Selbstmedikation

Lebertoxisches Umckaloabo®?

Streit über Kausalitätsbewertung der Verdachtsfälle

Verdachtsmeldungen zu lebertoxischen Eigenschaften Pelargonium-haltiger Arzneimittel wie Umckaloabo® haben das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veranlasst, ein Stufenplanverfahren der Stufe I einzuleiten. Nach Bewertung von inzwischen 30 Meldungen (Stand Januar 2012) hält die Behörde einen Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme der zur Behandlung der akuten Bronchitis eingesetzten Präparate und leberspezifischen Nebenwirkungen in sechs Fällen für möglich oder wahrscheinlich. Doch Experten um den Hanauer Gastroenterologen Prof. Dr. Rolf Teschke kritisieren die Kausalitätsbewertung durch die Behörde.

Teschke und seine Arbeitsgruppe hatten zunächst am 21. Februar 2012 in der Online-Ausgabe von Regulatory Toxicology and Pharmacology eine Analyse von 15 Verdachtsmeldungen publiziert, eine Publikation zu weiteren 13 Fällen ist im Druck. Überzeugende Beweise dafür, dass Pelargonium sidoides ein potenzielles Hepatotoxin ist, konnten sie im Rahmen ihrer Bewertung nicht finden.

Dagegen teilt das BfArM in der März-Ausgabe des Bulletins zur Arzneimittelsicherheit mit, dass aufgrund der verfügbaren Daten ein Zusammenhang zwischen der Einnahme Pelargonium-haltiger Arzneimittel und dem Auftreten von Leberschäden, Hepatitiden und Ikterus zumindest als möglich einzustufen ist. In sechs Fällen sei ein Kausalzusammenhang als möglich oder wahrscheinlich bewertet worden (siehe Tabelle).

Biopsieergebnisse zu Verdachtsmeldungen von Hepatitiden im Zusammenhang mit der Anwendung von Pelargonium-haltigen Arzneimitteln, bei denen vom BfArM der Kausalzusammenhang als möglich oder wahrscheinlich bewertet wurde [aus Friemel A, Sachs B: Hepatotoxische Reaktionen im Zusammenhang mit der Anwendung von Pelargonium-haltigen Arzneimitteln. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 1, März 2012].

Alter/Geschlecht
Anwendungsdauer
Zeit bis zum
Auftreten der UAW
histologischer Befund
54 Jahre / männlich
16 Tage
3 Wochen
akute Hepatitis mit sog. Mottenfraß-Nekrosen, Ursache am ehesten toxische Störung
55 Jahre / männlich
2 Tage
2 Tage
möglicherweise medikamentös induzierte Hepatitis mit Granulombildung
40 Jahre / männlich
ca. 2 – 3 Wochen
3– 4 Wochen
medikamentös bedingte Hepatitis mit kanalikulärer Cholestase ohne Nekrosen
46 Jahre / weiblich
6 Tage
8 Tage
Hepatitis mit Cholestase und Nekrose
64 Jahre / männlich
Hepatitis mit schwerer entzündlicher Aktivität mit beginnender Fibrose, Nekrosen, hepatozellulärer und kanalikulärer Cholestase (medikamentös-toxischer Leberparenchymschaden)
46 Jahre / männlich
portal akzentuierte Hepatitis mit geringer Steatose, sehr geringer Cholestase sowie geringer Portalfibrose

Maßnahmen angekündigt

Deshalb prüft das BfArM zurzeit in Zusammenarbeit mit der europäischen Pharmakovigilanz-Arbeitsgruppe und dem Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur adäquate Maßnahmen zur Risikominimierung.

Der Hersteller von Umckaloabo®, Spitzner Arzneimittel, kritisiert, dass weder das BfArM noch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zur Beurteilung international anerkannte leberspezifische Bewertungsalgorithmen verwenden würde, eine Kritik die auch Teschke et al. in ihren Publikationen teilen. Wir haben sowohl das BfArM als auch Professor Teschke um Stellungnahme gebeten (s. Kästen).

Ungeeigneter RUCAM-Score ...

Das BfArM sieht keine Veranlassung, aufgrund der schon erschienenen Teschke-Publikation seine Bewertung zu relativieren. Es hält die Anwendung der WHO-Kausalitätskriterien vor dem Hintergrund fehlender Details für adäquat und Summenscores wie den von Teschke angewendeten RUCAM-Score für ungeeignet.

... oder höchst umstrittene WHO-Kriterien?"

Auch Teschke bestätigt, dass bei praktisch jedem gemeldeten Verdachtsfall wichtige Daten fehlen. Das würde jedoch in dem von ihm angewendeten Score im Gegensatz zu der WHO-Skala durch Nichtvergabe von Plus- oder Vergabe von Minuspunkten berücksichtigt. Damit würde die RUCAM-Bewertung ein Höchstmaß an Transparenz liefern. Die WHO-Kausalitätskriterien seien dagegen nicht leberspezifisch und höchst umstritten.


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Prof. Dr. med. Rolf Teschke

Interview: "WHO-Kriterien sind nicht für Lebertoxizität validiert!"


DAZ: Herr Professor Teschke, das BfArM erklärt in der jüngsten Ausgabe des Bulletins zur Arzneimittelsicherheit, dass sich die Verdachtsmeldungen zu einer Pelargonium-sidoides-induzierten Hepatotoxizität in der letzten Zeit gehäuft haben und spricht von insgesamt 30 Meldungen bis Januar 2012. Welche Fälle haben Sie analysiert?

Teschke: Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sprach im Juli 2011 nur von insgesamt 19 Meldungen und übermittelte uns auf Anfrage kollegial und bereitwillig entsprechende Details, die von uns ausgewertet und zwischenzeitlich auch in unserer ersten Arbeit publiziert wurden. Die Fälle stammten aus den Jahren 2004 bis 2011 und waren primär der AkdÄ oder dem BfArM als Spontanmeldungen zur Kenntnis gebracht worden. Unter den 19 Meldungen fanden wir bei unserer Auswertung jedoch vorab schon zweimal Doppelmeldungen, die zuvor weder der AkdÄ noch dem BfArM aufgefallen waren. Bei einem 3. Fall konstatierte die AkdÄ selbst eine nicht beurteilbare Kausalität, und bei einem 4. Fall zog der berichtende Arzt die vermutete Kausalität später gegenüber der AkdÄ wegen anders lautender Befunde aktenkundig zurück. Somit hätten anstelle der anfänglichen 19 eigentlich nur noch 15 Fälle präsentiert werden dürfen. Spätere Recherchen unsererseits und seitens des BfArM haben weitere 13 Meldungen ebenfalls aus den Jahren 2004 bis 2011 aufgezeigt, die auch wieder ausgewertet und deren Ergebnisse bereits zur Publikation angenommen wurden. Insgesamt wurden in unseren beiden Publikationen somit anfänglich 32 und später nur 28 Meldungen eingehend ausgewertet, Hinweise für einen Kausalzusammenhang ergaben sich dabei allerdings in keinem einzigen der evaluierten Fälle.


DAZ: Das BfArM hält einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Leberschäden, Hepatitiden und Ikterus für möglich und stuft in Einzelfällen einen Kausalzusammenhang als wahrscheinlich ein. Dazu werden sechs Fälle tabellarisch aufgeführt (s. Tab.). Wurden diese Fälle auch in Ihren Publikationen bewertet? Wenn ja, wie erklärt sich die unterschiedliche Einschätzung?

Teschke: Es bleibt unklar, auf welcher Basis und welchen Kriterien das BfArM welchen Einzelfällen eine mögliche oder wahrscheinliche Kausalität zuspricht, daher ist dieser Einschätzung unsererseits nicht zuzustimmen. Das BfArM steckt in dem Dilemma, mit unzureichenden Falldokumentationen und inadäquater Kausalitätsevaluierung Kausalitätsgrade darzustellen, die nicht nachvollziehbar sind. Auch die angesprochene Tabelle verwirrt mehr als dass sie klärt. Anstelle der histologischen Befunde hätte aus Gründen der Transparenz jeder einzelne Befund eines jeden Falls dargestellt und diskutiert werden sollen. Im Übrigen, unter den tabellarisch angeführten Fällen ist vorab bei den Fällen 5 und 6 eine Kausalität nicht belegt und daher abzulehnen, da sowohl Anwendungsdauer als auch die Zeit bis zum Auftreten der Nebenwirkungen nicht bekannt sind und somit eine temporäre Assoziation als Voraussetzung einer kausalen Assoziation fehlt. Diese beiden Fälle machen offenkundig, wie inadäquat und fast verzweifelt das BfArM mit fehlenden Daten umgeht, nur um Fallzahlen um jeden Preis der wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit zu generieren. Die tabellarisch aufgeführten Fälle fanden nach vorläufiger Einschätzung der spärlichen Datenpräsentation seitens des BfArM in unseren beiden Publikationen Berücksichtigung, eine definitive Verifizierung ist allerdings erst nach Vorlage der genauen Fallnummern durch das BfArM möglich.


DAZ: Wie wird ermittelt, ob ein Kausalzusammenhang zwischen Leberschäden und der Einnahme eines Arzneimittels besteht? Welches Vorgehen haben Sie angewendet? Wie sind die WHO-Kriterien zu bewerten?

Teschke: Grundvoraussetzung für einen Kausalzusammenhang ist eine gesicherte zeitliche Assoziation zwischen Anwendungsdauer und dem Auftreten der UAW, die aber allein schon bei zwei der insgesamt sechs BfArM-Meldungen in deren Tabelle nicht gegeben ist. Für vermutete Fälle von Lebertoxizität durch Arzneimittel und pflanzliche Mittel findet weltweit die Skala von CIOMS (Council for International Organizations of Medical Sciences) in seiner Originalversion und seiner aktualisierten Form breite Anwendung, auch bei der EMA (European Medicines Agency). CIOMS, auch als RUCAM bekannt, ist eine leberspezifische, für Hepatotoxizität validierte, strukturierte und quantitative Kausalitätsmethode mit besonderer Berücksichtigung von Latenzzeiten, Abklingphasen, Risikofaktoren, Reexpositionstests und alternativer Diagnosen einschließlich der verschiedenen Formen der Virushepatitiden. AkdÄ und BfArM haben bei Ihren Verdachtsmeldungen beispielsweise Alternativdiagnosen außer Acht gelassen und das Problem unzureichender Ausschlusskriterien schlichtweg ignoriert. So wurden bei den von uns eingehend analysierten 28 Fällen in 20 Fällen selbst eine Hepatitis A und in 19 Fällen eine Hepatitis B und eine Hepatitis C überhaupt nicht ausgeschlossen; für Infektionen durch Zytomegalie, Epstein-Barr-Virus, Herpes-Simplex-Virus und Varizella-Zoster-Virus lagen die fehlenden Ergebnisse mit 25, 24, 27 und 28 Fällen sogar noch deutlich darüber. CIOMS stellt klare Fragen und erwartet klare Antworten, was Wissenschaftler und Ärzte mögen und regulatorische Behörden gerne zu umgehen versuchen. Letztere präferieren daher Algorithmen wie die Skalen von Naranjo oder der WHO, die insgesamt ungenau bezüglich Fragen und Antworten sind; dabei stört offensichtlich nicht, dass sie darüber hinaus als leberunspezifische Methoden für Lebertoxizität nicht validiert wurden und höchst umstritten sind.


DAZ: Auch das BfArM beruft sich auf WHO-Kriterien ...

Teschke: Warum sich das BfArM auf die allgemein gehaltenen und insgesamt nicht validierten WHO-Kriterien beruft, ist nicht nachvollziehbar. Unstrittig ist, dass bei praktisch allen angesprochenen Verdachtsmeldungen wichtige Daten schlichtweg fehlen. Die Skala von CIOMS/RUCAM berücksichtigt dies im Gegensatz zur WHO-Skala mit Nichtvergabe von Pluspunkten oder Vergabe von Minuspunkten und bietet somit ein Höchstmaß an Transparenz, auch in Form eines niedrigen Summenscores. Dies ist jedoch nicht das einzige Dilemma für den Bereich der Pharmakovigilanz. Die WHO-Skala ist nicht leberspezifisch, und da sie nicht auf Hepatotoxizität ausgerichtet ist, ist sie als Methode der Kausalitätsevaluierung diesbezüglich auch nicht validiert worden; die Auswertung beruht auch nicht auf quantitativer Basis. Bei Leberspezialisten kommt daher die WHO-Skala nicht zur Anwendung. Immerhin lässt sich mit Hilfe der WHO-Skala praktisch für jeden Fall eine mögliche oder höhere Kausalität konstruieren, das kommt regulatorischen Behörden sehr entgegen und steigert deren Fallzahlen, sofern sie sich nicht auf das Zusammenzählen der einfachen Fallmeldungen beschränken wollen. Bei Kausalitätsprüfungen ist jedoch Qualität der Evaluierungsmethode entscheidender als Quantität der Meldungen, das muss auch für das BfArM gelten.


DAZ: In der Zwischenzeit hat das BfArM seine Bewertung verteidigt und unter anderem erklärt, dass der einzige Fall, bei dem es zu einer Lebertransplantation gekommen ist, von Ihrem Autorenteam nicht berücksichtigt worden ist, obwohl die Daten übermittelt worden sind.

Teschke: Die AkdÄ hatte auf Basis ihrer Anfrage bei uns und erst durch unsere Vermittlung weitere Daten speziell zu diesem Fall erhalten, an dem seitens der AkdÄ und des BfArM wegen widersprüchlicher Kausalitätszuschreibungen und unzureichender Dokumentation bisher offensichtlich wenig oder kein Interesse bestand. Richtig ist, dass es diese Fallmeldung einer Lebertransplantation gab. Problematisch war hier eine Polymedikation, die eine gesicherte temporäre Assoziationsannahme nicht zuließ. Symptome der beginnenden Lebererkrankung waren offenbar schon vor Einnahme zumindest eines Teils der Polymedikation vorhanden oder daher auch Anlass für das Einsetzen dieser Polymedikation. Die behandelnden Ärzte hatten damals die Lebererkrankung mit einem bestimmten pflanzlichen Mittel, also nicht dem Pelargonium-Präparat, in einen kausalen Zusammenhang gebracht. Unsere Recherchen ließen einen solchen Zusammenhang bei fehlender zeitlicher Assoziation jedoch nicht zu. Dies gilt auch für das zusätzlich kurzfristig eingenommene Pelargonium-Präparat. Stark gegen eine medikamentös-bedingte Ursache insgesamt spricht auch, dass nach Absetzen der gesamten Polymedikation ein zu erwartender, typischer und richtungweisender Abfall der Leberwerte nicht dokumentiert ist. Ohne jedoch auf Details und die Vorgeschichte einzugehen und diese zu bewerten, nennt die WHO als vermutete Auslöser aus formalen Gründen das Pelargonium-Präparat, ein Multikomponenten-Präparat und Norethisteron. Unter all diesen Aspekten ist daher weiterhin von einer ungeklärten Kausalität dieser Lebererkrankung auszugehen, und dieses Ergebnis wird auch in unserer zweiten Publikation mitgeteilt.


DAZ: Herr Professor Teschke, danke für das Gespräch!


Referenzen

[1] Teschke R, Frenzel C, Schulze J, Eickhoff A.: Spontaneous reports of primarily suspected herbal hepatotoxicity by Pelargonium sidoides: Was causality adequately ascertained? Regulatory Toxicology and Pharmacology 2012; 63: 1-9.

[2] Teschke R. et al.: Initially purported hepatotoxicity by Pelargonium sidoides: the dilemma of pharmcovigilance and proposals for improvements. Zur Publikation angenommen und im Druck.


Prof. Dr. med. Rolf Teschke, Klinikum Hanau, Medizinische Klinik II, Leimenstr. 20, 63450 Hanau, rolf.teschke@gmx.de


Interviews Dr. Doris Uhl, Stuttgart


Fragen an das BfArM: "Kausalitätsbewertung nach WHO ist adäquat!"


DAZ: Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Rolf Teschke ist mit dem Anliegen gestartet, alle dem BfArM und der AkdÄ gemeldeten Fälle zu analysieren. Welche Unterlagen wurden zur Verfügung gestellt?

BfArM: Herrn Teschke wurden von Seiten des BfArM und der AkdÄ die Dokumentationen zu 23 Verdachtsmeldungen zu leberspezifischen UAW im Zusammenhang mit der Anwendung von Pelargonium aus der UAW-Datenbank des BfArM zur Verfügung gestellt. Zusätzlich liegen dem BfArM weitere Fälle aus der EudraVigilance-Datenbank (ein Fall aus Italien und ein Fall aus der Schweiz) sowie weitere Fälle die im Rahmen der Beantwortung des Stufenplanschreibens zu Pelargonium beim BfArM eingegangen sind vor, so dass sich eine Gesamtzahl von 30 leberspezifischen UAW ergibt.


DAZ: In dem Bulletin zur Arzneimittelsicherheit wird von einem Fall berichtet, in dem eine Lebertransplantation erforderlich war. Wurde dieser Fall auch von Teschke und Kollegen analysiert?

BfArM: Die Dokumentation zu diesem Fall wurde Herrn Teschke von der AkdÄ zur Verfügung gestellt. Der Fall wurde in der bisher erschienen Publikation von Teschke et al. allerdings nicht berücksichtigt.


DAZ: Wie bewertet das BfArM die schon publizierte Teschke-Analyse von 15 Fällen?

BfArM: Wie im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit dargestellt, hält das BfArM den Kausalzusammenhang zwischen dem Auftreten von Leberschäden und der Einnahme von Pelargonium-haltigen Arzneimitteln zumindest für möglich, in Einzelfällen wurde die Kausalität als wahrscheinlich eingestuft. Die Bewertung der Einzelfälle erfolgte anhand der WHO-Kausalitätskriterien. In der Arbeit von Teschke et al. wurde der sog. RUCAM-Score für die Fallbewertungen verwendet. Für die Bewertung von Fällen anhand dieses Summenscores sind sehr detaillierte Informationen erforderlich. Neben der Abklärung aller Differenzialdiagnosen, confounding-factors, der Komedikation sind Informationen zum zeitlichen Zusammenhang zwischen der Arzneimitteleinnahme und dem Auftreten der UAW, zu den Leberwerten im zeitlichen Verlauf, zum Ausgang eines Rechallenge etc. notwendig. In praxi enthält die Mehrheit der Spontanberichte nicht diese detaillierten Informationen. Insbesondere bei Arzneimitteln, die überwiegend im Rahmen der Selbstmedikation eingesetzt werden, sind die Falldokumentationen häufig von schlechterer Qualität. Gleichwohl ist es im Sinne der Patientensicherheit wichtig, diese Berichte so weit möglich zu bewerten und bei der Gesamtbewertung des Nutzen-Risiko-Profils eines Arzneimittels zu berücksichtigen. Daher halten wir die Kausalitätsbewertung nach WHO für adäquat.


DAZ: Leberspezialisten sollen die WHO-Kausalitätskriterien nicht akzeptieren. Wie steht das BfArM zu dem Vorwurf, keine international anerkannten Bewertungsalgorithmen anzuwenden?

BfArM: Wie oben dargestellt erfolgte die Bewertung der Einzelfälle anhand der WHO-Skala, bei der es sich um ein etabliertes Schema zur Beurteilung des Kausalzusammenhanges zwischen der Anwendung eines Arzneimittels und dem Auftreten eines unerwünschten Ereignisses handelt. Zur Signalgenerierung ist der RUCAM-Score kein geeignetes Werkzeug, um Signale im Sinne der Patientensicherheit möglichst frühzeitig zu erkennen, da bei Spontanberichten (aus denen nach der Zulassung überwiegend neue Signale generiert werden) häufig nicht genügend Informationen enthalten sind, um diese mit RUCAM zu bewerten (der Großteil der Fälle wäre nicht bewertbar), so dass Risiken/Sicherheitsprobleme erst sehr spät detektiert würden. Wie im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit geschrieben ist es uns wichtig, weitere und insbesondere gut dokumentierte Einzelfälle zu leberspezifischen UAWs zu erhalten, um die Datenlagen zum hepatotoxischen Risiko zu verbessern.


DAZ: Muss Ihre Bewertung aufgrund der Teschke-Analyse relativiert werden?

BfArM: Nein.


DAZ: Danke für das Gespräch!



DAZ 2012, Nr. 14, S. 66

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