Interpharm 2012

Rechtzeitig gegensteuern!

Weit verbreitetes Problem: Mangelernährung im Alter

Mangelernährung ist bei betagten und hochbetagten Menschen ein weit verbreitetes Problem. Das sollte man bei der Beratung in der Apotheke stets im Hinterkopf haben, denn es kann für gesundheitliche Probleme mitverantwortlich sein und zudem eine Arzneimitteltherapie ungünstig beeinflussen. Alleine auf seine Augen kann man sich dabei allerdings nicht verlassen – denn auch normal- oder übergewichtige Senioren können mangelernährt sein, wie Ernährungswissenschaftlerin Ulrike Gonder auf der Interpharm betonte.
Ulrike Gonder: Apotheker können viel dazu beitragen, die Ernährung von Senioren zu verbessern – wenn sie für die Problematik sensibilisiert sind. Foto: DAZ/Darren Jacklin

Mangelernährung im Alter hat viele Facetten. Betroffen sind davon insbesondere betagte und hochbetagte Menschen, das heißt Menschen ab einem Alter von etwa 75 Jahren. Bei ihnen kann vielfach ein Energie- und/oder Nährstoffmangel beobachtet werden. Untersuchungen zufolge sind mehr als 40 Prozent der alten Menschen in Privathaushalten, mehr als 60 Prozent der Senioren in Pflegeheimen und ca. 90 Prozent der Patienten in Rehakliniken mangelernährt.




Woran es häufig mangelt

Wenn man von Mangelernährung spricht, kann dies verschiedene Mangelzustände bedeuten. So wird zwischen einem generellen Mangel an Energie und Nährstoffen und einem isolierten Nährstoffmangel unterschieden. Meist fehlen alten Menschen Energie und Nährstoffe, wobei allerdings nicht alle Nährstoffe gleichermaßen betroffen sind. Besonders kritische Nährstoffe sind Proteine, die Vitamine Folsäure, B1, B6, B12, Niacin und Vitamin D sowie die Mineralstoffe Eisen, Magnesium, Zink und Selen.

Ursachen …

Als Ursache für die Mangelernährung kommen zum einen physiologische altersbedingte Veränderungen infrage, die zu einer verschlechterten Nährstoffaufnahme führen. Dazu gehören z. B. eine veränderte Magenmotilität und eine Abnahme an Verdauungsenzymen. Zum anderen macht sich das Nachlassen der "körperlichen Kräfte" negativ bemerkbar. So sind weitere häufige Ursachen für Mangelernährung im Alter nachlassende Mobilität, Kau- und Schluckbeschwerden, ein schlechter Zahnstatus oder Sehprobleme. Darüber hinaus können Krankheiten wie die bei alten Menschen häufig zu beobachtende chronische Gastritis den Ernährungsstatus verschlechtern und auch psychische Faktoren spielen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Da alte Menschen häufig multimorbide sind und meist mehrere Arzneimittel über lange Zeiträume einnehmen müssen, besteht zudem die Gefahr, dass es aufgrund von Wechselwirkungen zwischen Medikation und Nährstoffen zu Mangelzuständen kommt oder diese verstärkt werden. Beispielsweise wird durch die langfristige Einnahme von Protonenpumpenhemmern die Aufnahme von Vitamin B12 verringert, Phenobarbital beschleunigt den Abbau von Vitamin D und Neomycin führt zur Malabsorption aller fettlöslichen Vitamine.

… und Folgen

Wenn Energie- und/oder Nährstoffe fehlen, hat das eine Reihe von negativen gesundheitlichen Folgen. Da mit Gewicht auch viel Muskelmasse verloren geht (Sarkopenie), kommt es zu allgemeiner Schwäche und Müdigkeit und das Reaktionsvermögen sinkt. Eine ungenügende Folsäure- und Vitamin-B12-Versorgung kann z. B. mit einer Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit verbunden sein. Ein zu niedriger Vitamin-D-Spiegel ist mit einem erhöhten Sturzrisiko assoziiert. Weiterhin schwächen vor allem Protein- und Mikronährstoffmängel das Immunsystem. Das Infektionsrisiko steigt, die Wundheilung ist verzögert oder bleibt aus. Es kann zu Hautproblemen und Dekubitus kommen. Komplikationen im Krankheitsfall sind häufiger, die Klinikaufenthalte länger. Auch die Sterblichkeit steigt, wenn ein alter Mensch mangelernährt ist.

Hier ist mehr drin


So kommen mehr Kalorien und Nährstoffe ins Essen:

  • Soßen, Suppen, Aufläufe mit Sahne, Creme fraîche u. ä. verfeinern

  • Gemüse mit Butter oder Öl abschmecken

  • bei Milchprodukten fettreiche Sorten bevorzugen (z. B. Sahnequark, Sahnejoghurt)

  • Süßspeisen, Dressings oder Dips mit Nussmus und Honig anreichern

  • Schokolade, Nüsse oder Trockenfrüchte zwischendurch reichen

Frühzeitig intervenieren

Problematisch bei Senioren ist, dass ungewollte Gewichtsabnahmen meist nicht wieder aufgeholt werden. Abnahmen von mehr als 3 kg in drei Monaten oder von zehn Prozent des Körpergewichts innerhalb eines halben Jahres gelten Gonder zufolge als bedenklich. Frühzeitiges Gegensteuern ist daher wichtig. Die Apotheke kann hier wertvolle Dienste leisten. Zum einen durch die medikationsabhängige Aufklärung über mögliche Interaktionen und entsprechende Gegenstrategien, zum anderen durch allgemeine Hinweise zur Verbesserung der Ernährung und Tipps zu Hilfsmitteln, die das Essen erleichtern. Beachten sollte man Gonder zufolge, dass ein Nährstoffmangel und auch ein Energiemangel nicht immer daran zu erkennen ist, dass der Patient untergewichtig ist. Durch Wassereinlagerungen kann der Mangel überdeckt werden. "Hier muss man schon genauer nachfragen, unter anderem, ob es in der jüngeren Zeit zu einem ungewollten Gewichtsverlust gekommen ist, ob Müdigkeit oder eine erhöhte Infektanfälligkeit vorhanden ist oder ob Unsicherheiten beim Gehen auftreten", erklärte die Referentin.

Mindestens!


Als Basistipps für den Erhalt einer ausgewogenen Ernährung von Senioren nannte Gonder:

Täglich (mindestens)

  • eine warme Mahlzeit
  • ein Stück Obst
  • eine Portion Gemüse oder Salat
  • eine Portion Milch, Joghurt, Quark oder Käse
  • eine Scheibe Vollkornbrot
  • 1,5 Liter Flüssigkeit
  • eine Portion Fleisch, Fisch oder Ei
  • Sonnenexposition bzw. Vitamin-D-Supplementation
  • gegebenenfalls Trinknahrung zur Ergänzung

[Quelle: mod. nach Volkert, D., Vollwertige Ernährung im Alter, in: Klinische Geriatrie, Springer 2000]


ral



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DAZ 2012, Nr. 12, S. 86

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