Arzneimittel und Therapie

Es fehlt an Therapieoptionen bei Divertikulitis

Die Divertikelkrankheit ist ein bislang noch weitgehend vernachlässigtes Krankheitsbild. Die Störung ist weit verbreitet, doch es fehlt an Therapiemöglichkeiten und -leitlinien. Zudem sind die verfügbaren medikamentösen wie auch chirurgischen Therapieoptionen kaum systematisch untersucht. Entsprechend kontrovers wird ihre Wertigkeit unter Experten diskutiert – bis hin zu der Frage, wann, wie und wie lange medikamentös behandelt werden kann und wann eine Operation, in aller Regel eine Sigmaresektion, indiziert ist.

Divertikel sind gutartige Veränderungen des Dickdarms. Meist ist vor allem das Sigma betroffen, die Erkrankung kann aber auch in anderen Anteilen des Dickdarms vorkommen. Gelegentlich ist sogar der gesamte Dickdarm betroffen. Diese Ausstülpungen von Wandschichten des Darms, die häufig an den Eintrittspunkten der Blutgefäße in den Darm entstehen, verursachen zumeist keine Beschwerden und werden häufig als Zufallsbefund, zum Beispiel im Rahmen einer Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge, entdeckt. Die Wahrscheinlichkeit, solche strukturellen Veränderungen zu entwickeln, steigt mit dem Lebensalter: So sind entsprechende Ausstülpungen der Darmschleimhaut im Kolon vor dem 50. Lebensjahr eher selten. Danach aber nimmt die Häufigkeit zu, wobei immerhin schon 40% der 65-Jährigen betroffen sind. Mit weiter steigendem Lebensalter steigt auch die Wahrscheinlichkeit, Divertikel im Darm zu entwickeln.

Bei zwei Dritteln der Betroffenen aber bleiben die Veränderungen klinisch stumm und es liegt eine sogenannte Divertikulose vor. Bei rund 30% der Menschen mit Divertikeln aber kommt es zu Entzündungsreaktionen und damit zu einer Divertikulitis mit Symptomen. Es stehen dabei abdominelle Schmerzen – typischerweise ist der Schmerz im linken Unterbauch lokalisiert – und Stuhlunregelmäßigkeiten im Vordergrund, eventuell sogar begleitet von Fieber und weiteren Allgemeinsymptomen.

Hohes Komplikationsrisiko, nicht unerhebliche Mortalität

Gefürchtet ist die Divertikelkrankheit aber vor allem wegen der möglichen Komplikationen. So kommt es bei etwa fünf Prozent der Patienten zu Blutungen und/oder zur Bildung von Stenosen, Abszessen, Fisteln und eventuell sogar zur Perforation und es resultiert eine nicht unerhebliche Mortalität. Die Divertikelblutung ist bei Patienten über 60 Jahre die häufigste Form der unteren Magen-Darm-Blutung und geht meist mit einem großen Blutverlust einher.

Diagnostiziert wird die Divertikelkrankheit üblicherweise per Computertomografie, mit der sich auch die Schwere der Erkrankung abschätzen und zum Beispiel eine Abszessbildung erkennen lässt. Alternativ kommt als Diagnoseverfahren der Ultraschall in Betracht, setzt bei der Abschätzung des Schweregrades der Divertikulitis aber eine entsprechende Schulung und Routine voraus.

Behandlung muss stadiengerecht erfolgen

Die genaue Diagnostik mit Differenzierung einer unkomplizierten und einer komplizierten Divertikulitis ist therapeutisch bedeutsam, da die Behandlung stets stadiengerecht erfolgen sollte, wie auf einer von der Falk Foundation e.V. unterstützten Veranstaltung in Köln deutlich wurde. Problematisch hierbei ist, dass es bislang eine etablierte, klar definierte Stadieneinteilung noch nicht gibt. Unstrittig unter den Experten ist, dass im Fall schwerer Komplikationen wie dem Auftreten von Abszessen, Fisteln, einer Perforation oder einer nicht beherrschbaren Blutung operiert werden muss, was in aller Regel bedeutet, dass eine Sigmaresektion erfolgt. Weitaus häufiger aber liegt eine unkomplizierte akute Divertikulitis vor mit entsprechenden Symptomen des Patienten, wobei es allerdings zu rekurrierenden akuten Krankheitsphasen und damit dann doch zu einer komplizierten Divertikelkrankheit kommen kann.

Therapeutisch stehen damit zum einen die Linderung der akuten Entzündungsreaktion und die Besserung der Symptomatik an und zum anderen soll möglichst dem Auftreten einer erneuten akuten Divertikulitis vorgebeugt werden. Bei mildem Krankheitsverlauf wird üblicherweise ambulant behandelt, wobei diätetische Maßnahmen bis hin zur Nahrungskarenz indiziert sind. Begleitend werden meist Antibiotika gegeben, wobei derzeit allerdings die Wertigkeit der Antibiotikatherapie kontrovers unter den Experten diskutiert wird. Als weitere Therapieoption bietet sich Mesalazin an, denn es gibt aus ersten Studien Hinweise darauf, dass der Wirkstoff einerseits die akute Symptomatik bessert und zugleich dem Auftreten eines erneuten Krankheitsschubes vorbeugen kann. Die therapeutische Wirksamkeit von Mesalazin wird daher zurzeit in mehreren kontrollierten klinischen Studien geprüft.

Therapie und Pathogenese – noch vieles ist im Fluss

Die Therapiekonzepte sind somit derzeit im Fluss. Das gilt auch für die chirurgische Intervention: Anders als früher gilt heutzutage nicht mehr die Regel, dass spätestens nach zwei bis drei akuten Krankheitsphasen eine Sigmaresektion erfolgen sollte. Die Operationsindikation setzt vielmehr voraus, dass morphologische Veränderungen im Zusammenhang mit der Divertikelkrankheit im Ultraschall oder in der Computertomografie nachgewiesen werden.

Auch hinsichtlich der Pathogenese der Erkrankung gibt es derzeit hitzige Diskussionen. Lange galt dabei vor allem eine ballaststoffarme Ernährung als wichtigster Risikofaktor. Inzwischen wird diese Theorie eher zurückhaltend vertreten, da nicht gezeigt werden konnte, dass sich mit ballaststoffreicher Ernährung akuten Krankheitsschüben effektiv vorbeugen lässt. Relevante Risikofaktoren für eine Divertikelkrankheit sind allerdings nach wie vor der moderne Lebensstil mit überkalorischer Ernährung und entsprechendem Übergewicht sowie mangelnde körperliche Betätigung. Zunehmend aber wird davon unabhängig auch eine gewisse genetische Disposition als Krankheitstrigger diskutiert.


Medizinjournalistin Christine Vetter



DAZ 2012, Nr. 18, S. 48

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