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Medizin
Das Hautkrebs-ABCDE
Die Inzidenz von malignen Hauttumoren nimmt in den letzten Jahrzehnten in der hellhäutigen Bevölkerung weltweit stärker zu als die Inzidenz anderer Krebsarten. Nach einer im Februar dieses Jahres veröffentlichten Hochrechnung – basierend auf den allgemein anerkannten Daten für Hautkrebs des Krebsregisters Schleswig-Holstein – erkrankten im Jahr 2009 in Deutschland etwa 223.500 Personen an Hautkrebs. Als häufigste dieser Karzinome lassen sich folgende Formen unterscheiden (s. Tab. 1):
Epitheliale Tumoren wie das Basalzellkarzinom (Basaliom) oder das Plattenepithelkarzinom (spinozelluläres Karzinom, Spinaliom) einschließlich In-situ-Vorstufen wie die aktinische Keratose sowie
Tumoren der Pigment bildenden Melanozyten wie das maligne Melanom.
Tab. 1: Hochrechnung zur Häufigkeit von Hautkrebs in Deutschland 2009 auf der Basis des Krebsregisters Schleswig-Holsteins. | |||
Hautkrebsform |
Gesamt |
Männer |
Frauen |
Malignes Melanom
|
25.570
|
12.490
|
13.080
|
Basalzellkarzinom (Basaliom) |
132.970 |
65.530 |
67.440 |
Plattenepithelkarzinom
|
64.920
34.830 30.090 |
34.730
|
30.190
|
Hautkrebs gesamt |
223.460 |
112.750 |
110.710 |
Hauptursache UV-Strahlung
Die Ätiologie des Hautkrebses ist komplex. Eine gemeinsame Ursache aller Hautkrebsformen ist die wiederholte Einwirkung ultravioletter Strahlung als karzinogener Faktor des Sonnenlichts. Durch die UV-induzierten Hautschäden kommt es zu Mutationen in Genen, die für zelluläre Reparaturvorgänge verantwortliche Proteine kodieren, etwa für die Induktion von Apoptose zur Elimination beschädigter Zellen oder für die Reparatur von DNA-Schäden. Die additiven Effekte dieser Genmutationen können zu fehlerhafter Zellzykluskontrolle und abnormer Zellproliferation führen und somit eine Tumorentwicklung verursachen.
Maligne Melanome treten sehr häufig bei hellhäutigen Menschen mit roten oder blonden Haaren auf (Hauttyp I, s. Abb. 1*), die zu Sommersprossen-Bildung neigen, nicht bräunen und sehr leicht einen Sonnenbrand erleiden. Ursächliche Mutationen im Melanocortin-1-Rezeptor werden diskutiert, möglicherweise bilden Betroffene nach UV-Exposition nicht mehr das photoprotektive Eumelanin, sondern das photosensitivierende und potenziell mutagene Phäomelanin.
Unter intermittierender UV-Belastung der Haut kommt es bereits in der Kindheit zu gutartigen melanozytären Neubildungen, den melanozytären Nävi. Je mehr melanozytäre Nävi sich bei einer Person entwickelt haben, desto höher ist das Risiko für die spätere Ausbildung eines malignen Melanoms (s. Abb. 2*). Allerdings entstehen auch viele maligne Melanome "de novo", also nävusunabhängig.
Es gibt Hinweise, dass das maligne Melanom autosomal dominant vererbt werden kann, bei Betroffenen kommt es häufig auch zu anderen (Haut-)Tumoren. Die Bedeutung toxischer, medikamentöser oder endokriner Einflüsse (Gravidität) wird derzeit noch kontrovers beurteilt. Für immunologische Faktoren bei der Progression des malignen Melanoms sprechen einerseits Spontanremissionen und andererseits aggressive Verläufe bei immunsupprimierten Patienten.
Die wichtigsten ätiologischen Faktoren des Basalzellkarzinoms (s. Abb. 3*) sind ebenfalls eine genetische Disposition mit geringer Hautpigmentierung sowie die UV-Belastung der Haut. Es entwickelt sich in 70 bis 80% der Fälle auf chronisch lichtexponierten Körperarealen wie der Nase oder der Stirn, in der Regel ohne Präkanzerose. Allerdings ist auch eine Tumorentstehung an sonnengeschützten Körperpartien möglich. Basalzellkarzinome auf Narben und auf Naevi sebacei (Talgdrüsennävi) werden beobachtet, andere ätiologische Faktoren sind eine langfristige Immunsuppression oder assoziierte Syndrome wie Xeroderma pigmentosum oder das Basalzellnävussyndrom.
Auch das spinozelluläre oder Plattenepithelkarzinom der Haut (s. Abb. 4*) entwickelt sich häufig auf den o. g. "Sonnenterrassen", kann aber auch im Bereich der Lippen oder Augenlider auftreten. Der wichtigste ätiologische Faktor ist ebenfalls die chronische UV-Exposition insbesondere bei UV-empfindlichen Individuen mit heller Pigmentierung. Ein besonderer Risikofaktor ist das Vorhandensein einer sog. aktinischen Keratose, auch solare oder Licht-Keratose genannt. Hierbei handelt es sich um eine chronische Schädigung der verhornten Oberhaut mit pathologischer Vermehrung der Keratinozyten. UV-spezifische Mutationen im p53-Tumorsuppressorgen begünstigen die Entstehung der aktinischen Keratose, da die p53-abhängige Apoptose UV-geschädigter Zellen verhindert wird.
Die aktinische Keratose gilt heute als Präkanzerose bzw. In-situ-Vorstufe des Plattenepithelkarzinoms der Haut, sie geht in 10 bis 15% der Fälle in ein sich ausbreitendes Karzinom über.
Melanom mit früher Metastasierung
Das Basalzellkarzinom ist ein lokal destruierender maligner Hauttumor, der in der Regel keine Metastasen bildet. Es entwickelt sich über Monate bis Jahre und geht in langen Verläufen in ulzerierende Läsionen über, die auch tiefe Gewebsstrukturen zerstören können.
Wenn hierdurch lebenswichtige Strukturen vor allem der Kopf-Hals-Region erreicht werden (z. B. die Schädelbasis, die Arteria carotis), sind letale Verläufe möglich. Das Durchschnittsalter in Mitteleuropa für die Erstmanifestation liegt derzeit bei 60 Jahren, allerdings ist eine Tendenz zu jüngerem Manifestationsalter deutlich erkennbar. Männer und Frauen sind gleichmäßig betroffen.
Auch das Plattenepithelkarzinom der Haut, der Lippen und der Augenlider ist ein maligner Tumor, der sich lokal destruierend ausbreitet, aber nicht häufig metastasiert. Eine Metastasierung entwickelt sich fast immer primär lymphogen lokoregionär, betroffen sind nur ca. fünf Prozent der Tumorpatienten. Die Fünfjahresüberlebensrate bei Metastasierung beträgt 25 bis 50%. Das Manifestationsalter liegt derzeit bei etwa 70 Jahren, wobei das Plattenepithelkarzinom der Haut bei Männern häufiger auftritt als bei Frauen.
Die Inzidenz des malignen Melanoms nimmt weltweit zu, insbesondere bei stark sonnenexponierten hellhäutigen Bevölkerungsgruppen. Im Verhältnis zur Tumormasse besteht eine frühe Tendenz zur Metastasierung – in Lungen, Leber, ZNS, Haut, Knochen – und damit eine ungünstige Prognose. Das maligne Melanom ist etwa für 90% der Mortalität an Hautkrebs verantwortlich. Der vorherrschende Typ (rund 58% der Fälle) ist das oberflächlich spreitende (sich ausbreitende) Melanom (SSM), das mit einer günstigeren Prognose einhergeht.
Im Jahr 2008 – dem Jahr der Einführung des neuen Früherkennungsprogramms für Hautkrebs – stieg in Deutschland die Morbiditätsrate für das maligne Melanom um 15 bis 20%, wohingegen die Mortalitätsrate seit der Jahrtausendwende nahezu unverändert blieb.
Derzeit liegen die Fünfjahres-überlebensraten für Männer bei 87% und für Frauen bei über 90%. Zu diesen mittlerweile sehr günstigen Überlebensraten trägt vor allem die Tatsache bei, dass etwa jedes zweite Melanom in einem noch frühen Tumorstadium (T1) entdeckt wird.
Hohe Akzeptanz des Hautkrebsscreenings
Früh erkannt ist Hautkrebs zu nahezu 100 Prozent heilbar. Primäres Ziel eines flächendeckenden Hautkrebsscreenings ist zum einen die Senkung der Mortalität durch Entdeckung des Karzinoms, vor allem des malignen Melanoms, in einem frühen, prognostisch günstigen Stadium oder die Senkung der Inzidenz durch Entdeckung einer Präkanzerose, z. B. der aktinischen Keratose. Bei Hautkrebsformen mit geringer Mortalität liegt der Nutzen der Früherkennung vor allem in der Reduktion der Morbidität bzw. der Möglichkeit eher schonender Therapieverfahren.
Seit dem 1. Juli 2008 haben gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren in Deutschland alle zwei Jahre einen Anspruch auf eine Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung. Berechtigt zur Durchführung des Screenings sind hausärztlich tätige Fachärzte für Allgemeinmedizin, innere Medizin, praktische Ärzte sowie natürlich Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Als Voraussetzung muss die Teilnahme an einem speziellen zertifizierten Fortbildungsprogramm nachgewiesen werden. Zu einem vollständigen Hautkrebsscreening (s. Kasten) gehören die Dokumentation mithilfe einer von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zertifizierten Software sowie gegebenenfalls auch eine qualitätsgesicherte histopathologische Befundung. Derzeit steht es dem untersuchenden Arzt frei, das Hautkrebsscreening mit oder ohne Auflichtmikroskop durchzuführen. Bislang erfolgten laut KBV etwa 60% der Untersuchungen bei Hausärzten und 40% bei Hautärzten.
Hautkrebsscreening – der AblaufVom Untersucher wird eine Ganzkörperinspektion des entkleideten Menschen durchgeführt, das visuell standardisierte Screening umfasst folgende Körperteile bzw. -regionen:
|
In seiner gegenwärtigen Form (s. Abb. 5) ist das zweistufige Massenscreening vorerst bis zum 30. Juni 2013 befristet.
Nach Angaben der Deutschen Krebshilfe ist die Akzeptanz des Hautkrebsscreenings in der Bevölkerung hoch – von den 45 Millionen Anspruchsberechtigten haben bis heute rund 13,5 Millionen diese Krebsvorsorgeuntersuchung wahrgenommen. Dementsprechend konnten in den ersten beiden Jahren des Screenings bundesweit deutlich mehr Hautkrebsfälle diagnostiziert werden als zuvor, so erhöhte sich die Zahl der Betroffenen von 193.000 im Jahr 2007 auf etwa 223.500 im Jahr 2009. Basierend auf Daten des einjährigen Pilotprojektes zur systematischen Hautkrebsfrüherkennung in Schleswig-Holstein von 2003 bis 2004 ließ sich feststellen, dass die Sterblichkeit am malignen Melanom in diesem Bundesland heute nur noch halb so hoch ist wie noch vor zehn Jahren.
ABCDE-Regel zur Selbstuntersuchung
Da Hautkrebs bzw. seine Vorstufen in der Regel sichtbar und tastbar sind, ist die regelmäßige Selbst- bzw. gegenseitige Untersuchung ein wichtiger Aspekt der Krebsfrüherkennung. Abklärungsbedürftig sind alle neuen auffälligen Hautveränderungen, vor allem neu auftretende und/oder sich nach Jahren plötzlich verändernde Pigmentnävi. Hilfreich zur Beurteilung von "Muttermalen" oder "Leberflecken" ist die ABCD- oder ABCDE-Regel. Treffen zwei der folgenden fünf Kriterien auf einen verdächtigen Pigmentfleck zu, wird in der Regel zu einer prophylaktischen Entfernung des Flecks geraten (s. Abb. 6 a-d):
A = Asymmetrie (s. Abb. 6 a): Ungleichmäßige asymmetrische Form eines neuen Hautflecks, d. h. nicht gleichmäßig rund, oval oder länglich. Auch dementsprechende Veränderung eines bislang gleichmäßigen Flecks.
B = Begrenzung (s. Abb. 6 b): Hautfleck mit verwaschenen, gezackten, unebenen oder rauen Rändern, wächst ausgefranst in den gesunden Hautbereich.
C = Colour (s. Abb. 6 c): Unterschiedliche Färbungen bzw. hellere und dunklere Bereiche in einem Pigmentfleck, keine gleichmäßige Färbung, sondern z. B. vermischt mit Rosa, Grau oder schwarzen Punkten.
D = Durchmesser (s. Abb. 6 d): Durchmesser an der breitesten Stelle größer als 5 mm oder Pigmentfleck mit Halbkugelform.
E = Erhabenheit (s. Abb. 6 d): Pigmentfleck neu und in kurzer Zeit entstanden auf sonst flachem Grund.
Primäre Prävention: UV-Strahlung meiden
Vor allem ein verändertes Freizeitverhalten (Sonnenurlaube, Solarien) und Prestigedenken (Hautbräune als Faktor für hohes Selbstwertgefühl) sind die Hauptursache für die Zunahme der Hautkrebserkrankungen in den letzten Jahrzehnten. Fatal ist hierbei vor allem die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche die damit verbundenen Ansprüche und Verhaltensmuster übernehmen.
Andererseits ist allgemein bekannt, dass UV-Strahlung durch die Verursachung von Hautläsionen wie Sonnenbrand unbestritten das "Hauptkarzinogen" bei allen Hautkrebsformen darstellt. Da ein intelligenter Umgang mit UV-Exposition in der Regel auch im individuellen Alltag (sowie Urlaub) möglich sein sollte, eignet sich der Hautkrebs mehr als andere Krebsformen zur primären Prävention (s. Kasten).
In erster Linie ist zu beachten, dass einige Körperpartien als sog. Sonnenterrassen besonders gefährdet sind und vor UV-Strahlung geschützt werden müssen. Dazu gehören nicht nur die Stirn, die Schultern, der Nasenrücken und das Dekolleté, sondern auch die unbehaarte Kopfhaut (bzw. der Scheitel), der Rücken, die Augenpartien, die Ohren, die Lippen sowie die Fuß- und Handrücken.
Außer einer hohen UV-Exposition sind – auch und vor allem im Rahmen des Hautkrebsscreenings – folgende individuelle Faktoren zu berücksichtigen, die mit einem erhöhten Risiko für Hautkrebs einhergehen können:
- heller Hauttyp (I-II)
- hohes Lebensalter
- hohe Zahl an Nävuszellnävi
- HPV-Infektion
- supprimierter Immunstatus (z. B. nach Organtransplantation)
- Genodermatosen (z. B. Xeroderma pigmentosum, Basalzellnävussyndrom)
- andere Faktoren (Tabakrauch, Alkoholkonsum, Ernährung)
Sonnenbrand muss nicht sein
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Deutsche Leitlinie in Arbeit
Wie bei anderen Screening- oder Präventionsprogrammen wird auch der Nutzen der flächendeckenden Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung kontrovers diskutiert. Skepsis lässt sich aus Veröffentlichungen der U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) herauslesen: In einem 2009 erschienenen Review wurden alle englischsprachigen randomisiert-kontrollierten Studien zwischen 1999 und 2005 zum Hautkrebsscreening berücksichtigt, sofern tatsächlich eine Inspektion des gesamten Körpers durchgeführt wurde. In Bezug auf den primären Endpunkt kam die Auswertung zu dem Ergebnis, dass kein Beweis dafür erbracht werden konnte, dass eine ärztliche Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung (ggf. mit der Entdeckung von Frühstadien) mit einem Rückgang der Mortalität und Morbidität von Hautkrebs einhergeht.
Ungeachtet dessen soll in Deutschland – angemeldet von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKD) – bis zum 31. Dezember 2012 eine S3-Leitlinie zur Prävention und Früherkennung des Hautkrebses fertiggestellt werden. Beteiligte Fachgesellschaften sind u. a. die
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie der DKG (ADO) und der Berufsverband Deutscher Dermatologen (BVDD). Ziel ist im genannten Kontext eine höhere Lebensqualität der Bevölkerung, zum einen durch eine Reduktion der Mortalität und Morbidität insbesondere beim malignen Melanom, zum anderen durch eine Reduktion der Inzidenz (durch präventive Beratung und/oder Behandlung von Vorstufen wie der aktinischen Keratose).
*Die Abbildungen 1 bis 4 finden Sie in der Printausgabe der DAZ Nr. 19
Literatur
Autor
Clemens Bilharz,
Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Stuttgart
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