Rauschgiftmarkt

"Legal Highs"

Wenn vermeintliche "Badesalze", "Pflanzendünger" oder "Kräutermischungen" berauschend wirken …

Jan Schäper und Bernhard Kreuzer | Seit etwa drei Jahren werden immer mehr Produkte mit fantasievollen Namen auf den Markt gebracht, die stark psychoaktive Substanzen enthalten und missbräuchlich als Rauschmittel konsumiert werden. In Deutschland wurden über 900 solche Produkte untersucht, deren Wirkstoffe mehrheitlich (noch) nicht als Betäubungsmittel eingestuft sind, weshalb sie auch als "Legal Highs" bezeichnet werden. Dieser Begriff suggeriert eine Legalität dieser Produkte, die im Regelfall keineswegs gegeben ist. Im Gegenteil: Die Abgabe von "Legal-High"-Produkten stellt grundsätzlich einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz dar.
Abb. 1 (oben): Gängige "Kräutermischungen" in ihren Originalverpackungen. Foto: Bayer, LKA

Generell ist zu beobachten, dass sich die Zusammensetzungen von Legal-High-Produkten schnell ändern, wenn ein bisheriger Inhaltsstoff den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) unterstellt wird oder werden soll. Bei den Wirkstoffen von Legal Highs handelt es sich mehrheitlich um Substanzen, die als potenzielle Arzneistoffe erforscht, aber (noch) nicht zugelassen wurden, oder um Derivate oder Stoffwechselprodukte (Metaboliten) von zugelassenen Arzneistoffen. Auch pflanzliche Wirkstoffe mit psychotroper Wirkung sowie herkömmliche Designer-Drogen, die sich in ihrer Struktur nur durch kleine gezielte Veränderungen von bekannten Betäubungsmitteln unterscheiden, können den Legal Highs zugeordnet werden.

Der Textkasten listet die gängigsten Wirkstoffe in Legal-High-Produkten auf, wobei überwiegend Trivialnamen oder gebräuchliche Abkürzungen statt der IUPAC-Nomenklatur verwendet wurden. Die synthetischen Cannabinoide werden in der Fachliteratur üblicherweise mit einem Code bezeichnet, der aus einer Zahl und den vorangestellten Initialen des Forschers oder seiner Universität oder dem Kürzel einer Pharmafirma besteht (z. B. JWH für die Forschergruppe um John W. Huffman; AM für Alexandros Makriyannis; CP für Fa. Charles Pfizer, WIN für Fa. Winthrop).


Legal Highs und Research Chemicals


Typische Wirkstoffe von Legal Highs und Research Chemicals, die in vom Bayerischen LKA untersuchten Proben enthalten waren. Wirkstoffe bei denen es sich um Betäubungsmittel im Sinne des § 1 BtMG handelt, sind mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet (Stand 1. 1. 2012).

Synthetische Cannabinoide: JWH-015, JWH-018*, JWH-019*, JWH-073*, JWH-081, JWH-122, JWH-200, JWH-203, JWH-210, JWH-250, JWH-251, JWH-307, AM-694, AM-1220, AM-2201, AM-2232, 5-Fluorpentyl-JWH-122, RCS-4, Pravadolin (WIN-48,098), CP-47,497-C8-Homolog*, CRA-13 (Cannabinoid receptor agonist 13)

Aminoindane: 2-AI, MDAI

Synthetische Cathinone: Mephedron (4-Methylmethcathinon, MMC)*, 3,4-DMMC, Methylon (bk-MDMA), Butylon, MDPV, Naphyron, Ethcathinon, 4-MEC, Metamfepramon, 3-Fluormethcathinon (3-FMC), Flephedron (4-FMC), Pentedron

Phenethylamine: 2C-E, 2C-C, 2C-B (Bromdimethoxyphenethylamin, BDMPEA)*, DOI

Piperazine: Benzylpiperazin (BZP)*, meta-Chlorphenylpiperazin (m-CPP)*, p-FPP, TFMPP, MeBZP

Amfetamin-Derivate: 4-Fluoramfetamin, Methiopropamin (MPA)

Tryptamine: 5-MeO-DALT, DIPT, Dimethyltryptamin (DMT)*

Sonstige Wirkstoffe: γ-Butyrolacton (GBL), Phenibut, O-Desmethyltramadol, Desoxypipradrol (2-DPMP), Phenazepam, Geranamin (Dimethylamylamin, DMAA), p-FBT, Dimethocain (Larocain)


Die Legal-High-Produkte werden im Folgenden in Produktgruppen gegliedert und deren häufigste Wirkstoffe vorgestellt.

Kräutermischungen

Hinsichtlich der Sicherstellungsmengen kommt in Bayern derzeit die größte Bedeutung den sogenannten Kräutermischungen zu, die meistens als "Joints" geraucht werden und somit als Ersatzstoffe für Cannabis-Produkte (Haschisch, Marihuana) anzusehen sind. Hierzu werden etwa 0,2 bis 0,5 g der entsprechenden Kräutermischung mit Tabak vermischt.

Als die Kräutermischung "Spice" im Jahr 2008 auf den Markt kam, waren ihre Wirkstoffe zunächst ein Geheimnis, bis die synthetischen Cannabinoide JWH-018 und CP 47,497-C8-Homolog identifiziert wurden [1]. Die Kräuter selbst fungierten also lediglich als Trägermaterial. Die Wirkstoffe und einige analoge Substanzen wurden zwar in die Anlagen des BtMG aufgenommen, nicht aber zahlreiche weitere Derivate mit psychotroper Wirkung.

Nachdem "Spice" aufgrund der betäubungsmittelrechtlichen Einstufung der Wirkstoffe vom Markt verschwand, kamen als Nachfolgeprodukte zahlreiche neue Kräutermischungen auf den Markt. Den Analysen zufolge waren einige von ihnen als "Trittbrettfahrer" wirkstofffrei, während die meisten immer wieder neue, teils hochpotente synthetische Cannabinoide enthielten. Anfangs waren es vorwiegend Substanzen aus der Arbeitsgruppe um J. W. Huffman, dann wurden auch von anderen Forschergruppen entwickelte synthetische Cannabinoide nachgewiesen (z. B. AM-694, AM-2201, WIN-48098, CRA-13). Teilweise sind auch neue synthetische Cannabinoide oder Derivate bekannter Substanzen enthalten, die bezüglich ihrer Wirksamkeit noch nicht wissenschaftlich untersucht wurden (z. B. RCS-4, 5-Fluorpentyl-Derivat von JWH-122) [2]. In Zukunft muss in Kräutermischungen somit auch mit völlig neuen Cannabinoiden gerechnet werden, deren Struktur mitunter in aufwendigen Untersuchungen aufgeklärt werden muss. Zwischen den Kriminaltechnischen Instituten der Landeskriminalämter, des Bundeskriminalamts und der Zollbehörden besteht zu dieser Thematik ein ständiger Informationsaustausch.

Synthetische Cannabinoide binden ebenso wie natürliche Cannabinoide an Cannabinoid-Rezeptoren (CB). Oft zeigen sie für CB1 und CB2 deutlich höhere Affinitäten als Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC), der Hauptwirkstoff von Cannabis. Somit ist eine dem THC ähnliche oder stärkere Wirkung zu erwarten, was durch Konsumentenberichte in Internetforen zum Thema "Kräutermischungen" auch bestätigt wird. Dem Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) liegen diverse Berichte über notfallmedizinische Behandlungen nach dem Konsum derartiger Kräutermischungen vor. So traten u. a. psychotische Zustände mit Panikattacken, völlige Verwirrtheit und Desorientierung, Kreislaufkollaps und Bewusstlosigkeit auf.

Während in den Produkten der ersten Generation häufig nur ein einziger Wirkstoff nachgewiesen wurde, gibt es mittlerweile auch Produkte mit mehreren Wirkstoffen, wobei diese nicht immer alle den synthetischen Cannabinoiden zuzuordnen sind. In letzter Zeit wurden auch Kräutermischungen sichergestellt, die (zusätzlich) Wirkstoffe aus der Gruppe der synthetischen Cathinone oder Tryptamine enthielten.

Als Ausnahme unter den gängigen Kräutermischungen kann das schon länger auf dem Markt befindliche Produkt "Krypton" angesehen werden, dessen Hauptwirkstoff der analgetisch stark wirksame Tramadol-Metabolit O-Desmethyltramadol ist.


Abb. 2: Headshops sind meist kleine Läden mit szenetypischen Waren. Foto: imago/Schöning

Der Vertrieb von "Legal-High"-Produkten


… erfolgt in der Regel in bunt bedruckten, aluminiumkaschierten Plastiktütchen, die z. B. als Räucherwerk, Kräuter-Potpourri, Pflanzendünger, Henna-Ersatzstoff oder Autoparfüm deklariert sind (Abb. 1).

Händler sind insbesondere Headshops, die auch Wasserpfeifen und andere in der "Szene" geschätzte Waren verkaufen (Abb. 2), und entsprechende Internet-Shops. In geringerem Umfang verkaufen auch Tabakläden, Geschenkboutiquen oder Army-Shops "Kräutermischungen".

Die Geschäftsinhaber betonen häufig die vermeintliche Legalität dieser Produkte und verweisen auf die Analysenzertifikate. Derartige Zertifikate beziehen sich jedoch häufig nur auf eine Prüfung auf Inhaltsstoffe im Sinne des BtMG. Eine Strafbarkeit des Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel (!) wird dabei völlig außer Acht gelassen.

Da sich die Zusammensetzung eines Produkts erfahrungsgemäß ständig ändern kann, hat der Käufer meist keine Kenntnis über dessen tatsächlichen Inhaltsstoffe. Dies ist vermutlich eine Ursache dafür, dass verschiedene Konsumenten die Wirkung von (scheinbar) identischen Produkten sehr unterschiedlich beurteilen.

Abb. 3: Methylendioxymetamfetamin (MDMA) und sein β-keto-Analogon Methylon (bk-MDMA), ein synthetisches Cathinon.

Vermeintliche Badesalze, Pflanzendünger, Party Pills

Diese Produktgruppe enthält häufig Substanzen mit einer stimulierenden, Amfetamin-artigen Wirkung. Des Weiteren treten auch Produkte mit halluzinogen wirksamen Komponenten auf.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurden in Neuseeland in sogenannten Party Pills insbesondere Piperazin-Derivate nachgewiesen, die als legale Alternative zu Ecstasy(XTC)-Tabletten galten und auch in Deutschland Verbreitung fanden. So schrieben Konsumenten der Wirkstoffkombination von BZP mit TFMPP eine Ecstasy-ähnliche Wirkung zu. Die Substanz m-CPP löste vorübergehend sogar den bis dahin in der überwiegenden Anzahl von XTC-Tabletten enthaltenen Wirkstoff MDMA (Abb. 3) ab, da dieser auf dem Weltmarkt aufgrund des Mangels an einer für den Herstellungsprozess entscheidenden Ausgangschemikalie zeitweise kaum verfügbar war. Mittlerweile ist MDMA jedoch wieder als häufigster Wirkstoff von "echten" XTC-Tabletten anzusehen. Äußerlich können Party Pills, die in der Regel psychotrope, nicht dem BtMG unterliegende Wirkstoffe enthalten, von "echten" XTC-Tabletten, deren Inhaltsstoffe dem BtMG unterstellt sind, nicht unterschieden werden.

Aufgrund ihres Missbrauchspotenzials wurden BZP und m-CPP relativ zeitnah den Bestimmungen des BtMG unterstellt. Als Folge davon kam eine Vielzahl von weiteren Piperazinen auf den Markt, die zu berauschenden Zwecken eingenommen wurden (p-FPP, MeBZP usw.). Sie konnten sich aber nicht dauerhaft durchsetzen, da sie bei den Konsumenten Übelkeit und Kopfschmerzen hervorriefen. Teilweise wurde in m-CPP-haltigen Tabletten das Antiemetikum Metoclopramid nachgewiesen, das vermutlich zur Vorbeugung von Übelkeit zugesetzt wurde.

In "Badesalzen" mit stimulierender Wirkung spielen seit Mitte 2009 die synthetischen Cathinone die bedeutendste Rolle. Deren Muttersubstanz, das Betäubungsmittel Cathinon (BtMG Anlage I), ist der Hauptwirkstoff der Khat-Pflanze (Catha edulis), die insbesondere in Ostafrika und im Jemen wegen ihrer stimulierenden und angenehmen Wirkung konsumiert wird. Auch die N-methylierte Verbindung Methcathinon ist schon seit längerer Zeit im BtMG aufgeführt.

Bei vielen synthetischen Cathinonen handelt es sich aus chemischer Sicht um die β-keto-Analoga bekannter Amfetamine (Abb. 3). Als Trivialname dieser Verbindungen werden deshalb teilweise die Abkürzungen der entsprechenden Amfetamin-Derivate verwendet, denen der Zusatz "bk" (für β-keto) vorangestellt wird. Als erster Vertreter der synthetischen Cathinone trat ab 2009 in Deutschland vermehrt der Wirkstoff Mephedron (4-Methylmethcathinon, 4-MMC) auf, der jedoch schon kurz nach den ersten Sicherstellungen ab Januar 2010 in die Anlage I des BtMG aufgenommen wurde. Darauf wurden bis heute in Legal Highs zahlreiche weitere synthetische Cathinone nachgewiesen, die sich bezüglich ihrer Struktur oft von bekannten Amfetamin-Derivaten ableiten.

Abb. 4: Typische Verkaufsformen von "Badesalzen" und anderen Legal Highs: Druckverschlussbeutel, die in kartoniertes Papier geheftet sind ("Charge+", "Jungle dust", "Dust", "wakeup"), Aluminiumtütchen ("mojo") und Papierbriefchen ("Volt 220tm "), Hartgelatinekapseln ("Mitseez") sowie Flüssigkeiten (rechts oben: "Exposion After Party", "Exposion Trance", "Algeria citrus").
Foto: Bayer. LKA

Die Dosierung für eine Konsumeinheit liegt bei oraler Aufnahme für die meisten Cathinone in der Größenordnung von 100 bis 250 mg und ist damit höher als bei den entsprechenden Amfetamin-Derivaten. Eine Ausnahme bildet z. B. das in der "Szene" als hochpotent bezeichnete Methylendioxypyrovaleron (MDPV), dessen Konsumeinheit gemäß Anwenderberichten bei 10 bis 25 mg (oral) bzw. 5 bis 10 mg (nasal) liegt.

Synthetische Cathinone sind insbesondere Bestandteil zahlreicher "Badesalze" (bath salt), "Party pills" und "Pflanzendünger" (plant food, plant booster). Teilweise werden auch andere dubiose Zweckbestimmungen wie "Papageienkäfigstreu", "Aquariumreiniger" oder "Reinigungsmittel" auf den Verpackungen angegeben.

Diese Produkte werden häufig in Pulverform in Druckverschlusstütchen, die in ein bunt bedrucktes kartoniertes Papierheftchen geheftet wurden, verkauft (Abb. 4). Mitunter werden sie aber auch in aluminiumkaschierten Plastiktütchen oder Papierbriefchen vermarktet. Vereinzelt wurden auch Flüssigkeiten sichergestellt, die stimulierende Wirkstoffe enthalten. Im Falle von vielen Party Pills sind die Wirkstoffe bei einem analogen äußeren Erscheinungsbild bereits in Hartgelatinekapseln abgefüllt (Abb. 4).

Wirkungen und Nebenwirkungen der Cathinone

Synthetische Cathinone werden üblicherweise nasal oder oral konsumiert. Beim Schnupfen dieser Substanzen tritt ein starkes Brennen der Nasenschleimhäute auf, weshalb viele Konsumenten zuvor ein Lokalanästhetikum wie Lidocain oder Benzocain anwenden, sofern dieses nicht bereits in den "Badesalzen" enthalten ist. Vor einer oralen Aufnahme werden die Substanzen aufgrund ihres schlechten Geschmacks oft Getränken beigemischt, in Hartgelatinekapseln abgefüllt oder in Zigarettenpapier verpackt und in dieser Form als "Bömbchen" geschluckt.

Die Wirkungsdauer der meisten synthetischen Cathinone liegt im Bereich weniger Stunden. Wie Konsumenten berichten, verspüren sie nach dem Abklingen der Wirkungen häufig einen Zwang zur erneuten Wirkstoffaufnahme ("nachlegen"), sodass sie im Laufe eines Tages mitunter mehrere Konsumeinheiten nehmen oder sogar den kompletten Vorrat verbrauchen.

Als Nebenwirkungen synthetischer Cathinone werden u. a. ein erhöhter Puls, Kreislaufprobleme, Nierenschmerzen und Appetitlosigkeit beschrieben. Die Fallzahl von Psychosen nimmt zu. Ferner wurden in Schweden und Großbritannien und mehrere Todesfälle bekannt, bei denen synthetische Cathinone eine Rolle spielten.

Neben synthetischen Cathinonen wurden als psychotrope Wirkstoffe von "Badesalzen" und vergleichbaren Produkten bereits zahlreiche andere Wirkstoffe nachgewiesen, die in der Regel auch in Reinform als sogenannte "Research chemicals" erhältlich sind.

Research Chemicals

Als eine Art Vorreiter des Phänomens Research Chemicals kann die Industriechemikalie γ-Butyrolacton (GBL) angesehen werden, die insbesondere in den Jahren 2006 bis 2010 in Deutschland massiv zu berauschenden Zwecken missbraucht wurde. GBL wandelt sich im Körper schnell in γ-Hydroxybuttersäure um und hat bei der Aufnahme kleinerer Mengen eine euphorisierende Wirkung. Bei Aufnahme größerer Mengen kann es jedoch zu Bewusstlosigkeit und anderen fatalen Nebenwirkungen kommen. Dem Bayerischen LKA sind 19 Fälle bekannt, in denen der Konsum von GBL todesursächlich gewesen sein dürfte. Ferner weist GBL Konsumentenberichten zufolge ein massives Abhängigkeitspotenzial auf. In Deutschland wurden mehrere Händler, die GBL zu berauschenden Zwecken verkauft haben, zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt, sodass die GBL-Problematik mittlerweile stark zurückgegangen ist.

Abb. 5: Typisches Erscheinungsbild von Research Chemicals. Foto: Bayer. LKA

Dafür könnte u. a. das Massenphänomen "Research Chemicals" (RC, "Forschungschemikalien") verantwortlich sein. Über das Internet können – insbesondere aus dem asiatischen Raum – zahlreiche psychoaktive Wirkstoffe nahezu in Reinform als RC bezogen werden. Die Packungsgrößen liegen üblicherweise im Bereich von etwa einem Gramm, teilweise aber auch bei mehreren hundert Gramm, was je nach Substanz weit über tausend Konsumeinheiten entsprechen kann. Die Abgabe erfolgt im Regelfall in Plastikdruckverschlusstütchen, die mehr oder weniger deutlich als RC deklariert sind (Abb. 5). Teilweise werden neben den Trivialnamen der Substanzen auch Strukturformeln angegeben. Auf nahezu jedem Produkt wird darauf hingewiesen, dass der Inhalt nur für Forschungszwecke und nicht zum Verzehr zu verwenden ist.

Neben den bisher diskutierten synthetischen Cathinonen bzw. synthetischen Cannabinoiden, die u. a. als Ausweichsubstanzen für Amfetamine bzw. Cannabis-Produkte angesehen werden können, werden zahlreiche weitere Substanzen mit unterschiedlichsten Wirkungsprofilen vertrieben, z. B. auch bekannte Designer-Drogen. Aus der Gruppe der Phenethylamine ist hierbei das halluzinogen wirkende 2C-E zu nennen, das strukturelle Ähnlichkeit mit Mescalin (Wirkstoff im Peyotl-Kaktus) aufweist. Mitunter werden grün eingefärbte 2C-E-Lösungen als angeblicher Extrakt psychotroper Kakteen verkauft.

Weiterhin ist tendenziell eine Zunahme von Sicherstellungen von Tryptamin-Derivaten (z. B. 5-MeO-DALT, DIPT) zu beobachten, die in Bayern bisher eine untergeordnete Rolle spielten. 5-MeO-DALT wurde sowohl als RC als auch als Bestandteil von Badesalzen sichergestellt. Grundsätzlich rufen Tryptamin-Derivate je nach Substanz und Dosierung eine euphorisierende oder halluzinogene Wirkung hervor. Einige unterliegen bereits seit längerer Zeit den Bestimmungen des BtMG.

Das in Deutschland nicht zugelassene Phenazepam, ein äußerst potenter Tranquilizer aus der Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine, ist im Internet als RC erhältlich, weil es in den meisten Ländern derzeit keiner gesetzlichen Kontrolle unterliegt. Als Konsumeinheit werden in der "Szene" lediglich 0,5 bis 2 mg angesetzt, sodass es schnell zu Überdosierungen mit lang anhaltender Bewusstlosigkeit kommen kann. Stark sedierende Wirkstoffe wie Phenazepam werden auch dazu verwendet, um von stimulierenden Wirkstoffen wieder "herunterzukommen".

Dem Dimethocain (Larocain) wird neben einer analgetischen Wirkung auch ein milder stimulierender Effekt zugeschrieben, sodass es in der "Szene" als eine vermeintliche legale Alternative zu Cocain angesehen wird. Als Hauptbestandteil wurden in angeblichem "Dimethocain" jedoch schon häufig andere Lokalanästhetika wie Benzocain oder Lidocain nachgewiesen. Teilweise war in solchen Zubereitungen nur wenig oder gar kein Dimethocain enthalten. Auch hier kann der Konsument nicht erkennen, welche Wirkstoffe in dem jeweils vorliegenden Produkt tatsächlich enthalten sind. Die Meinungen über die Wirkung von Dimethocain gehen in der "Szene" somit weit auseinander.

Als weitere Wirkstoffgruppe sind die Aminoindane zu nennen, die sich durch einen Ringschluss von den Amfetaminen ableiten. Auch ihnen werden stimulierende Effekte zugeschrieben. Vertreter dieser Gruppe sind z. B. MDAI als Aminoindan-Analogon zu 3,4-Methylendioxyamfetamin (MDA) oder 2-AI (Analogon zu Amfetamin). In Bayern tritt diese Wirkstoffgruppe im Vergleich zu den synthetischen Cathinonen jedoch noch selten auf.

Mit substituierten Derivaten wie 4-Fluoramfetamin (4-FA) und dem im Mai 2011 in Bayern erstmals sichergestellten Wirkstoff Methiopropamin (Thiophenderivat von Metamfetamin) werden Amfetamin-Derivate als RC angeboten, die derzeit noch nicht den Bestimmungen des BtMG unterliegen.

Als weitere Alternative zu Amfetaminen und dem Arzneistoff Methylphenidat, der ebenfalls ein Missbrauchspotenzial aufweist, wird in der "Szene" auch Desoxypiradrol konsumiert, das u. a. zur Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen entwickelt wurde, sich jedoch gegen Methylphenidat nicht durchsetzen konnte.

Eine moderate stimulierende, Coffein-artige Wirkung wird ferner dem 4-Methyl-hexan-2-amin zugeschrieben, das als RC unter den Bezeichnungen Geranamin oder DMAA (Dimethylamylamin) erhältlich ist. Es wurde auch in Legal-High-Produkten nachgewiesen.

Fazit

: Für nahezu alle klassischen Drogen, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, sind mittlerweile vermeintlich legale Alternativen in Form von RC erhältlich.

Konsumentengruppen

Bei Sicherstellungen von Legal-High-Produkten ist immer wieder festzustellen, dass viele Konsumenten auffällig jung sind. Für Jugendliche dürften die Anonymität einer Internetbestellung und der vermeintlich legale Kauf dieser Substanzen in Headshops als Anreiz dienen, um Erfahrungen mit Rauschmitteln zu erlangen.

Eine weitere Gruppe stellen BtM-Konsumenten dar, die bereits mit den gesetzlichen Vorschriften in Konflikt geraten sind und im Rahmen von Bewährungsstrafen, offenem Strafvollzug oder medizinisch-psychologischen Untersuchungen (MPU) zu Urinscreenings oder Haaranalysen einbestellt werden; denn viele der genannten Substanzen werden von gängigen Immunoassays für die Urinanalytik (noch) nicht erfasst. (Sie sind jedoch mit aufwendigeren analytischen Methoden nachweisbar.)

Der Verkauf von RC oder Legal-High-Produkten in Pulverform dürfte auch in Discos als Amfetamin-Alternative oder als bewusste Amfetamin-Fälschung erfolgen. Synthetische Cathinone sind ferner in Cocain-Zubereitungen nachgewiesen worden.

Neben der Verwendung als Party- oder Freizeitdroge werden synthetische Cathinone und andere Stimulanzien auch zunehmend von Schülern und Studenten zur Leistungssteigerung (sog. "brain doping") eingenommen.


Internet


Weitere Informationen auf der Homepage des European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction:

www.emcdda.eu > Topics (A– Z) > Drug Profiles

Gefahrenpotenzial beim Konsum von "Legal Highs"

Für den Konsumenten gehen von diesen Produkten grundsätzlich unkalkulierbare Gefahren aus. Im Regelfall werden auf Legal-High-Produkten keine konkreten Angaben zu den tatsächlichen Inhaltsstoffen gemacht, sodass sich der Konsument an die Wirkung des entsprechenden Produkts erst herantasten muss. Je nach Wirkstoff muss somit bei unvorsichtiger Dosierung mit teils heftigen Nebenwirkungen wie einem völligen Kontrollverlust oder Bewusstlosigkeit gerechnet werden. Die ständig wechselnden Zusammensetzungen von Legal-High-Produkten erhöhen dieses Risiko, da der Konsument die ihm bereits bekannten Produkte möglicherweise unvorsichtiger dosiert.

Auf den Verpackungen von RC wird der Inhalt zwar üblicherweise angegeben, es kommt aber durchaus vor, dass die Deklaration falsch ist. Wenn der tatsächlich enthaltene Wirkstoff deutlich potenter ist als der deklarierte (z. B. MDPV statt Methylon), kann es schnell zu Überdosierungen mit den entsprechenden Nebenwirkungen kommen.

Grundsätzlich sind die meisten Wirkstoffe pharmakologisch kaum oder gar nicht erforscht. Die Konsumenten von RC können wahrhaft als lebende Versuchsobjekte angesehen werden. Die Konsumenten nehmen im Rahmen ihrer "Forschungen" teilweise sehr abenteuerliche Wirkstoffcocktails ein, deren Inhaltsstoffe mitunter gegenläufige Wirkungsprofile aufweisen. Nach hier vorliegenden Informationen sind unter dem Einfluss derartiger Substanzen bereits regelrechte Amok-Läufe beobachtet worden.

Research Chemicals und die Wirkstoffe von Legal Highs werden ferner in "Hinterhoflabors" o. ä. produziert. Es muss bezweifelt werden, dass die Herstellung auch nur annähernd gemäß den anerkannten Richtlinien zur Herstellung von Arzneimitteln erfolgt. Somit ist davon auszugehen, dass viele Produkte nicht in einer für Konsumzwecke geeigneten Reinheit vorliegen, sondern z. B. durch Synthesenebenprodukte verunreinigt sind.

Abb. 6: Weiße Kristalle des synthetischen Cannabinoids JWH-081 in einer "Kräutermischung". Foto: Bayer. LKA

Weiterhin werden eingeführte und häufig verkaufte Produkte zunehmend von anderen Herstellern – unter Verwendung anderer Wirkstoffe – plagiiert; die Hersteller der "Originale" versehen daher zwischenzeitlich ihre Produkte mit Hologrammen oder ähnlichen Sicherheitsmerkmalen.

Eine nicht unerhebliche Minderung der Qualität ist häufig auch in der Inhomogenität von bestimmten Kräutermischungen zu sehen, in denen sich mit bloßem Auge erkennbare weiße Kristalle oder Pulver befinden, die sich in der Regel am Boden der Verpackung absetzen (Abb. 6). Nach hier vorliegenden Erfahrungen betrifft dies bisher häufig Kräutermischungen, die die synthetischen Cannabinoide JWH-081 oder RCS-4 enthalten. Insbesondere beim Entleeren derartiger Packungen für die letzte Konsumeinheit kann es leicht zu Überdosierungen mit entsprechenden Nebenwirkungen kommen.

Rechtlicher Status

Ein Ziel des Inverkehrbringens von Legal-High-Produkten ist darin zu sehen, dass betäubungsmittelrechtliche Vorschriften bewusst umgangen werden sollen. Zwar sind in den meisten Legal-High-Produkten üblicherweise keine Betäubungsmittel im Sinne des § 1 BtMG enthalten, jüngste Erkenntnisse zeigen jedoch, dass sich der Käufer nie sicher sein kann. Im Rahmen einer Großsicherstellung durchgeführte Analysen ergaben, dass in einigen der untersuchten Proben relevante Mengen an Betäubungsmitteln enthalten waren. Hier stellten sowohl der Besitz als auch die Abgabe der Produkte einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz dar.

Entgegen der verbreiteten Meinung vieler Headshop- oder Internetshop-Betreiber ist auch die Abgabe von Legal Highs, die keine betäubungsmittelrechtlich erfassten Substanzen enthalten, nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) strafbar.

Unabhängig von den enthaltenen Wirkstoffen kann bereits anhand der Aufmachung und dem Preis der Produkte (häufig 10 bis 30 Euro pro Gramm) der Schluss gezogen werden, dass der eigentliche Verwendungszweck nicht dem auf der Packung angegebenen entspricht. Zusätze wie "Potent Potpourri", "Extrem strong", "Mind blowing effect" weisen bereits auf eine psychotrope Wirkung hin. In einem Beispiel ist der von den Herstellern angegebene Verwendungszweck rückblickend als besonders zweifelhaft anzusehen, da das Produkt erst als Badesalz und später bei analoger Zusammensetzung und nahezu gleicher Aufmachung als Pflanzendünger vermarktet wurde. Mittlerweile wird es auch als Badreiniger vertrieben.

Aus juristischer Sicht dienen auf den Packungen enthaltene Warnungen wie "Not for human consumption", "For research only", "Von Kindern fernhalten" oder die Begutachtung durch (teilweise fragwürdige) Labore ausschließlich dazu, ein Eingreifen der Behörden zu verhindern. Auf potenzielle Konsumenten wirken derartige Hinweise eher anziehend. Auch wenn der Hersteller Produkte als "Räuchermischungen", "Badesalze", "Pflanzendünger", "Research Chemicals" o. ä. deklariert, sieht der Verbraucher ihre Zweckbestimmung in einer missbräuchlichen Verwendung als Rauschmittel [3].

Die zugesetzten synthetischen Wirkstoffe solcher Produkte erfüllen die Legaldefinition eines Arzneimittels (§ 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG), da sie bei Anwendung im menschlichen Körper die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische Wirkung beeinflussen. Ferner besteht der begründete Verdacht, dass beim Konsum die schädlichen Wirkungen der entsprechenden Wirkstoffe über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Die betreffenden Produkte sind damit als "bedenklich" (§ 5 Abs. 2 AMG) einzustufen, deren Inverkehrbringen und Abgabe in Deutschland verboten ist (§ 5 Abs. 1 AMG).

Der Eigenkonsum und Besitz (ausgenommen das Vorrätighalten zur Abgabe) der Produkte hingegen ist nicht strafbewehrt, sofern sie keine Substanzen im Sinne des § 1 BtMG enthalten. Für einen Konsumenten ist eine solche Differenzierung der Inhaltsstoffe jedoch unmöglich.

Ausblick

Bisher wurden nur wenige Legal-High-Wirkstoffe den Bestimmungen des BtMG unterstellt (s. o). Der Sachverständigenausschuss für Betäubungsmittel (§ 1 Abs. 2 BtMG) hat in den Sitzungen der Jahre 2010 und 2011 der Bundesregierung empfohlen, zahlreiche weitere Legal-High-Wirkstoffe insbesondere aus den Gruppen der Piperazine, synthetischen Cathinone sowie synthetischen Cannabinoide in die Anlagen des BtMG aufzunehmen. Diese Unterstellung soll nach hier vorliegenden Informationen im Rahmen der 26. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung (26. BtMÄndV) demnächst erfolgen [4]. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass dann weitere neue Substanzen und Wirkstoffgruppen, deren Strukturaufklärung einen beträchtlichen Zeitaufwand in Anspruch nehmen kann, auf den Markt kommen.

Die fast unüberschaubare Vielfalt der derzeit erhältlichen Legal Highs und Designerdrogen sowie die vielfältigen Möglichkeiten zukünftiger Neuentwicklungen lassen ein Listensystem mit der Aufführung von Einzelsubstanzen, wie es das BtMG derzeit verwendet, für die Zukunft als ein wenig praktikables Instrument der Strafverfolgung erscheinen. Nachteilig sind bei ständig neu auftretenden Wirkstoffen der hohe Verwaltungsaufwand und die in der Regel lange Zeitdauer bis zur Aufnahme neuer Wirkstoffe in die Anhänge des BtMG.

Mögliche Lösungsansätze wären dagegen die Unterstellung ganzer Substanzgruppen unter das BtMG oder eine eigene strafbewehrte Rechtsvorschrift für synthetische psychotrope Substanzen; beides wird aktuell in Deutschland kontrovers diskutiert.

Dem gegenüber bietet das AMG (bei einem Strafrahmen von bis zu 10 Jahren Haft und rechtskräftigen Verurteilungen bis zu 9 Jahren 3 Monaten Freiheitsstrafe) schon jetzt eine wirkungsvolle und flexible Handhabe zur strafrechtlichen Ahndung beim Vorrätighalten zur Abgabe und beim Inverkehrbringen dieser Stoffe.


Quellen

[1] Auwärter V, et al. ‘Spice‘ and other herbal blends: harmless incense or cannabinoid designer drugs? J Mass Spectrom 2009:44(5):832 – 837

[2] Kneisel S. Trends auf dem Gebiet der synthetischen Cannabinoidmimetika: Massenspektren und ATR-IR-Spektren neuer Verbindungen aus dem Zeitraum Ende 2010 bis Ende 2011. Toxichem Krimtech 2011;78(3):465 – 479.

[3] Vgl. Urteil des BGH 1 StR 277/09 zu der Abgabe von GBL.

[4] Schäper J, Thiemt S, Wende S. Assessment of supposedly legal designer drugs and "legal highs” according to the Medicinal Products Act (AMG). Toxichem Krimtech 2011; 78(Special Issue):176 – 185.


Autoren
Dr. Jan Schäper, Bernhard Kreuzer
Bayerisches Landeskriminalamt, Maillingerstr. 15, 80636 München
jan.schaeper@polizei.bayern.de



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DAZ 2012, Nr. 13, S. 48

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