Arzneimittel und Therapie

Raucherentwöhnung während der Schwangerschaft: Nicotinpflaster sind nicht effektiver als Placebo

Nicotinpflaster zur Entwöhnung von rauchenden Schwangeren sind nicht wirksamer als ein Placebo. Zu diesem Ergebnis kommt eine englische Studie, deren Aussagekraft aufgrund niedriger Compliance-Raten allerdings begrenzt ist.
Foto Piotr Marcinski – Fotolia.com
Rauchen in der Schwangerschaft istgefährlich, denn Nicotin passiert die Plazenta und wirkt vasokonstriktorisch,was zu Durchblutungsstörungender Plazenta führt. Der Fetus istdabei in allen Phasen der pränatalen Entwicklung gefährdet. Vor allem für starke Raucherinnen wird der Nutzen einer überwachten Nicotinersatztherapiegegenüber den Risiken einerFortsetzung des Rauchens diskutiert.

In Ländern mit hohem Einkommen rauchen schätzungsweise 25% der schwangeren Frauen, in Ländern mit geringem Einkommen steigt ihre Zahl rapide. Mögliche Folgen sind Fehl- oder Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht, verzögerte Entwicklung, kongenitale Missbildungen sowie neonataler oder plötzlicher Kindstod. Bislang gibt es wenig fundierte Untersuchungen, ob eine medikamentöse Unterstützung bei der Entwöhnung hilft, da Wirkstoffe wie Vareniclin oder Bupropion nicht während der Schwangerschaft eingesetzt werden sollten. Anders verhält es sich mit der Substitution von Nicotin: Die Nicotinersatztherapie wird weniger schädlich als Rauchen erachtet und in einigen Leitlinien zur Entwöhnung oder Substitution bei Schwangeren empfohlen. Da der Evidenzgrad dieser Empfehlung nicht bekannt ist, wurden in England Wirksamkeit und Sicherheit dieser Methode in einer randomisierten, multizentrischen, doppelblinden und placebokontrollierten Parallelgruppen-Studie untersucht. Für die Studie wurden 1050 Frauen im Alter zwischen 16 und 50 Jahren ausgewählt, die sich in der zwölften bis 24. Schwangerschaftswoche befanden und täglich fünf oder mehr Zigaretten rauchten. Allen Teilnehmerinnen wurde eine Verhaltenstherapie zur Raucherentwöhnung angeboten. 521 Schwangere erhielten ein Nicotinpflaster (15 mg während 16 Stunden am Tag), 529 ein wirkstofffreies Pflaster. Der primäre Studienendpunkt war die Dauer der Abstinenz vom Zeitpunkt des Rauchstopps bis zur Geburt. Die Sicherheit der Therapie wurde anhand des Schwangerschaftsverlaufs und der Geburt eingeschätzt. Die Abstinenzraten unterschieden sich in den Gruppen nicht signifikant. Sie lagen unter der Nicotinersatztherapie bei 9,4%, unter Placebo bei 7,6% (odds ratio 1,26; 95% Konfidenzintervall 0,82 bis 1,96). Betrachtet man nur den ersten Monat der Intervention, dann lag die Abstinenzrate unter der Nicotinersatztherapie deutlich höher als unter der Verum-Gabe (21,3% vs. 11,7%). Die Compliance war gering, nur 7,2% der Verum-Gruppe und 2,8% der Vergleichs-Gruppe wandte das Pflaster länger als einen Monat an. Der Verlauf der Schwangerschaft war in beiden Gruppen ähnlich.


Raucherentwöhnung in der Schwangerschaft

Unterstützung kann helfen


In einem Cochrane-Review von 2009 wurden 72 Studien zu unterschiedlichen Rauchentwöhnungsprogrammen mit mehr als 25.000 schwangeren Teilnehmerinnen ausgewertet. Die Analyse zeigt, dass unterschiedliche Entwöhnungsprogramme Schwangeren helfen können, mit dem Rauchen aufzuhören. Studien mit über 10.000 Frauen lieferten Daten, die sich gemeinsam statistisch auswerten ließen. Diese Berechnungen zeigten, dass ohne ein Programm oder eine Nicotinersatztherapie fast 90 von 100 Frauen (90%) während der Schwangerschaft wieder mit dem Rauchen begonnen haben. Von 100 Frauen, die an einem Entwöhnungsprogramm teilnahmen, hatten hingegen 86 wieder zur Zigarette gegriffen. Das heißt, mithilfe von Unterstützungsprogrammen lag die zusätzliche Erfolgsrate bei etwa 4 von 100 Frauen (4%).


[Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)]

Kommentar: Keine Empfehlung

Aufgrund dieser enttäuschenden Daten erachtet es ein Kommentator der Studie für schwierig, sich für oder gegen eine Substitution mit Nicotinpflastern zu entscheiden. Auffallend sind die Abstinenzraten nach einem Monat, die für die Wirksamkeit einer Nicotinersatztherapie sprechen, jedoch verwendete die Mehrzahl der Schwangeren das Pflaster nicht länger als vier Wochen. Hier stellt sich die Frage, ob die Studienmedikation vor oder nach dem Rückfall abgesetzt wurde. Ein Absetzen nach dem Rückfall würde auf eine ungenügende Wirksamkeit der Therapie, ein Absetzen zuvor auf eine unzureichende Compliance deuten, so der Kommentator. Nach Ansicht der Autoren sollten Empfehlungen, die sich für eine Nicotinersatztherapie bei Schwangeren aussprechen, revidiert werden und nur Maßnahmen mit einer sicheren Evidenz wie etwa verhaltenstherapeutische Unterstützungen befürwortet werden.


Quelle

Coleman T., et al.: A randomized trial of nicotine-replacement therapy patches in pregnancy. NEJM 366; 808 – 818 (2012).

Oncken C.: Nicotine replacement for smoking cessation during pregnancy. NEJM 366; 846 – 847 (2012).


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 13, S. 39

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.