dem Titel "Management of stroke and other neurological diseases from a physiotherapist‘s perspective” berichtete sie über die Arbeit der Welch Stroke Alliance (WSA). Grund für die Gründung der WSA war eine Analyse, die zeigte, dass es zu wenig Personal zur Pflege von Schlaganfallpatienten gibt und dass in vielen Krankenhäusern nicht nach den Best-Practice-Richtlinien therapiert wird.

Die WSA erreichte in den letzten Jahren enorme Verbesserungen für die Patienten, sodass die Behandlung heute vergleichbar ist mit anderen Regionen in England. Nicht nur die medikamentöse Therapie hat sich verbessert, sondern es werden auch Workshops angeboten, in denen Betroffene geschult werden, ihr Leben besser zu meistern. Weiterhin berichtete Claire Rose über das Programm "National service framework for stroke in older people". Es ist das erste Programm für eine integrative, qualitativ hochwertige Gesundheits- und Sozialbetreuung von älteren Menschen nach einem Schlaganfall und läuft zehn Jahre.

Neue Therapieansätze bei Morbus Parkinson

In ihrem Vortrag "Novel therapies in Parkinson‘s disease – the adenosine receptors" stellte Prof. Dr. Karen Nieber, Leipzig, neue Entwicklungen zur Parkinson-Therapie vor. Mit den heutigen Arzneimitteln lassen sich die Symptome in der Frühphase zwar gut lindern, in der Spätphase wird die Therapie jedoch immer schwieriger. Als eine neue Klasse von Parkinson-Medikamenten werden spezifische Antagonisten des Adenosin-Rezeptor-Subtyps 2A entwickelt, der im Striatum, einem bei Parkinson-Patienten ursächlich betroffenen Gebiet der Basalganglien, dominiert und dort mit Dopamin-D2-Rezeptoren kolokalisiert ist. Bei der Blockade des Rezeptors durch A2A-Antagonisten kommt es infolge inverser Kopplung zu einer gesteigerten motorischen Aktivität. Mehrere potente selektive A2A-Antagonisten wurden in klinischen Studien getestet, allerdings wurde ein entscheidender klinischer Erfolg bisher noch nicht erreicht.

Etwas Besonderes bot der letzte Vortrag des ersten Teils des Kongresses. Sheila North, eine Parkinson-Patientin, bei der Ruhetremor und Verlangsamung der Feinmotorik deutlich zu erkennen waren, berichtete aus ihrem Leben. Emotional, aber auch humorvoll sprach sie über Probleme im Alltags- und im Berufsleben sowie über Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen. Ihr Bericht machte sehr deutlich, dass sie die Freude am Leben trotz fortschreitender Krankheit nicht verloren hat und dass bei dieser Erkrankung der Patient vieles selbst in der Hand hat. Dieser beeindruckende Patientenbericht forderte geradezu heraus zu intensiven Diskussionen. Die Patientin stellte sich für persönliche Gespräche zur Verfügung.

Prävalenz und Ursachen von Medikationsfehlern

Am Nachmittag stellten Studentinnen der Universität Manchester ihre Forschungsprojekte vor. So untersuchte Joy Nicholls die Prävalenz und die Ursachen von Medikationsfehlern bei elektronischen Verordnungen versus handschriftliche Verordnungen. Die elektronische Verordnung war der handschriftlichen überlegen (p = 0,035). Dabei war besonders interessant, dass die meisten Fehler zwischen 12 und 15 Uhr auftraten.

Zwar wurden die meisten Fehler im jeweils nächsten Kontrollschritt noch innerhalb der Apotheke detektiert. Trotzdem erstaunte die Fehlerhäufigkeit und mahnte alle Apotheker zur besonderen Sorgfalt vor der Abgabe der Arzneimittel. Mit dieser Untersuchung gewann Nicholls einen Jury-Preis des NAWP.

Der folgende Referent stellte die Hilfsorganisation Pharmacists’ Support vor, die Apothekern bei den verschiedensten Problemen – z. B. Sucht, Hausumbau aufgrund von Erkrankungen, Frühberentung oder familiäre Probleme – mit fachkompetenten Ansprechpartnern zur Verfügung steht und ihnen Hilfsangebote macht. Finanziert wird diese großartige Organisation allein durch Spendengelder.

Pharmazeuten auf Station

Dr. Martina Hahn referierte über das Eichberger Modell, die Implementierung der pharmazeutischen Betreuung in die Psychiatrie nach dem Beispiel der Vitos Klinik Eichberg. In Deutschland sind bisher nur wenige Apotheker auf Station tätig, obwohl die Klinische Pharmazie seit dem Jahr 2001 ein obligatorisches Studienfach ist. Der Schwerpunkt im Pharmaziestudium liegt noch immer auf der Chemie. Zwar sind junge Apotheker sehr gut in Pharmakologie ausgebildet, sie haben aber kaum Erfahrung im Umgang mit Patienten und dem Aufspüren arzneimittelbezogener Probleme. Auch hier ist die Vitos Klinik Eichberg aktiv geworden und bietet jungen Kollegen an, in der Klinik ein Praktikum zu absolvieren. So werden vielleicht künftig mehr Apotheker auf Station tätig sein und dort die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen.

Der nächste Europäische Pharmazeutinnen Kongress wird wieder in Deutschland stattfinden und vom Deutschen Pharmazeutinnen Verband organisiert.


Prof. Dr. Karen Nieber, Leipzig
Dr. Martina Hahn, Eltville



DAZ 2012, Nr. 19, S. 83

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